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       # taz.de -- Nach Eindringen russischer Kampfjets: Estland beantragt Nato-Konsultationen
       
       > Italien und Finnland fangen russische Kampfjets im estnischen Luftraum
       > ab. 12 Minuten waren sie mit abgeschalteter elektronischer Kennung
       > unterwegs.
       
   IMG Bild: Russischer MiG-31-Jet, wie er über Estland zum Einsatz kam – hier bei einer Parade in Moskau 2018
       
       Härnösand taz | Eine „beispiellose Provokation“ nannte es Estlands
       Außenminister Margus Tsakhna. Ein „weiteres Beispiel für Russlands
       rücksichtsloses Verhalten“, schrieb eine Nato-Sprecherin auf X. Und die
       EU-Außenkommissarin Kaja Kallas, früher estnische Ministerpräsidentin,
       sieht eine Eskalation der Spannungen in der Region: Drei russische
       Kampfflugzeuge vom Typ MiG-31 waren am Freitag [1][über der Ostsee in den
       Luftraum] des baltischen Landes eingedrungen.
       
       Erst nach zwölf Minuten war der Spuk beendet, nachdem Flugzeuge der
       Nato-Länder Finnland, Italien und Schweden aufgestiegen waren. Dies geschah
       nur gut eine Woche nach der Sichtung russischer Drohnen über Polen und
       Rumänien. Später am Freitag meldete zudem die polnische Grenzpolizei, dass
       zwei russische Kampfjets in die Sicherheitszone um eine polnische
       Ölplattform eingedrungen waren.
       
       Estlands Premier Kristen Michal verurteilte den Vorfall nahe der
       Ostsee-Insel Vaindloo als „vollkommen inakzeptabel“. Es ist nach
       offiziellen Angaben die fünfte Verletzung des estnischen Luftraums in
       diesem Jahr. Der Umfang war allerdings neu, und nun reicht es dem Land:
       Estland beantragt Beratungen nach Nato-Artikel vier, wie [2][Michal auf der
       Plattform X schrieb]. Artikel vier erlaubt Ländern, die ihre Sicherheit
       bedroht sehen, formelle Beratungen mit den politischen Führungen aller
       Nato-Mitglieder einzufordern. Ein entsprechendes Treffen soll Anfang der
       Woche stattfinden.
       
       Die drei russischen Flugzeuge hatten nach estnischen Angaben ihre
       elektronische Kennung ausgeschaltet und kommunizierten nicht per Funk mit
       der estnischen Flugleitung. Das russische Verteidigungsministerium wäscht
       seine Hände in Unschuld: Es teilte mit, dass die Flugzeuge einen geplanten
       Flug im Einklang mit internationalen Luftraumregeln durchgeführt und die
       Grenzen keines Landes verletzten hätten.
       
       ## „Unser gemeinsames Problem“
       
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die EU-Staaten auf,
       das 19. Sanktionspaket gegen Russland umgehend zu verabschieden, und
       schrieb auf X: „Europa steht an der Seite Estland angesichts der jüngsten
       Verletzung unseres Luftraums.“ Dies dürfte man in Estland zufrieden zur
       Kenntnis nehmen: Die russischen Provokationen seien nicht nur Estlands
       Problem, sondern „unser gemeinsames Problem“, sagte Außenminister Margus
       Tsakhna [3][der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter (DN)].
       
       Laut einem Experten der Schwedischen Verteidigungshochschule unterscheidet
       sich der Vorfall vom Freitag deutlich von früheren. Dass die Flugzeuge sich
       fast zwölf Minuten im estnischen Luftraum befanden, sei eine „sehr, sehr
       deutliche Provokation“, sagte Kriegswissenschaftler Oscar Jonsson dem
       schwedischen Fernsehen SVT. Das Verhalten passe zur Strategie Russlands:
       „Man will, dass kleine Staaten in dessen Nähe Angst haben.“
       
       Oberstleutnant Johan Huovinen, ebenfalls tätig an der
       Verteidigungshochschule, hält ein weiteres Ziel Russlands für denkbar:
       Informationen zu sammeln. Da die russischen Kampfjets nicht per Funk zu
       erreichen und ihre Transponder nicht eingeschaltet waren, sei die Allianz
       gezwungen gewesen, sie optisch zu identifizieren. „So konnte man messen,
       wie lange es dauert, bis die Nato-Flugzeuge kamen, was in diesem Fall fast
       zwölf Minuten waren“, sagte Huovinen [4][gegenüber DN].
       
       Nach Angaben des estnischen Militärs fingen zunächst finnische Flugzeuge
       die russischen ab. Das sagte ein Sprecher dem öffentlich-rechtlichen
       Rundfunk ERR. Im Anschluss seien die MiGs von italienischen F-35-Kampfjets,
       die auf der Nato-Basis in Ämari an Estlands Nordküste stationiert seien,
       zur Kaliningrad-Region eskortiert worden. Auch Schweden schickte einen
       Kampfjet, um Präsenz zu zeigen.
       
       21 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://x.com/MoD_Estonia/status/1969335755769069613
   DIR [2] https://x.com/KristenMichalPM/status/1969089441017856386
   DIR [3] https://www.dn.se/varlden/estlands-utrikesminister-putin-forsoker-koka-oss-som-en-groda/
   DIR [4] https://www.dn.se/varlden/ryska-krankningar-ger-information-och-sprider-radsla/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Diekhoff
       
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