URI: 
       # taz.de -- Religiöse Siedler im Westjordanland: Im Namen Gottes
       
       > Durch das aggressive Bauen Israels rückt eine Zweistaatenlösung in weite
       > Ferne. Eine Recherche bei religiösen Siedlern im Westjordanland.
       
   IMG Bild: Blick ins Westjordanland
       
       Wenn sich der Winzer Eliav Hillel für die Arbeit fertig macht und sein
       weißes Hemd überstreift, vergisst er nie, sich den Pistolengürtel um die
       Hüfte zu legen. Die Pistole ähnelt fast einem Schmuckstück, während Hillel
       die Flasche Chardonnay entkorkt, den Weinausgießer in den Flaschenhals
       steckt und mit eleganten Bewegungen Wein ausschenkt. Es ist ein trockener
       Jahrgang.
       
       Hillel ist einer von zwei Besitzern der Kabir Winery in Elon Moreh im
       Westjordanland. Seit rund 25 Jahren arbeiten dort keine
       Palästinenser*innen mehr. Nach einem Terrorangriff 2002 während der
       Zweiten Intifada, bei dem ein militanter Palästinenser das Feuer auf eine
       Familie in Elon Moreh eröffnete und vier Mitglieder tötete, habe man keine
       mehr beschäftigt, sagt Hillel. Die Pistole trage er zur Selbstverteidigung,
       obwohl er in 45 Jahren kein einziges Mal habe schießen müssen. Eigentlich
       sei Elon Moreh ein Paradies. „Gute Menschen, gute Aussichten. Ein gutes
       Leben.“
       
       Die Kabir Winery ist nach eigenen Angaben eine „Boutique-Winzerei“, die für
       die Region seltene Rebsorten wie die französische Tannat anbaut. 21 Sorten
       auf etwa 22 Hektar Weinberg. Mehrere Auszeichnungen schmücken die seitliche
       Wand von Hillels Weinkeller.
       
       Elon Moreh ist eine orthodoxe Siedlung etwa 6 Kilometer nordöstlich von
       Nablus, festgekrallt am Abhang des Berges Kabir. Der Name kommt aus einer
       Passage in der Bibel. Demnach hieß der Ort so, an dem sich Abraham
       niederließ und an dem Gott ihm und seinen Nachkommen das Land versprach.
       
       ## „Eines Tages werdet ihr zurückkehren“
       
       Der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Teselem zufolge ist die
       Siedlung Elon Moreh 1980 auf einem Areal entstanden, das Israel von den
       palästinensischen Dörfern Azmut, Deir al-Hatab und Salem konfisziert hat.
       Die frühere traditionelle Landwirtschaft hat das zerstört.
       
       „Jeremiah sagte, eines Tages werdet ihr zurückkehren und Wein in Samaria
       anbauen“, zitiert Eliav Hillel aus der Bibel. Hillel, 67 Jahre alt,
       Ex-IT-Programmierer, weiße Haare, langer, grauweißer Bart, trägt eine
       breite Kippa mit weiß-blauem Rand und macht keinen Hehl daraus: Religion
       ist sein Hauptantrieb für die Winzerei. Profit spiele eher eine
       untergeordnete Rolle.
       
       Wie viel Geld sie mit dem Wein aus der Siedlung machen, kann oder will
       Hillel nicht preisgeben. Exportiert werde nicht. Die 15.000 Flaschen jedes
       Jahr reichten nur für den heimischen Markt. Vor eventuellen Boykotten
       [1][oder Sanktionen] hat Hillel keine Angst. Das Material für die
       Produktion, Fässer und Reben kommen zwar aus dem Ausland, etwa aus
       Frankreich, aus Kanada oder den USA. Gekauft wird jedoch in Israel. Damit
       umgehen sie hier alle Probleme.
       
       Über dem Weinkeller befindet sich ein Restaurant. Zwei Säle, eine Terrasse,
       mehr als ein Dutzend Holztische. Die Gäste blicken auf das Tal des Kabir,
       auf die weißen Hochhäuser des palästinensischen Dorfs Azmut und auf die
       Weinberge, über denen eine israelische Flagge weht. Kellnerinnen tragen
       Schüsseln mit Salaten, gerösteten Süßkartoffelstreifen, Pesto-Aufstrichen
       und Lasagne mit Tomaten-Bechamel-Sauce. Vegetarisch, weil sich Käse nach
       rabbinischen Vorschriften nicht mit Fleisch verträgt. Alles ist koscher,
       alles hier ist religiös genehmigt.
       
       Gruppen von Frauen plaudern und essen, alle tragen um den Kopf gewickelte
       Kopftücher. Eine sagt, in ihrer Siedlung arbeiteten Araber*innen – vor
       allem in Handwerksjobs, die viele Israelis nicht mehr machen.
       
       ## Palästinenser*innen verdienen dort ihren Unterhalt
       
       So läuft das auch im Industriekomplex Barkan, 40 Kilometer südwestlich.
       
       Dort sitzt Davidi Ben-Zion, kariertes Hemd, auf einem Plastikstuhl in
       seinem Büro. Am Stuhl lehnt eine Aktentasche. Draußen laufen israelische
       und palästinensische Arbeiter*innen mit Kopftuch vorbei, suchen im
       Schatten Schutz vor der Hitze. Im Industriegebiet arbeiten seit Jahren
       beide Gruppen. Für Ben-Zion ein Beispiel gelungener Integration. Alle
       hätten gleiche Löhne, betont er.
       
       [2][Ein Bericht von Human Rights Watch] warf 2016 manchen dort ansässigen
       Unternehmen vor, Palästinenser*innen schlechter zu bezahlen. Zudem
       gab es juristische Streitigkeiten um den Besitz des Landes, auf dem der
       Komplex errichtet wurde. Manche Beobachter*innen betonen die
       wirtschaftliche Bedeutung des Gebiets für die Palästinenser*innen, die
       dort ihren Unterhalt verdienen.
       
       Nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023, die fast 1.200 Israelis
       tötete und 250 als Geiseln nahm, strich Israel 115.000
       Palästinenser*innen in Israel und den Siedlungen die
       Arbeitserlaubnis. Dies führte zu einem Fachkräftemangel, etwa in der
       Landwirtschaft und auf dem Bau. Und im palästinensisch kontrollierten
       Westjordanland zu einem gefährlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit.
       Inzwischen können der israelischen Behörde Cogat zufolge etwa 34.000
       Palästinenser*innen wieder in Siedlungen und knapp 11.500 in Israel
       arbeiten.
       
       Ben-Zion, 39 Jahre alt, sieben Kinder, ist Vizechef des „Samaria
       Regionalrats“, der sich um 35 israelischen Siedlungen im nördlichen
       Westjordanland kümmert. Er ist Chef der Partei Unity for Israel und
       Vorstand des Jewish National Fund. Der Fonds kauft Land und vergibt Geld an
       Projekte in Siedlungen. Zudem hat Ben-Zion einen Verein für Mädchen in Not
       in der Siedlung Elon Moreh initiiert.
       
       Medien und israelische Nichtregierungsorganisationen melden nahezu täglich
       Attacken durch radikale Siedler auf Palästinenser*innen im
       Westjordanland. Auch immer wieder im Bezirk von Ben-Zion. Wie blickt er
       darauf?
       
       ## Mindestens 2.800 Siedlerangriffe seit dem 7. Oktober
       
       Ben-Zion sieht leicht angespannt aus, redet dann los. Siedlergewalt sei
       „nichts“, sagt er. Es handele sich höchstens um 40, 50 Teenager, die sich
       nicht im Griff hätten und randalierten. Das passiere überall, auch in den
       besten Städten, könnte man meinen. Polizei, Ministerien arbeiteten dagegen,
       
       Mindestens 2.800 Siedlerangriffe gab es im Westjordanland seit dem 7.
       Oktober 2023 laut dem Büro für die Koordinierung humanitärer
       Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA). Mindestens 18
       Palästinenser*innen starben dabei, 942 wurden verletzt. Ein
       exponentieller Anstieg, verglichen mit den Jahren davor.
       
       Ben-Zion will davon nichts wissen. Er führt die Zahl auf Antisemitismus
       zurück, gestikuliert, lächelt unter der blauen Kippa, beteuert, man wolle
       hier keine Menschen, die Gewalt anwenden.
       
       Der Politiker geriet jedoch vor zwei Jahren selbst in eine Kontroverse,
       als er auf X dazu aufforderte, die palästinensische Stadt Huwara
       auszuradieren. Finanzminister [3][Bezalel Smotrich] likte den Post. Ein
       Terrorist aus Huwara hatte kurz davor zwei Israelis ermordet. Ben-Zion sagt
       auf Nachfrage, der Tweet sei „schlecht formuliert gewesen“ und haben „den
       falschen Eindruck erweckt“. Er verurteile jeden Angriff gegen Unschuldige
       und arbeite in seinem Alltag für die Koexistenz.
       
       „Wir sind hier, und wir bleiben hier“, sagt Ben-Zion. 500.000 Menschen,
       mehr als 150 Siedlungen – die könne man nicht so leicht abreißen wie damals
       die 21 Siedlungen im Gazastreifen, 2005 unter Premierminister Scharon.
       
       Der israelischen NGO Peace Now zufolge gibt es derzeit mindestens 141
       israelische Siedlungen und 270 Außenposten im Westjordanland. Siedlungen
       sind wie Kleinstädte organisiert. Farmen oder vereinzelte Caravans oder
       Häuser fungieren oft als Außenposten. Eine halbe Million Siedlerinnen und
       Siedler wohnt im Westjordanland, zu einem Drittel sind sie laut Umfragen
       religiös, zu einem Drittel nationalistisch motiviert. Das restliche Drittel
       – und je nach Statistik sogar mehr – leben hier wegen der günstigeren
       Lebenshaltungskosten und der staatlichen Zuschüsse. Die Regierung gab für
       die Israelis in den Siedlungen in den vergangenen Jahren doppelt so viel
       aus wie für die in israelischen Städten.
       
       ## Immer Staaten planen Anerkennung Palästinas
       
       Die aktuelle rechtsreligiöse Koalition hatte erst im Mai 2022 neue
       Siedlungen genehmigt. Straßen, die zu den Siedlungen führen, werden
       ausgebaut, Bagger sind am Straßenrand zu sehen. 49 neue Siedlungen sind
       unter der neuen Regierung entstanden, mindestens 7 Außenposten wurden
       nachträglich legalisiert. Und jetzt kommt ein kontroverses Vorhaben, das
       jahrelang auf Eis lag. [4][Das sogenannte E1-Projekt] sieht den Bau von
       über 3.000 Häusern zwischen Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim vor.
       Damit wird das Westjordanland in zwei Teile geteilt, was die
       palästinensische Staatsbildung behindert.
       
       Doch dies ist in der Tat das Ziel des israelischen Finanzministers Bezalel
       Smotrich, der Mitte August seinen Plan in Maale Adumim vorgestellt hat. Es
       „[5][begräbt die Idee eines palästinensischen Staats“] und stärkt die
       „De-facto Souveränität“ im Westjordanland, zitierten ihn israelische
       Medien. Dieses Vorhaben wurde weithin kritisiert, auch von der deutschen
       Bundesregierung.
       
       Nach Frankreich planen immer mehr westliche Länder die Anerkennung
       Palästinas als Staat, doch die israelische Regierung verschärft ihren Kurs.
       Ende Juli hatte auch das Parlament einer Resolution zugestimmt, nach der
       das Westjordanland annektiert werden soll. Israelischen Expert*innen
       zufolge ist das eher als Symbolpolitik zu verstehen – ohne rechtliche
       Auswirkungen. Es handele sich um eine Demonstration der Popularität dieser
       Idee, sagt die Journalistin Lahav Harkov. Völlig unklar sei auch, mit
       welchen militärischen Kräften eine solche Annexion geschehen sollte und wie
       die demografische Balance Israels danach aussähe, wenn 3 Millionen Araber
       Israelis würden.
       
       Doch auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat in der
       Vergangenheit schon die Idee eines „Großisraels“ gutgeheißen. Mit diesem
       Begriff sind die biblischen Grenzen Israels gemeint und diese umfassen
       Teile von Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Libanon. [6][Die arabischen
       Länder reagierten empört.] 
       
       Bei einer Konferenz Anfang Juni in Sderot nahe Gaza, haben drei Minister
       die Annexion der palästinensischen Gebiete befürwortet. Kulturgutminister
       Amihai Elijahu ging noch weiter und schloss Syrien und Libanon in die Pläne
       mit ein.
       
       Die Frage nach der Souveränität im Westjordanland beantwortet Davidi
       Ben-Zion nicht direkt. Er spricht von langsamen Prozessen, von einem
       Schritt nach dem anderen. „Die westliche Welt kann nicht verstehen, dass
       einige Probleme keine schnelle Lösung haben können. Die Lösung dieses
       Problems wird 50 Jahre in Anspruch nehmen.“
       
       ## Viele Namen von Siedlungen haben religiöse Bezüge
       
       Nicht jeder sieht das so. Für Rabbiner Mosche Goldsmith, 61 Jahre alt,
       weiße Kippa, weißer Bart, ist Souveränität überflüssig. Das Westjordanland
       sei bereits israelisches Land, sagt er. „Gerade leben wir vom Meer bis zum
       Fluss. Wir sind souverän, dies ist unser souveränes Land. Gott hat die
       Souveränität erklärt.“ Goldsmith ist in den USA aufgewachsen und mit 21
       Jahren in das von Israel besetzte Westjordanland gezogen.
       
       Rabbi Goldsmith ist ein ruhiger Mann, ein Mann des Glaubens, Autor eines
       Blogs über jüdisch-religiöse Themen und das Landleben in seiner Siedlung
       Itamar. Er sitzt in einem Raum, der nach Seife riecht, hinter Stacheldraht
       und einer weißen Synagoge. Auf dem Gotteshaus prangt die Aufschrift „In
       Gedenken an die Helden von Itamar“. Kampfjets dröhnen im Hintergrund.
       Hier, in dieser Siedlung etwa 6 Kilometer südöstlich von Nablus, lebt er
       seinen „idealistischen Traum“. Umgeben von stürmischem Wetter, so drückt er
       das aus.
       
       Itamar wurde 1984 gegründet, es ist ein Dorf mit inzwischen etwa 1.600
       Menschen. Schlichte Häuser sind auf den kargen Hügeln zu sehen, es gibt
       Kinderspielplätze und Schulen.So wie viele Siedlungen hat auch der Name
       dieser hier einen religiösen Bezug: Itamar war der jüngste Sohn des
       Priesters Aaron.
       
       Goldsmith sagt, kein Jude sei vollständig, wenn er nicht auf dem Boden
       Israels lebe. Und damit meint er das biblische Israel. Gott habe dem
       jüdischen Volk dieses Land gegeben. Gottes Hand selbst habe sie hierher
       geführt. Zurückzukehren sei ihre Bestimmung.
       
       Dem israelischen Applied Research Institute of Jerusalem zufolge entstand
       Itamar auf Gebieten, die Israel von den palästinensischen Dörfern Awarta,
       Beit Furik, Janun und Aqraba konfiszierte und ihnen so wichtige
       Einkommensquellen entzog.
       
       Nach den Oslo-Abkommen der 1990er Jahre wurde die Siedlung dem Gebiet C
       zugeteilt, das nur vorübergehend von Israel zivil und militärisch regiert
       werden sollte. Doch noch heute ist das Gebiet C in israelischer Hand. Die
       Anzahl der Siedlungen und Außenposten ist exponentiell gestiegen. Die
       ersten sind unter israelischem Recht legal, die zweiten nicht. Nach
       internationalem Recht sind beide Siedlungswellen unrechtmäßig, so wie die
       israelische Besatzung des Westjordanlands seit 1967.
       
       ## „Wann mag die Welt Israel?“
       
       Goldsmith redet ruhig, die Vorwürfe lächelt er weg. Israel müsse das tun,
       was für Israel gut sei, sagt er, Siedlergewalt gebe es nicht, alles
       sporadische Zwischenfälle, die Statistiken würden lügen.
       Palästinenser*innen hätten keine Angst im Alltag, und auch die Rede
       von einem Genozid in Gaza sei absurd. Die ganze Welt sei gegen die Jüdinnen
       und Juden. „Wann mag die Welt Israel? Wenn es in Auschwitz ist. Sie können
       Museen über uns errichten“, sagt er.
       
       Eine der wenigen Fragen, die Goldsmith wenigstens ein bisschen aus der
       Reserve lockt, ist die Frage nach den Ansprüchen der Palästinenser*innen,
       die seit Generationen im Westjordanland leben. Der Rabbi gestikuliert mit
       den Händen. „Wenn wir das Geschichtsspiel spielen, werden sie verlieren,
       weil wir seit Jahrtausenden hier sind“, sagt Goldsmith, der vor 40 Jahren
       aus Brooklyn hierher gezogen ist. „Wenn wir darauf schauen, wem das Land
       rechtmäßig gehört, dann ist es das Volk Israels.“ Die
       Palästinenser*innen hätten ihre Städte, um weiterzubauen.
       
       Außerhalb Itamars liegt ein illegaler Außenposten mit wenigen Häuser aus
       Holz, mit Blechdächern. Einige sind gerade im Aufbau, lediglich Skelette
       aus Metall. David Sterns Haus ist schon fertig, hier lebt er mit seiner
       Frau und vier Kindern.
       
       Stern, 44 Jahre alt, in den USA geboren und aufgewachsen, wohnt seit 23
       Jahren in Israel und seit 16 Jahren im Westjordanland. Sein Haus ist modern
       eingerichtet mit Kamin, einer offenen Küche, einer Terrasse mit Holzlaminat
       und Parkettboden. Draußen hängen israelische Fähnchen, drinnen zieht der
       Duft von Zitronenmelisse durch die Räume. Sterns Frau stellt Seife her.
       
       Stern, ein robuster Mann, Ex-Marinesoldat, trägt ein schwarzes T-Shirt und
       eine breit gehäkelte Kippa. In Beige. So wie die Kippa, die er vor zwei
       Jahren trug, als er mit seiner Frau durch die palästinensische Kleinstadt
       Huwara fuhr, südlich von Nablus.
       
       ## Eine Spirale der Gewalt
       
       Als sich Stern und seine Ehefrau einem Verkehrskreisel näherten, überquerte
       ein Mann die Straße, hielt in der Mitte an und eröffnete das Feuer auf
       Sterns Auto. Vier Schüsse trafen Stern an Kopf, Brust und Arm. Er, der
       ebenfalls eine Waffe bei sich trug, schoss fast gleichzeitig und verletzte
       den Mann, der floh. Stern krempelt den Ärmel seines Shirts hoch und zeigt
       eine Narbe. Seine Frau blieb damals körperlich unverletzt, hat aber ein
       Trauma davongetragen.
       
       Einen Monat vor der Attacke hatten Terroristen zwei Israelis in [7][Huwara]
       erschossen, als Rache für den Tod von 11 Palästinenser*innen bei
       einer israelischen Razzia in Nablus. Das wiederum hatte eine Welle von
       heftigen Siedlerangriffen und Brandanschlägen in Nablus ausgelöst. Eine
       Spirale der Gewalt.
       
       Ein Wunder, dass er überlebt habe, sagt Stern heute, während ein Kleinkind
       mit Locken in den Raum rennt. Und dennoch kommt die Idee, woanders
       hinzuziehen, für ihn gar nicht infrage. „Dieses tiefe Sinngefühl und die
       Mission, die man hier im Alltag hat, erlebt man nicht anderswo“, sagt er.
       Er meint das Gefühl, zu etwas Größerem beizutragen.
       
       In der palästinensischen Perspektive ist dieses Größere die fortschreitende
       Besatzung der Region. In Sterns Perspektive sind die Siedlungen und
       Außenposten der Sicherheitsgürtel Israels. „Wenn wir hier sind, können sich
       Terroristen an diesem Ort nicht ausbreiten.“ Auch Gaza sollte wieder von
       Israelis besiedelt werden, findet Stern. „Wo es keine Siedler und keine
       Juden gibt, ist Niemandsland. Und das ist furchtbar, das hat schlimme
       Folgen.“
       
       Stern redet ruhig und spricht von einer Art Apathie, die die Menschen hier
       befällt, wenn es um Sicherheit geht. Davon, dass er es
       Palästinenser*innen nicht übelnimmt, was mit ihm passiert ist. Jeder
       trage Verantwortung für das eigene Handeln. Von den
       Palästinenser*innen, sagt Stern, folge die Mehrheit der
       dschihadistischen Ideologie. Er habe jedoch auch mit anderen gesprochen.
       „Ich habe mehrere getroffen, die möchten israelische Staatsbürger werden.“
       
       Von einer Zweistaatenlösung will Stern nichts wissen. Die internationale
       Gemeinschaft wolle sie. Doch dies sei jüdisches Land. So stehe es in der
       Bibel.
       
       22 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bodenoffensive-in-Gaza-Stadt/!6110516
   DIR [2] https://www.hrw.org/report/2016/01/19/occupation-inc/how-settlement-businesses-contribute-israels-violations
   DIR [3] /Sanktionen-gegen-israelische-Politiker/!6101391
   DIR [4] /Umstrittenes-israelisches-Bauprojekt/!6106021
   DIR [5] /Siedlungspolitik-im-Westjordanland/!6106065
   DIR [6] /Kritik-an-Israels-Vorgehen-/!6111862
   DIR [7] /Ohne-Arbeit-und-Geld-in-der-Westbank/!5996814
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Serena Bilanceri
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Jüdische Siedler
   DIR Westjordanland
   DIR Benjamin Netanjahu
   DIR Israel
   DIR Siedlungen
   DIR Gaza
   DIR Palästina
   DIR wochentaz
   DIR Longread
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Reden wir darüber
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Jüdische Siedler
   DIR Gaza
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Westjordanland
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Netanjahu im Weißen Haus: Trump verspricht „ewigen Frieden in Nahost“
       
       Beim Treffen mit Israels Premier Netanjahu stellt Trump der Hamas ein
       Ultimatum. Mit seinem 20-Punkte-Plan sollen alle Geiseln freikommen, der
       Krieg enden.
       
   DIR Israelische Gesellschaft: „Es macht mir Angst, wozu die Menschheit fähig ist“
       
       Wie konnte die israelische Gesellschaft so sehr abstumpfen? Diese Frage
       bewegt unsere Autorin. Mit einer Freundin tauscht sie sich darüber aus. Ein
       Chatverlauf.
       
   DIR Siedler im Westjordanland: Unheiliges Land
       
       Viele Jahre blieben Christ*innen im Westjordanland von Übergriffen
       radikaler Siedler verschont. Inzwischen aber hat die Gewalt auch sie
       erreicht.
       
   DIR Gaza-Demonstration in Berlin: „Wir protestieren gegen den Krieg“
       
       Die Initiatoren einer Gaza-Demonstration erwarten am Samstag in Berlin mehr
       als 50.000 Teilnehmer. Erwünscht sind nur palästinensische Fahnen.
       
   DIR +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Wadephul kritisiert die israelische Militäroffensive in Gaza
       
       Vor der UN-Generalversammlung verschärft Deutschland erneut den Ton
       gegenüber der israelischen Regierung. Bei einem israelischen Drohnenangriff
       sollen im Libanon fünf Menschen gestorben sein.
       
   DIR Kritik an Israels Vorgehen: Annexion des Westjordanlandes ist „rote Linie“
       
       Die Vereinigten Arabischen Emirate kritisieren die mögliche Annexion des
       Westjordanlandes: Es sei „das Ende der Vision einer regionalen
       Integration“.
       
   DIR Gewalt im Westjordanland: Nachts halten sie jetzt Wache
       
       Die Zahl der Siedlerangriffe auf palästinensische Dörfer steigt. Was genau
       geschah in Kafr Malik, was in Sinjil? Eine Spurensuche im Westjordanland.
       
   DIR Gewalt im Westjordanland: Brutale Nachbarschaft
       
       Israelische Schlägertrupps greifen im Westjordanland immer wieder
       beduinische Siedlungen an – auch die von Mohammed. Besuch in einer
       Kampfzone.