# taz.de -- berliner szenen: Geburtstag in der Charité
Auf dem Weg zur Charité erwischt uns ein kräftiger Regenschauer, der sich
wie der Anfang eines Sturms mit Blitz und Donner ankündigt. Wir müssen
unsere Räder den Kapellen-Ufer entlang schieben, denn meine Freundin ist am
Hauptbahnhof gestürzt und kann vor Schmerzen nicht mehr fahren.
Durchnässt kommen wir in der Notaufnahme in der Luisenstraße an, wo bereits
viele Menschen warten, um behandelt zu werden. Einige schauen uns neugierig
an, andere wirken zu müde oder genervt, um uns Aufmerksamkeit zu schenken.
Mein Handy vibriert ständig: Es sind Anrufe und WhatsApp-Nachrichten mit
Geburtstagsgrüßen. Denn ich habe an diesem Tag Geburtstag.
„Und? Wie war dein Tag bisher?“, schreiben meine Freund\*innen. „Was machst
du gerade Schönes?“ Ich habe den Impuls, laut loszulachen, wenn ich mir die
möglichen Antworten vorstelle, doch die Stimmung im Raum ist zu angespannt
dafür. Außerdem mache ich mir Sorgen um meine Freundin.
Sie wird schneller als gedacht aufgerufen, und während sie drinnen ist,
passiert einiges: Ein Mann behauptet, er heiße Johnny Depp und müsse auch
so angesprochen werden, eine Frau bietet mir Kekse an, und jemand steht auf
und verkündet, dass er nicht mehr könne und nach Hause gehe. Nach einer
Weile kommt meine Freundin mit der guten Nachricht zurück, es sei nichts
weiter passiert, nur ein Schreck gewesen.
Wir machen einen kurzen Apothekenbesuch und fahren dann sehr langsam nach
Hause. Auf dem Rückweg scheint die Sonne wieder. Wir sehen keinen
Regenbogen, aber die Stadt glänzt in goldenen Tönen unter unseren Füßen, am
Brandenburger Tor vorbei und weiter auf der Wilhelmstraße. Ein Geschenk an
einem Geburtstag, den ich bestimmt nicht vergessen werde.Luciana Ferrando
22 Sep 2025
## AUTOREN
DIR Luciana Ferrando
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