# taz.de -- Journalist über Kunst zur Aufklärung: „Das Wichtigste an der Kunst ist, wie auf sie reagiert wird“
> Jean Peters vom Recherchekollektiv „Correctiv“ diskutiert darüber, wie
> man mit Hilfe der Kunst über politische Gewalt aufklären kann.
IMG Bild: Protest mit Mitteln der Kunst, zumindest als Aufforderung: „System Change Camp“ für Klimagerechtigkeit
taz: Herr Peters, wie kann nach Ihrer Meinung die Kunst ein Mittel dazu
sein, über politische Gewalt aufzuklären?
Jean Peters: Journalismus hat die Aufgabe, Informationen so zur Verfügung
zu stellen, dass die Gesellschaft selbstbestimmt darauf reagieren kann.
Dafür müssen Informationen auf die eine oder andere Weise erfahrbar und
nutzbar aufbereitet werden. Momentan ist es so, dass die Papierzeitungen
und die Webseiten sterben und wir stattdessen algorithmische Informationen
bekommen, die einer gesellschaftlich-demokratischen Kontrolle entzogen
sind. Kunst bietet dagegen Ansätze dazu, wie Informationen auf einer
ästhetischen, zwischenmenschliche Ebene neu erfahrbar sein können.
taz: Verstehen Sie die Kunst also als ein Mittel, um Informationen besser
unters Volk zu bringen?
Peters: Wenn politische Gewalt ausgeführt wird und wir angesichts dessen
isoliert sind und auf Bedrohungslagen wie rechte autoritäre Gewalt oder die
Klimakatastrophe nicht reagieren und uns nicht organisieren können, dann
ist die Kunst ein Raum, in dem man offen und unideologisch erforschen kann,
wie wir die Welt anders erleben. Die Kunst hat diese Kraft, wenn sie die
Menschen bewegt und berührt.
taz: Es wird ja immer darüber gestritten, was überhaupt Kunst ist. Wie ist
Ihre Position dazu?
Peters: Man erkennt schlechte Künstler daran, dass sie die Kunst definieren
wollen. Kunst hat dagegen so viele Definitionen, wie es Menschen gibt. Das
ist das Unfassbare an ihr. Sie zerbricht alle Grenzen und alle
Beschränkungen des Denkens. Für mich ist das Wichtigste an der Kunst, wie
auf sie reagiert wird. Mich interessiert es, wenn die Kunst Beziehungen
schafft und Menschen im Bezug zueinander neu sortiert.
taz: Und wie macht die Kunst das möglich?
Peters: Das kann über Objekte passieren, über Aktionskunst oder über einen
Theaterraum, in dem die Menschen anderthalb Stunden lang einer Person oder
einem Ensemble zuhören und hinterher darüber diskutieren. Überall sind
künstlerische Elemente drin. Und sei es in einen schönen Text oder einem
Gedicht, durch das die Gedanken neu sortiert werden können.
taz: Können Sie dafür ein Beispiel aus Ihrer eigenen Arbeit geben?
Peters: Als wir von der Recherchegruppe „Correctiv“ die Texte zu unserem
Projekt „[1][Geheimplan gegen Deutschland]“ veröffentlicht haben, gab es
plötzlich [2][viele Theater, die das nachspielen wollten]. Wir haben ihnen
unsere Texte kostenlos zur Verfügung gestellt und das Stück wurde in großen
Theatern, aber auch in Kneipen, Schulen und Kirchen aufgeführt. Es war dann
eins der meistgespielten neue Theaterstücke des Jahres 2024.
taz: Aber welche Kraft kann die Kunst noch haben angesichts aktueller
politischer Gewalt?
Peters: Wenn ich ohnmächtig bin und unter großem Druck stehe, dann ist
wenig Raum für Kreativität. Aber diese Kreativität braucht man zur
gesellschaftlichen Konfliktbewältigung. In [3][Ruanda standen sich zum
Beispiel] zwei Gruppen gegenüber. Da wurden Familien abgeschlachtet und
Kinder vergewaltigt. Da sei mal kreativ. Aber um danach den Frieden
miteinander zu finden, brauchst du die Kreativität. Es sind ja Aspekt des
menschliche Daseins, das man mit der Hilfe der Kunst über das Bestehende
hinaus denkt. Darum können wir [4][politische Gewalt] auch mit der Hilfe
der Kunst überleben.
26 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] /Rechercheplattform-vor-Gericht/!6001119
DIR [2] /Theater-in-Koeln-zeigt-ein-Nachspiel-des-Geheimplan-gegen-Deutschland/!6105492
DIR [3] /Diskussion-um-Rad-WM-in-Ruanda/!6111241
DIR [4] https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Wie-kann-politische-Gewalt-die-Demokratie-gefaehrden
## AUTOREN
DIR Wilfried Hippen
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