# taz.de -- Ende der Ruhrtriennale: Den Bilderfluten mit formalen Experimenten begegnen
> Die Ruhrtriennale endet mit „Guernica, Guernica“ von FC Bergmann und
> Wolfgang Menardis „GenZ – don't cry“. Es sind Arbeiten über Gewalt und
> Zukunft.
IMG Bild: Verwirklicht mit 80 Statisten: FC Bergmans „Guernica Guernica“
Zehn Prozent mehr Besucher meldet das größte deutsche Festival der Künste,
jene Ruhrtriennale, die im Jahr 2002 Malochengruben des Ruhrgebiets in
Industriekathedralen verwandelte und für drei Jahre jeweils an eine neue
Intendanz vergeben wird. 77.000 Besucher sind angesichts des gewaltigen
Aufwands des einmonatigen Riesenfestivals immer noch ausbaufähig, aber es
fällt schon auf, dass unter [1][Ivo van Hove] versucht wird, die
Ruhrtriennale auch für junge Leute zu öffnen.
Ein spannendes Beispiel dafür hatte am Ende des Festivals Uraufführung: Das
immersive 3D-Soundtheater „GenZ – don’t cry“ beschäftigt sich mit jener
[2][Generation zwischen circa 1995 und 2010 Geborener], von denen oft
gesagt wird, sie seien wie Schneeflocken: wankelmütig, wehleidig, kaum
belastbar. Zehn GenZ-Vertreterinnen aus dem Ruhrgebiet stehen in der
Inszenierung von Wolfgang Menardi und dem Sounddramaturgien-Kollektiv auf
der Bühne, haben mit am Text von Mehdi Moradpour geschrieben, der auf
Interviews basiert.
Auf jedem Platz liegen Kopfhörer, über die die innersten Gedanken der
seltsamen Spezies direkt im Zuschauerkopf landen. Jedes Kleidungsrascheln,
Chipsknistern, Flüstern wird hier zum ASMR-Gänsehautmoment. Gestrandet sind
die Zehn in Schutzanzügen in einer finsteren Mondlandschaft, suchen mit
Taschenlampen nach Orientierung – bis hinten eine apokalyptische Feuerwand
zu lodern beginnt.
## Eine taumelnde Generation
Der Text wirkt zunächst recht poetisch-kryptisch („Wir schweben in einem
Ballon aus Silber“), entfaltet aber auch immer wieder Kraft und
Seeleneinblick. „In Anbetracht der nächsten 100 Jahre war es noch nie so
schön, sterblich zu sein“, heißt es da, oder: „Wie viele Nachrichten muss
ich von mir weghalten, damit es mir gut geht?“
Eine taumelnde Generation wird hier gezeigt, frei schwebend in wachsender
apokalyptischer Bedrohung – auf der Suche nach Bodenhaftung. Und doch
helfen Momente der Entgrenzung: minutenlang trudeln sie auf der Bühne in
ekstatischen Techno-Raves. Doch auch wenn das als Sounderlebnis und neue
Form von Musiktheater spektakulär ist, so hätte man sich doch etwas mehr
konkrete Gefühle und Gedanken gewünscht.
Formal experimentell ist auch die letzte Ruhrtriennalen-Uraufführung
„Guernica, Guernica“. Das Kollektiv FC Bergman aus Antwerpen beschäftigt
sich mit der Darstellbarkeit von Gewalt. Guernica bezieht sich auf jenen
Luftangriff der deutschen Nazis 1937 auf die baskische Stadt, bei der
Hunderte von Zivilisten umkamen – Blaupause für viele folgende
Kriegsverbrechen.
Und natürlich bezieht es sich auf [3][Picassos legendäres Gemälde], das als
Chiffre für Gewalt den eigentlichen Bombenangriff fast schon abgelöst hat.
Dabei hatte Picasso davon nur aus der Zeitung erfahren. Kann man Krieg mit
Bildern darstellen oder stumpft unser Mitgefühl ab im Foto-Overkill – und
was kann Kunst bewirken?
## Mit 80 Statisten nachgestellt
Kaum etwas könnte aktueller sein im bildgefluteten Social-Media-Zeitalter.
FC Bergman begegnen der Frage in einer dreiteiligen, sprachlosen
Bildinstallation. Picassos Gemälde wird mit Hilfe von 80 Statisten
nachgestellt, drapiert auf Gestellen. Sie scheinen durch die Luft zu
fliegen, verzerren ihre Gesichter im Schrecken und Todeskampf.
Ausgerechnet eine Drohne, das Kriegsgerät der Gegenwart, sendet
Großaufnahmen davon zum Zuschauer: ein Paar hält sich an Händen, eine Frau
greift nach ihrem Baby, ein Mann weint. Das stumme Re-Enactment erinnert an
die realen zivilen Opfer, während das Gemälde selbst im kollektiven
Unterbewusstsein fast schon zum Klischee geworden ist.
Vielleicht auch deshalb wirkt das zweite Bild des Abends noch stärker: Der
(fiktive) Geburtstag des spanischen Generals Emilio Mola, der den Angriff
auf Guernica befahl. So könnte das zynische Fest der Sieger stattgefunden
haben: Lachend bewegen sich die erfolgreichen Täter mit schönen Frauen,
Champagner und Nazi-Flugzeug-Attrappen durch den Raum. Mittendrin macht ein
Fotograf Partybilder, die abgründige Details auf die Leinwand werfen. Etwa
vom Kind, das fröhlich mit dem Mini-Bomber spielt und später unterm Tisch
ein anderes Mädchen quält.
Die Kontinuität der Gewalt findet im Kleinsten statt, und meistens
bestimmen die Sieger Recht und Moral. Wäre man wohl selbst zu dieser Party
gegangen? Das dritte Bild ist der Gegenwart gewidmet: Gezeigt wird ein
alternder Picasso, der besessen Guernica-Motive auf eine riesige Glaswand
malt. Auf der anderen Seite erscheinen die Museumstouristen mit
Guernica-T-Shirts und Handy-Kameras, manche ergriffen, die meisten eher
abgelenkt.
Letztlich stumpft unser Mitgefühl der Privilegierten eben doch ab im
Bilder-Overkill. Konzeptuell ist das spannend und extrem beeindruckend.
Schade ist nur, dass auch FC Bergman nicht beantworten, wie wir in Zeiten
mit KI damit umgehen sollen.
23 Sep 2025
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## AUTOREN
DIR Dorothea Marcus
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