# taz.de -- Union Busting am Hamburger Flughafen: Gewerkschafter kaltgestellt
> Ein Tochterunternehmen des Hamburger Flughafens stellt einen
> gewerkschaftlich aktiven Mitarbeiter wochenlang frei – unrechtmäßig. Ist
> er zu unbequem?
IMG Bild: Zunehmend gewerkschaftlich organisiert: Bodenpersonal auf dem Rollfeld des Hamburger Flughafens
Hamburg taz | Ramazan S. darf wieder arbeiten. So entschied das Hamburger
Arbeitsgericht am Dienstag. Der bei der Gewerkschaft Ver.di aktive
[1][Mitarbeiter des Flughafens Hamburg] hatte gegen seine Freistellung vom
Dienst geklagt.
Trotz des Urteils will sein Arbeitgeber, das Unternehmen Groundstars, ihn
weiterhin nicht arbeiten lassen. Groundstars hatte die Freistellung mit
Beschwerden von Kolleg*innen über S. begründet. Er arbeitet als
Schichtleiter in der Gepäckabfertigung.
Am Arbeitsgericht in Barmbek zeigte sich am Dienstag allerdings auch, wie
viele Kolleg*innen solidarisch mit S. sind. Schon vor Prozessbeginn
versammelten sich mehr als 40 Menschen zu einer von der [2][Gewerkschaft
Ver.di] organisierten Kundgebung vor dem Gebäude. Fast alle kamen mit ins
Gericht. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, eine Reihe von
Flughafen-Kolleg*innen verfolgte die Verhandlung im Stehen. Zu Beginn sagte
die Richterin, sie hätte einen größeren Raum organisiert, wenn sie das
große Interesse vorhergesehen hätte.
Ramazan S. ist nicht irgendwer. Das wird deutlich, wenn man mit seinen
Kolleg*innen spricht. Zum Beispiel mit Goran Djuric, 61, der seit 38
Jahren am Hamburger Flughafen Gepäck verlädt. „Lange haben wir nichts
bekommen“, sagt Djuric. „Dann kam Ramazan.“
## Ramazan S. ist gewerkschaftlich sehr aktiv
S. ist ein kämpferischer Typ. Er hält auf der Kundgebung zwei Reden und
begrüßt viele Kolleg*innen mit Handschlag. Er ist seit Jahren
gewerkschaftlich organisiert, Betriebsrat und sitzt in der
Bundestarifkommission sowie in der lokalen Kommission der
Bodenbeschäftigten am Flughafen. Seit 2014 arbeitet S. bei Groundstar, seit
2023 als Schichtleiter. „Der Arbeitgeber hat Probleme, wenn sich die Leute
gut verstehen“, ruft er. Sein Publikum applaudiert.
S. und seine [3][Kolleg*innen im Bodenverkehr arbeiten im Schichtsystem]
rund um die Uhr. Sie be- und entladen Flugzeuge, reinigen sie und
transportieren Gepäck, Fracht oder Passagiere. Die rund 1.500 Beschäftigten
am Flughafen Hamburg sind über drei verschiedene Tochtergesellschaften der
Flughafen GmbH angestellt, die zu 51 Prozent der Stadt Hamburg gehört.
Lange Zeit mussten sie sich mit Dumpinglöhnen zufriedengeben. In den
letzten zehn Jahren hat sich der Einstiegslohn jedoch verdoppelt – von rund
8 Euro auf heute 17,68 Euro pro Stunde.
Ramazan S. und Ver.di sind überzeugt, dass S.s gewerkschaftliche
Organisierung dem Arbeitgeber ein Dorn im Auge ist. Ver.di wirft Groundstar
„[4][Union Busting]“, also die aktive Behinderung von gewerkschaftlicher
Arbeit, vor. „Die Freistellung ist eine Strafaktion und geht absolut gar
nicht“, sagt Lars Stubbe, Gewerkschaftssekretär von Ver.di Hamburg. Dem
Unternehmen gehe es darum, einen aktiven und vielleicht auch unbequemen
Betriebsrat kaltzustellen.
Ähnlich sieht es die Hamburger Linksfraktion, die von der Stadt Hamburg
fordert, sich für die Arbeitsbedingungen eines Unternehmens einzusetzen,
das sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet. Die für den Flughafen
zuständige Wirtschaftsbehörde will sich auf Anfrage der taz nicht zum Fall
äußern und verweist an den Flughafen.
## Groundstars weist Vorwurf des „Union Busting“ von sich
Ramazan S. sagt, er und die Kolleg*innen aus seiner Schicht würden seit
Jahren diskriminiert, weil sie sich gewerkschaftlich organisieren. Die taz
hat mit einem ebenfalls gewerkschaftlich organisierten ehemaligen Kollegen
von S. gesprochen, dem gerade gekündigt wurde und konnte die Kündigung
einsehen. Weil er sich dagegen juristisch wehrt, möchte er vor einem
anstehenden Gerichtstermin anonym bleiben.
Ramazan S. wurde von Groundstars zwar nicht gekündigt, aber am ersten Tag
nach einem Urlaub am 18. August bei vollen Bezügen vom Dienst freigestellt.
Vor Gericht begründete der Anwalt des Unternehmens, Peter Anders, dies
damit, dass man „schwere Vorwürfe“ gegen S. habe prüfen müssen. Diese
hätten Kolleg*innen geäußert, während S. im Urlaub war.
Es sei um Arbeitszeitbetrug sowie um Vorfälle von Diskriminierung,
Drohungen und Unstimmigkeiten bei der Schichtverteilung gegangen. Aus
Gründen des „Hinweisgeberschutzes“ könne er nicht viel mehr dazu sagen oder
Zeugen benennen. Den Vorwurf des [5][„Union Busting“] weist Anders zurück.
S. habe kein Hausverbot und könne sich weiterhin gewerkschaftlich
engagieren. „Es geht uns nur um seine Funktion als Schichtleiter.“
S.s Anwalt Michael Sommer weist die Argumentation scharf zurück. Keiner der
Vorwürfe sei begründet oder konkret benannt. Die Richterin sah das ähnlich.
Auch vor Gericht habe der Anwalt von Groundstars die zu prüfenden Vorwürfe
gegen S. nicht ausreichend konkretisiert. „Dazu haben wir zu wenig gehört“,
sagte sie. Das Unternehmen muss die Kosten des Verfahrens in Höhe von rund
4.000 Euro tragen.
Trotz des Urteils bleibt Ramazan S. weiter freigestellt, mit anderer
Begründung. Dies wurde ihm nach dem Gerichtsprozess bei einem
Personalgespräch mitgeteilt. „Der Arbeitgeber versucht, die Entscheidung
des Arbeitsgerichts zu unterlaufen“, sagt Lars Stubbe von Ver.di. Wie es
für S. weitergeht, ist offen.
24 Sep 2025
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## AUTOREN
DIR Amira Klute
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