# taz.de -- Russische Jets über Estland: Die Nato muss Putin Grenzen setzen
> Der Westen darf sich nicht zum Narren halten lassen, denn dann folgt
> verlässlich die nächste Stufe an Provokationen. Und die Kriegsgefahr
> würde steigen.
IMG Bild: Die Nato sollte dringend mehr Präsenz in der Ostsee zeigen
Vor fast genau zehn Jahren, am 30. September 2015, startete Russland seine
brutale Militärintervention in Syrien zur Rettung der Assad-Diktatur. Am
24. November 2015 durchquerte ein russischer Bomber im Einsatz 17 Sekunden
lang den Luftraum des Nato-Mitglieds Türkei – und wurde abgeschossen.
Russland schimpfte fürchterlich und verhängte Sanktionen, aber es dauerte
nicht lange, und nach einigen Muskelspielen und Höflichkeiten vereinbarten
die beiden Autokraten Erdoğan und Putin die Aufteilung ihrer
Einflusssphären in Syrien. Und bis heute nimmt Russland die Türkei ernster
als jedes westliche Land.
Warum also reagiert die Nato nicht, wenn [1][Russland Spähdrohnen nach
Polen schickt], Kampfdrohnen über Rumänien leitet [2][und zuletzt sogar
drei Kampfjets zwölf Minuten lang ohne Kommunikation durch den Luftraum
Estlands fliegen lässt]? Die Türkei hat es vorgemacht: Man muss sich
Respekt verschaffen. Klar, die russischen Jets wurden, wie es heißt, aus
dem estnischen Luftraum „eskortiert“. Und man weiß nicht, wie Russland
reagieren würde, wenn man auf eine russische Provokation Taten und nicht
nur Worte folgen ließe. Aber man weiß, wie Russland reagiert, wenn man bei
Worten bleibt: mit der nächsten Provokation, immer eine kleine Stufe höher.
Je untätiger die Nato gegenüber Vorstößen aus Russland bleibt, desto mehr
ermutigt sie russische Aggression. Jüngst wurden nicht einmal russische
Drohnen über Rumänien attackiert, anders als die über Polen. Sie waren ja
bloß auf dem Weg in die Ukraine, und für die hebt man keinen Finger an den
Abzug. Ein Armutszeugnis.
Estland, Lettland und Litauen sehen sich zu Recht exponiert. Sie waren im
Zweiten Weltkrieg Opfer Hitlers und Stalins gleichermaßen, sie befreiten
sich erst 1990, ihnen wird in Moskau immer häufiger das Existenzrecht
abgesprochen. Sie sind sowohl EU- als auch Nato-Mitglied. Immer wieder
heißt es, die Nato werde „jeden Quadratzentimeter“ ihres Territoriums
schützen. Jeden Quadratzentimeter? Für Estlands Luftraum gilt das wohl nur
bedingt. Und Estlands Staatsgebiet?
Der Nato-Kampfverband in Estland ist mit 1.700 Soldaten kleiner als das
Polizeiaufgebot bei einem Fußballpokalfinale in Deutschland. Erklärtes Ziel
der vornehmlich britischen Truppenstationierung in Estland, wie der
Deutschlands in Litauen, ist lediglich, dass russische Invasoren beim
Einmarsch an Nato-Stellungen vorbeimüssten, was mit einem gewissen Risiko
verbunden wäre. Aber je öfter Russland ungestraft die Nato testen darf,
desto geringer wird aus Moskauer Sicht dieses Risiko. Und desto größer wird
die Kriegsgefahr.
21 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] /Nato-Strategien-gegen-Putin/!6110167
DIR [2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/estland-luftraum-russische-kampfjets-100.html
## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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