URI: 
       # taz.de -- Podiumsdiskussion nach Erschießung: Unangenehme Fragen an den Polizeipräsidenten
       
       > Nachdem Lorenz A. von einem Polizisten erschossen wurde, ist das
       > Vertrauen in die Oldenburger Polizei erschüttert. Die Grünen suchten nun
       > den Dialog.
       
   IMG Bild: Der Tod von Lorenz A. ist in Oldenburg nicht vergessen: improvisierte Gedenkstätte in der Achternstraße im Juli 2025
       
       Oldenburg taz | Die [1][Erschießung von Lorenz A.] durch einen Oldenburger
       Beamten am Ostersonntag hat das Vertrauen in die Polizei dort nachhaltig
       erschüttert. Deren zunächst widersprüchliche Darstellung der Ereignisse,
       die ausgeschalteten Bodycams und die Tatsache, dass die benachbarte
       Dienststelle aus Delmenhorst die Ermittlungen führt, stoßen bei vielen auf
       Unverständnis. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob der Beamte auch
       geschossen hätte, wenn Lorenz A. nicht Schwarz gewesen wäre.
       
       In der Hoffnung, das verlorene Vertrauen ein Stück weit wiederherzustellen
       haben die Grünen auf Initiative der Oldenburger Landtagsabgeordneten Lena
       Nzume am Montag zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Brücken bauen
       zwischen Zivilgesellschaft und Polizei“ eingeladen.
       
       Bemerkenswert war, dass neben dem innenpolitischen Sprecher der Grünen,
       Michael Lühmann, der Grünen-Politikerin und ehemaligen thüringischen
       Justizministerin Doreen Denstädt, der Polizeiforscherin Astrid Jacobsen und
       dem Sprecher der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“, Suraj Mailitafi,
       auch der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn daran teilnahm. Er
       musste sich auf unangenehme Fragen einstellen.
       
       Schon eine Viertelstunde vor Beginn der Veranstaltung tigert Sagehorn vor
       dem Podium auf und ab und mustert das Publikum. Rund 150 Menschen waren in
       das Veranstaltungszentrum „Core“ gekommen. Wegen der vielen Anmeldungen
       musste die Diskussion hierher verlegt werden.
       
       „Es besteht Misstrauen, es besteht auch Zweifel an der Arbeit der Polizei“,
       stellt Sagehorn eingangs fest. Deshalb wolle er sich nicht nur an diesem
       Abend, sondern auch in Zukunft dem Dialog stellen. Das versichert er
       während der Diskussion wiederholt und auch glaubhaft. Dennoch verfällt er
       an mehreren Stellen in altbekannte Abwehrmuster.
       
       So seien die „Vorwürfe“ von strukturellem Rassismus nach der Erschießung
       von Lorenz A. „echt schwer auszuhalten“, weil die Mehrheit der
       Beamt:innen überzeugte Demokrat:innen seien. Der Aktivist Mailitafi
       erklärt daraufhin, dass es bei strukturellem Rassismus nicht um die
       Einstellung einzelner Beamt:innen geht, sondern dass die Gesellschaft
       historisch gesehen rassistisch sei: „Die Polizei ist nicht frei davon, ich
       selber bin nicht frei davon.“
       
       Besonders in der Frage der unabhängigen Kontrolle der Polizei lässt
       Sagehorn Problembewusstsein vermissen. Externe Ermittlungsstellen seien aus
       rein „fachlicher“ Sicht und wenn man sich „von der Ideologie“ löse unnötig.
       In der Vergangenheit habe die Polizei bei Ermittlungen gegen sich selbst
       nie Fehler gemacht.
       
       Tatsächlich sind [2][unabhängige Ermittlungsstellen] keine „ideologische“
       Forderung, sondern werden von weiten Teilen der Polizeiforschung gefordert.
       Auch die Wissenschaftlerin [3][Astrid Jacobsen] nennt sie in ihrer Antwort
       auf den Polizeipräsidenten eine „kluge Idee“. Sie hat im Auftrag des
       Niedersächsischen Innenministeriums eine Studie zu Diskriminierungsrisiken
       in der Polizei durchgeführt.
       
       ## Abschlussbericht ohne Konsequenzen
       
       Das sei „ziemlich einmalig in Deutschland“, betont Sagehorn. Auch
       Innenministerin Behrens (SPD) schmückt sich gerne mit der Vorreiterrolle
       Niedersachsens. Das Land will ausgehend von dieser Studie Maßnahmen
       entwickeln, um Diskriminierung zu verringern.
       
       Aber ob Niedersachsen es damit wirklich so ernst meint, ist fraglich. Denn
       nach Informationen der taz liegt der Abschlussbericht der dafür
       eingesetzten Arbeitsgruppe bereits seit Mai vor, ohne dass irgendwelche
       Maßnahmen folgen.
       
       Dialog ist wichtig, keine Frage. Und die Diskussion in Oldenburg hat einen
       wichtigen Anstoß geliefert. Aber nur konkrete Reformen können das Vertrauen
       in die Polizei wirklich stärken. Die geplante [4][Erweiterung des Einsatzes
       von Bodycams im Niedersächsischen Polizeigesetz] als Reaktion auf die
       Erschießung von Lorenz A. ist ein erster Schritt, aber noch lange nicht
       ausreichend. Erst am Dienstag wurde in Niedersachsen die nächste
       Polizei-Chatgruppe mit rassistischen und rechtsextremen Inhalten bekannt.
       
       24 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Oldenburg/!6083773
   DIR [2] /Tag-gegen-Polizeigewalt-in-Oldenburg/!6097046
   DIR [3] /Polizeiforscherin-ueber-Diskriminierung/!6083406
   DIR [4] /Novelle-des-Polizeigesetzes-geplant/!6103015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Aljoscha Hoepfner
       
       ## TAGS
       
   DIR Oldenburg
   DIR Polizeigewalt
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Tödliche Polizeischüsse
   DIR Podiumsdiskussion
   DIR Polizei Niedersachsen
   DIR Polizei
   DIR Social-Auswahl
   DIR Reden wir darüber
   DIR Oldenburg
   DIR Tödliche Polizeischüsse
   DIR Politisches Buch
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Fall Lorenz A.: Anklagegrund gegen Polizisten sorgt für Kritik
       
       Gegen einen Polizisten im Fall Lorenz A. erhebt die Staatsanwaltschaft
       Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Die Eltern von A. fordern eine Anklage
       wegen Totschlag.
       
   DIR Ermittlungen im Fall Lorenz A.: Ohne Warnschuss erschossen
       
       Die Polizei hat im Fall des getöteten Lorenz A. laut Staatsanwaltschaft
       wohl keinen Warnschuss abgegeben. Ob Anklage erhoben wird, ist nicht
       sicher.
       
   DIR Buch über Rolle der Polizei: Staatsbürger mit Bodycam
       
       Welche Rolle sollte die Polizei in einer vielfältigen Gesellschaft spielen?
       Dieser frage geht ein soziologischer Sammelband nach.
       
   DIR Essay zum Tod von Lorenz A.: Die Polizei ist eine Echokammer
       
       Wie konnte es zu den tödlichen Schüssen kommen, die Lorenz A. aus Oldenburg
       in Rücken und Hinterkopf trafen? Das Polizeiproblem geht alle an.