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       # taz.de -- Neue Generation wird erwachsen: Die Gen Alpha zeigt, wo's langgeht
       
       > Die heutigen 15-Jährigen sind eine verwöhnte und psychisch belastete
       > Generation. Dennoch begegnet sie mutig den Innovationen unserer Zeit.
       
   IMG Bild: Die Zukunft mit der Generation Alpha kann großartig werden
       
       Gibt es überhaupt eine Generation Alpha? Diese Zuschreibung jedenfalls
       macht derzeit die Runde. Auf dem Zeitstrahl der Generationen sind das jene
       Kinder und Jugendlichen, die zwischen 2010 und 2024 geboren wurden, es
       dauert also noch eine Weile, bis die heute höchstens 15-Jährigen die
       Geschicke der Gesellschaft lenken. Laut Kritikern ist das Arbeiten mit
       Begriffen wie Generation Z oder Generation Babyboomer wissenschaftlich
       nicht haltbar und dient nur der Geldmacherei.
       
       Es ist zwar richtig, dass es sich hier um Alterskohorten und keine
       Generationen im soziologischen Verständnis handelt. Aber man darf davon
       ausgehen, dass die Generation Alpha viel verändern und das nächste große
       Gesprächsthema der Gesellschaft und Wirtschaft sein wird – so wie jetzt die
       Generation Z.
       
       Und das ist gut so. Das zeigt, dass sich die Gesellschaft mit der Jugend
       und der Zukunft der Gesellschaft beschäftigt. Aber wissen wir, was die
       Generation Alpha prägt und was ihr späteres Verhalten beeinflusst?
       
       Durch die [1][COPSY-Studien] (COrona und PSYche) des Universitätsklinikums
       Hamburg-Eppendorf, die [2][Trendstudie Jugend in Deutschland] und die
       Studienreihen [3][JIM (Jugend, Information, Medien)] und [4][KIM (Kindheit,
       Internet, Medien)] sind Kinder und Jugendliche relativ gut erforscht, es
       ist also weitgehend bekannt, wie sie ticken. Daraus lassen sich Thesen
       ableiten:
       
       Die Generation Alpha ist die psychisch am stärksten belastete Generation –
       dank der frühen Nutzung von Tablets, Smartphones und Social Media. Die
       wichtigsten Future Skills, Fähigkeiten für ihre Zukunft, darunter Wissen zu
       Finanzen, Psyche, Medien, Demokratie, müssen sie sich selbst aneignen.
       
       Ihre Eltern und Systeme wie Schule und Freizeitvereine hinken den
       Veränderungen hinterher. Sie werden die Bildung revolutionieren, da mit
       [5][künstlicher Intelligenz (KI) das bisherige Verständnis von Wissen,
       Kompetenz und Lernen] nicht mehr hilft. Der Dauerkrisenmodus aus Krieg,
       Klima, Konjunktur raubt den jungen Menschen den unbeschwerten Blick auf die
       Zukunft. Zuwanderung ist für sie eine Normalität, aber oft scheitert die
       Realität an Sprachbarrieren und mangelnder Integration.
       
       ## Eine behütete Generation mit vielen Herausforderungen
       
       Die Alpha-Kinder sind eine behütete Generation. Sie sind Töchter und Söhne
       von Helikoptereltern, die am stärksten geborgene und verwöhnte Generation,
       die es je gab. Zudem wachsen sie im Selbstdarstellermodus auf, da sie sich
       von früh an ständig präsentieren, gefilmt und bewertet werden.
       
       Ihr Kommunikationsverhalten funktioniert in der Snapscore-Logik: allzeit
       bereit, schnell antworten, viel schreiben, viele Emojis und bloß nicht
       missverstanden werden.
       
       Politisch radikalisiert sich die Generation Alpha nach links und nach
       rechts. In radikalen Zeiten reicht in ihren Augen die Mitte nicht mehr aus,
       um sich voneinander abzugrenzen. Die Wahrheit – oder das, was diese jungen
       Menschen dafür halten – wird weniger von Wissenschaft und Leitmedien
       bestimmt, als von [6][Influencer:innen, der persönlichen Infobubble und den
       Algorithmen] von TikTok und Co.
       
       Jugendforschung ist ein Seismograf für gesellschaftliche Veränderungen.
       Einerseits werden junge Menschen älter und ihre Einstellungen prägen später
       die Gesellschaft. Andererseits sind sie gerade im technologischen Bereich
       sogenannte Early Adopter, sie zählen also zu jenen, die am frühesten mit
       neuen Technologien und Möglichkeiten experimentieren und dadurch
       mitentscheiden, was Erfolg hat und was nicht.
       
       ## Gen Alpha nutzt KI deutlich häufiger
       
       Bei der Frage nach der Nutzung von KI in Form von Anwendungen wie ChatGPT
       oder Gemini, dem KI-Assistenten von Google, zählen nur 11 Prozent der
       Babyboomer zu regelmäßigen Nutzern. Bei der [7][Generation Z] sind es 67
       Prozent, und schon mehr als die Hälfte der 14- und 15-Jährigen der
       Generation Alpha nutzt diese Tools.
       
       Mit den Jungen verschiebt sich die digitale Normalität. Das wird sich auf
       vielfache Weise und in unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens
       auswirken. Die Generation Alpha lagert schon jetzt einen großen Teil des
       Denkens, Sprechens, Schreibens an KI und KI-Assistenten aus. Dafür ernten
       sie von älteren Menschen Unverständnis und Mitleid, weil sie das „richtige
       Denken“ in deren Augen nicht lernen.
       
       Zu sehen ist aber schon jetzt, wie Unternehmen, die KI richtig einsetzen,
       deutlich effektiver und erfolgreicher sein können. Die Altersgruppe Alpha
       wird KI als selbstverständlich in ihr Leben und Arbeiten integrieren.
       Prozesse, die noch altmodisch mühsames Kopfrechnen und handschriftliche
       Notizen voraussetzen, werden abgelehnt.
       
       Dennoch macht sich die Kombination aus Erfahrung und KI weiterhin bezahlt,
       um Fehler der KI zu korrigieren. Und es wird eine wachsende Nische geben,
       die sich der fortschreitenden Digitalisierung und Datenerfassung entzieht.
       Da lohnt es sich, wieder einmal das Buch [8][„1984“ von George Orwell] zu
       lesen.
       
       ## Die digitale Welt überschattet das Analoge
       
       Gleichzeitig wird die Generation Alpha die Frage stellen, wie es möglich
       ist, dass wir Unternehmen aus fremden Ländern mit all unseren Daten,
       Vorlieben, Geheimnissen füttern und am Ende abhängig von ihnen und den
       diplomatischen Beziehungen geworden sind. Sie werden fragen, wie es sein
       kann, dass der Ausgang von politischen Wahlen erheblich von den Algorithmen
       ausländischer Social-Media-Konzerne abhängt.
       
       43 Prozent der Gen Alpha informiert sich politisch durch Social Media, bei
       den Erstwählenden der [9][Generation Z], der heute 18- bis 22-Jährigen,
       sind es sogar 59 Prozent – und der Generation der heutigen Bundesregierung
       die Frage stellen, warum sie nicht mutig im Rahmen von Megainvestments
       deutsche oder europäische Social-Media- und KI-Unternehmen unterstützt und
       viel mehr dafür getan hat, dass die Kontrolle über europäische Daten bei
       Unternehmen in Europa bleiben.
       
       Ungeachtet dessen ist die Anzahl an Followern, Likes und Interaktionen in
       Social Media nicht nur eine der [10][härtesten Währungen für Anerkennung]
       auf dem Schulhof, sie erhält zunehmend Einzug ins Berufsleben. Beim Casting
       für einen Film wird die Schauspielerin bevorzugt, die aufgrund von vielen
       Followern mehr Aufmerksamkeit generiert.
       
       Führungskräfte, die eine starke Stimme für ihr Thema auf LinkedIn haben,
       sind Mitarbeitermagnete. Umgekehrt wirken Menschen in den Augen der
       Generation Alpha unbedeutend, die keine digitale Gefolgschaft haben.
       Dadurch verändert sich der Begriff von Karriere.
       
       Der Generation Alpha wird es wichtiger sein, sich mit der eigenen Tätigkeit
       gut präsentieren zu können, den öffentlich sichtbaren Marktwert zu steigern
       und nicht möglichst viel Verantwortung zu tragen. Arbeitgeber, die medial
       sehr sichtbar sind, werden als deutlich attraktiver wahrgenommen, weil sie
       als Bühne besser zum Marktwert der Personal Brand von Mitarbeitenden
       beitragen.
       
       ## Ängste lauern überall
       
       Auch die Klimafrage beschäftigt die Generation Alpha erheblich. Die Sorge
       um den Klimawandel steht bei ihr an zweiter Stelle im Sorgen-Ranking –
       gleich nach Krieg und Angst vor Inflation und der Zunahme von
       Flüchtlingsströmen. Viele Ältere fahren im Sommerurlaub traditionell in den
       Süden.
       
       Mit der Generation Alpha werden sich hitzesensible Traditionen verändern
       und anpassen – im Urlaubsverhalten, im Alltag, im Büro. Begehrte
       Lebensräume und Urlaubsorte haben Wald und Schatten, kühle Arbeitsräume und
       Nächte im Sommer, interessante Freizeitangebote auch bei hohen
       Temperaturen. Die Jungen fragen sich zu Recht, wie die Bundesregierung bei
       Zukunftsinvestitionen das Thema Klima so unverantwortlich vernachlässigen
       kann.
       
       Und dann ist da noch das Wahlverhalten der Generation Alpha. Das folgt der
       Pendeltheorie: Je weiter das Pendel nach rechts ausschlägt (AfD), desto
       stärker schlägt es auch nach links aus (Die Linke). In Ostdeutschland gibt
       es dieses Phänomen schon länger: Entweder man ist rechts oder links,
       dazwischen oder nichts zu sein, gibt es nicht.
       
       Die Generation Alpha wächst in einer Zeit auf, in der die AfD zu einer Art
       Volkspartei geworden ist. Um sich von ihr abzugrenzen, reicht vielen die
       Wahl einer Partei der Mitte nicht mehr aus. Die Linke und die AfD waren bei
       Erstwählenden bei der Bundestagswahl 2025 die stärksten Parteien. Das liegt
       allerdings auch an deren starker Social-Media-Präsenz.
       
       Um es kurz zusammenzufassen: Die Generation Alpha ist nicht so oder so.
       Durch Erziehung, Vorbilder, Rahmenbedingungen, Beteiligung entwickelt sie
       ihre eigene Sichtweise auf die Zukunft. Veränderungen in der Welt erfordern
       vielfach andere Kompetenzen, mit denen die Jungen ausgestattet werden
       müssen:
       
       ## Generation Gemeinsam?
       
       Umgang mit Geld, psychische Gesundheit, Medienkompetenz,
       Demokratieverständnis. Die Zukunft der Gesellschaft hängt davon ab, wie
       ältere und jüngere Menschen zusammenwirken, sich gegenseitig wertschätzen
       und eine gemeinsame Vision für die Zukunft entwickeln.
       
       Die Zukunft mit der Generation Alpha kann großartig werden, es könnte eine
       „Generation Gemeinsam“ sein. Damit sich diese Vision erfüllt, muss die
       Bundesregierung stärker auf die aktuell jüngeren Generationen schauen und
       sie an Entscheidungsprozessen beteiligen. Denn wer übernimmt schon gern
       Verantwortung für etwas, das er oder sie nicht mitgestalten durfte?
       
       25 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html
   DIR [2] https://www.simon-schnetzer.com/jugendstudien/jugend-in-deutschland-2025
   DIR [3] https://mpfs.de/studien/jim-studie/
   DIR [4] https://mpfs.de/studien/kim/
   DIR [5] /Wann-KI-im-Unterricht-von-Vorteil-ist/!6110537
   DIR [6] /Luigi-Mangione-kein-Terrorist/!6114116
   DIR [7] /Warum-Geld-und-Luxus-wichtige-Themen-fuer-die-Gen-Z-sind/!6097404
   DIR [8] /Theaterstueck-1984-am-Berliner-Ensemble/!5971129
   DIR [9] /Serie-Adults-bei-Disney/!6101619
   DIR [10] /Kurz-Doku-Tradwives-beim-ZDF/!6113401
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simon Schnetzer
       
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