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       # taz.de -- Kontroverses Urteil in Großbritannien: Bootsflüchtling ist jetzt verurteilter Sexualstraftäter
       
       > Ein britisches Gericht verurteilt einen äthiopischen Bootsflüchtling, der
       > in Epping Mädchen belästigte. Sein Fall hatte rechte Proteste genährt.
       
   IMG Bild: Protest gegen die Flüchtlinge in Epping, 31. August
       
       London taz | Hadush Kebatu kam am 29. Juni nach Großbritannien, einer von
       Zehntausenden Bootsflüchtlingen, die in den vergangenen Jahren von der
       französischen Küste i[1][n seeuntüchtigen Booten über den Ärmelkanal]
       gereist sind und dann von der britischen Küstenwache oder Seenotrettern an
       Land gebracht und ins britische Asylsystem aufgenommen wurden. Der
       41-jährige Äthiopier, der 2.500 Euro für seine Überfahrt bezahlt hatte,
       wurde im [2][Bell Inn in der Kleinstadt Epping] bei London untergebracht,
       ein zur Flüchtlingsunterkunft umgewidmeter Gasthof.
       
       Am 7. Juli sprach er auf der Hauptstraße von Epping zwei 14-jährige Mädchen
       an, die auf einer Bank Pizza aßen, und schlug ihnen vor, mit ihm ins Hotel
       zu gehen. „Ich will ein Baby von dir und ein Baby von deiner Freundin“,
       soll Kedatu gesagt haben. „Komm mit mir nach Afrika, du wirst eine gute
       Ehefrau sein.“
       
       Die Mädchen lehnten ab und sagten ihm, sie seien erst 14, worauf er sagte,
       das sei egal. Am nächsten Tag stieß er wieder in der Stadt auf sie und
       verlangte einen Kuss, woraufhin eine erwachsene Frau eingriff und ihn
       aufforderte, sich von den Mädchen fernzuhalten. Als er die Frau daraufhin
       unsittlich berührte, rief sie die Polizei.
       
       Kebatu wurde festgenommen und in der Stadt Chelmsford vor Gericht gestellt,
       wo das Tatgeschehen ausführlich dargestellt und die Schilderung der Mädchen
       vollumfänglich bestätigt wurde. Am 4. September wurde der Angeklagte
       schuldig gesprochen und am Dienstag [3][zu 12 Monaten Haft verurteilt].
       
       ## „Angst, dass Kinder nicht sicher sind“
       
       Ob dieses Urteil die britischen Gemüter beruhigt, ist zweifelhaft. Der Fall
       Kedatu war im Sommer ein Auslöser der teils von rechten Aktivisten
       angeheizten [4][Proteste in Epping und anderen britischen Städten] gegen
       die Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels auf Staatskosten gewesen, die
       die Regierung von Labour-Premierminister Keir Starmer in die dauerhafte
       Defensive gegenüber den Rechtspopulisten von Nigel Farage gestellt haben.
       Bei der Urteilsverkündung erinnerte der Richter daran, dass Kedatus Taten
       Massenproteste auslösten und „Angst, dass Kinder nicht sicher sind“.
       
       In Epping hatten Anwohner aufgrund dieses Falles verlangt, das Bell Inn als
       Flüchtlingsunterkunft zu schließen und daraus wieder ein Hotel zu machen,
       und der konservative Gemeinderat hatte dies sogar [5][vor Gericht
       durchgesetzt] – nur um in der Berufung gegen das Labour-Innenministerium
       [6][wieder zu verlieren]. Dabei waren am zweiten Urteil Richter beteiligt,
       die selbst Labour-Mitglieder sind.
       
       Dass alleinstehende junge Männer unter den Bootsflüchtlingen eine Bedrohung
       für britische Kinder darstellen, gehört zu den beliebtesten Parolen der
       britischen Rechtspopulisten, deren Partei [7][Reform UK unter Nigel Farage]
       seit einem halben Jahr in Umfragen die beliebteste politische Kraft des
       Landes ist. Linke Flüchtlingsaktivisten hatten genau deswegen die Vorfälle
       von Epping angezweifelt – aber jetzt sind sie gerichtlich bestätigt.
       
       Und Epping ist kein Einzelfall. Im südenglischen Bournemouth steht dieser
       Tage [8][ein Flüchtling aus Sudan vor Gericht], der im Dezember 2021 ein
       17-jähriges Mädchen vergewaltigt haben soll, das er gerade in einem Club
       getroffen, nach Hause mitgenommen und dort stundenlang festgehalten haben
       soll.
       
       ## Schock über niedriges Strafmaß
       
       Kedatus weiteres Schicksal wird genau beobachtet werden. Die Angehörigen
       der Opfer von Epping waren laut Medienberichten schockiert über das
       niedrige Strafmaß von 12 Monaten Haft. Kedatu sitzt schon seit fast drei
       Monaten ein und dürfte damit bald freikommen.
       
       Kedatu darf sich darüber hinaus laut Urteil fünf Jahre lang keiner ihm
       unbekannten Frau nähern und soll zehn Jahre lang als Sexualstraftäter eng
       überwacht bleiben. Das bedeutet allerdings auch, dass er in Großbritannien
       bleiben wird. Die Opposition aus Konservativen und Reform UK fordern seine
       sofortige Deportation. Seine Anwältin sagt, er selbst wolle jetzt zurück
       nach Äthiopien.
       
       23 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Migration-auf-dem-Aermelkanal/!6056304
   DIR [2] /1-Jahr-Messerangriff-in-Southport-/!6099433
   DIR [3] https://www.bbc.com/news/articles/cp8j5vp7413o
   DIR [4] /1-Jahr-Messerangriff-in-Southport-/!6099433
   DIR [5] /Gerichtsentscheid-in-Grossbritannien/!6108378
   DIR [6] /Asylbewerber-in-Grossbritannien/!6110729
   DIR [7] /Politisches-Chaos-in-UK/!6112203
   DIR [8] https://www.dailymail.co.uk/news/article-15125251/Sudanese-immigrant-told-crying-student-love-you-raped-dragging-nightclub-court-told.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Flucht
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   DIR Messerangriff
       
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