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       # taz.de -- Technik auf der Trainerbank: Künstlicher Coach
       
       > Bei einem Baseballspiel in Oakland lässt der Trainer eine KI über Ein-
       > und Auswechslungen entscheiden. Bei den Fans kommt das gar nicht gut an.
       
   IMG Bild: Vom KI-Coach auf den Wurfhügel beordert: Okalands Connor Sullivan
       
       Berlin taz | Trainer*in einer Sportmannschaft stand bislang nicht auf der
       Liste von Jobs, deren Existenz durch künstliche Intelligenz bedroht ist.
       Umso überraschender war die Meldung, dass ein Baseballteam in Oakland
       seinen Manager, wie man den Trainer im Baseball nennt, durch eine KI
       ersetzt hat – wenn auch nur für ein Spiel.
       
       Major League Baseball kam 1968 nach Oakland, als die Kansas City Athletics,
       die ursprünglich aus Philadelphia stammten, an die Westküste weiterzogen.
       Vier World Series konnten die A’s, wie sie von den meisten nur genannt
       wurden, an die East Bay holen – die letzte 1989. Doch danach ging es steil
       bergab. Oakland war ein kleiner Markt und entsprechend klein war das
       Budget. Doch gerade deswegen wurde die Stadt zum Schauplatz einer
       Revolution.
       
       Hatten im Baseball bis dahin vor allem Bauchgefühl und Expertenblick das
       Sagen, setzte General Manager Billy Beane radikal auf die Kraft der Daten.
       Er stellte mit einem der kleinsten Budgets der Liga anhand von
       Sabermetrics, also detaillierten Statistiken über jeden Spieler, ein Team
       zusammen, das zwischenzeitlich zwanzig Spiele am Stück gewann und damit
       einen neuen Rekord aufstellte. Heute ist dieser „Moneyball“ genannte Ansatz
       im Baseball Standard, und Beane wurde [1][im gleichnamigen Hollywoodfilm
       von Brad Pitt] gespielt.
       
       [2][Seit dieser Saison spielen die A’s jedoch nicht mehr in Oakland]. Auf
       dem Weg nach Las Vegas machen sie für ein paar Jahre in Sacramento Station.
       Der Verlust hat die Stadt, die zuvor schon die Raiders an Las Vegas und die
       Warriors an San Francisco verloren hatte, schwer getroffen. Oakland ist
       eine Majority-Minority City; nur ein Drittel der Menschen dort ist weiß.
       Dass zwischen beidem kein Zusammenhang besteht, glaubt so gut wie niemand.
       
       ## Innovativer Standort
       
       Doch Oakland, die Heimat der Black Panther Party, ist auch eine Stadt, in
       der die Menschen schon früh gelernt haben, selbst anzupacken. Und so gingen
       bereits 2024 und teilweise durch Crowdfunding finanziert in der
       semiprofessionellen Pioneer League [3][die Oakland Ballers] an den Start.
       Die B’s, wie sie passenderweise auch genannt werden, spielen in denselben
       Farben wie zuvor die A’s und auch die Fans sind weitgehend dieselben.
       
       Das Team trägt seine Heimspiele in West Oakland im Raimondi Park aus – so
       auch das gegen die Great Falls Voyagers Anfang September, bei dem nicht wie
       üblich Manager Aaron Miles die Anweisungen gab, sondern das iPad in seiner
       Hand.
       
       AaronLytics, das Programm, das darauf lief, war extra von einer Firma aus
       Los Angeles auf der Basis des Large-Language-Models von Open AI, der Firma
       hinter ChatGPT, programmiert worden. Es entschied über die Startaufstellung
       und über die Auswechslungen. Und als es am Ende aufgrund von Gleichstand
       zum Home-Run-Derby kam, entschied es sich für Infielder Cam Bufford – mit
       Erfolg, denn die Ballers gewannen am Ende mit 3:2.
       
       Umstrittener war die Entscheidung, im achten Inning den Pitcher zu
       wechseln. Connor Sullivan, den AaronLytics für James Colyer brachte, ließ
       zwei Runs zu und gab so einen sicher geglaubten Sieg fast noch aus der
       Hand. Doch Manager Miles winkte ab. „Ich hätte es genauso gemacht“, sagte
       er nach dem Spiel dem San Francisco Chronicle. „Es hat einfach nicht
       funktioniert.“ Genauso ist Baseball. Du kannst alles richtig machen und
       trotzdem verlieren. Gerade das macht für viele den Reiz der Sportart aus.
       
       Überhaupt war Miles voll des Lobes für seinen digitalen Kollegen. „Viele
       Menschen haben Angst vor KI“, sagte er. „Aber ich finde es gut, dass wir
       das ausprobiert haben.“ Bei den Fans sah man das offenbar anders. Nahezu
       alle Reaktionen in den sozialen Medien waren negativ – sowohl vor als auch
       nach dem Spiel. „KI ist ein Werkzeug der Reichen und Mächtigen“, schrieb
       eine Anhängerin auf Instagram und erhielt dafür große Zustimmung. Ein Hauch
       von Maschinenstürmerei in Rufweite zum Silicon Valley. Oakland ist halt
       doch nicht Palo Alto.
       
       „KI wird mit Sicherheit eine Rolle spielen im Baseball“, glaubt Miles. „Die
       Frage ist nur welche.“ Man ist geneigt, ihm zuzustimmen. Gerade Baseball,
       dieser Sport mit seinen lückenlosen Statistiken bis hinein ins vorletzte
       Jahrhundert, eignet sich perfekt für datenbasierte KI-Modelle.
       
       Angst um seinen Job hat er nicht. Eine Mannschaft zu trainieren, bedeutet
       weit mehr, als Spieler ein- und auszuwechseln. Das wusste auch Billy
       Beane. 2002 tradete er Jeremy Giambi mitten in der Saison zu den Phillies,
       obwohl die Zahlen etwas anderes sagten. Es hatte menschlich einfach nicht
       gepasst. Jemand wie Beane oder Miles versteht das. Vielleicht wird auch
       irgendwann eine KI in der Lage sein, es zu verstehen. Aber bis dahin ist es
       noch ein weiter Weg.
       
       22 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Moneyball-mit-Brad-Pitt/!5101737
   DIR [2] /Baseballteam-verlaesst-Oakland/!6036592
   DIR [3] https://www.oaklandballers.com/landing/index
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Tölva
       
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