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       # taz.de -- Abwasser in Berlin: Sauberes Wasser, KARL sei Dank
       
       > Die Berliner Wasserbetriebe haben mit dem Bau der „4. Reinigungsstufe“ in
       > ihren Klärwerken begonnen. Sie folgen damit neuen Vorgaben der EU.
       
   IMG Bild: Was hier abfließt, kann problematische Chemikalien enthalten
       
       Berlin taz | „Jeden Tag for Future“ steht auf einem Werbeposter der
       Berliner Wasserbetriebe (BWB) am Eingang zum Klärwerk Schönerlinde. Das
       steht zwar in Brandenburg – kurz hinter der Stadtgrenze im Nordosten –,
       bereitet aber vor allem das Abwasser von rund 850.000 BerlinerInnen auf.
       Was sich aus Weddinger, Pankower oder Lichtenberger Klos, Duschen und
       Spülen in die Abflussrohre ergießt, wird hier mechanisch, biologisch und
       chemisch geklärt und dann rund 15 Kilometer weit bis in den Tegeler See
       geleitet.
       
       Den Job macht das Klärwerk – nach Waßmannsdorf bei Schönefeld und Ruhleben
       das drittgrößte der BWB – schon ganz gut. Gut genug ist das Ergebnis
       trotzdem nicht, um den strengen Qualitätsansprüchen der [1][europäischen
       Wasserrahmenrichtlinie] zu entsprechen. Deshalb entsteht in Schönerlinde
       gerade die sogenannte 4. Reinigungsstufe, die auch noch das aus dem Wasser
       ziehen soll, was sonst in Seen, Flüssen und teilweise auch im Grundwasser
       landen würde.
       
       Dabei geht es um Phosphate, die die bisherigen Klärverfahren nicht
       vollständig beseitigen können, aber auch um eine Vielzahl an Chemikalien
       vor allem aus Medikamenten oder Kosmetika. Diclofenac – als Schmerzmittel
       in Form von Tabletten oder Salben erhältlich – gehört ebenso dazu wie
       Valsartansäure, ein Abbauprodukt verschiedener blutdrucksenkender
       Medikamente, die Tag für Tag millionenfach geschluckt werden.
       
       Zu sehen gab es bei einer Begehung der Baustelle am Donnerstag durch
       Berlins Umweltstaatssekretär Andreas Kraus und den BWB-Vorstand in erster
       Linie ein Gebäude im Rohbau sowie eine riesige Grube. Ersteres wird ab 2027
       eine Ozonungsanlage beherbergen: Das aggressive Gas mit seinen Molekülen
       aus drei Sauerstoffatomen wird vor Ort hergestellt und dem vorgeklärten
       Abwasser zugesetzt. Dabei spaltet es die problematischen Spurenstoffe auf.
       Deren Bruchstücke sind dann entweder biologisch abbaubar, oder sie werden
       per „Flockungsfiltration“ aus dem Wasser geholt.
       
       Für dieses Verfahren wurde die Grube ausgehoben – hier soll 2029 eine
       entsprechende Anlage in Betrieb gehen. [2][Durch den Zusatz von
       Fällmitteln] – bestimmter Metallsalze – werden die bei der Aufspaltung
       entstehenden Reststoffe gebunden, sie landen dann im Klärschlamm, der
       vergoren und letzten Endes in Kraftwerken verbrannt werden kann.
       BWB-Sprecher Stephan Natz weist darauf hin, dass damit erst die
       volkstümliche Vorstellung, ein Klärwerk „filtere“ Schmutz aus dem Wasser,
       ihre Berechtigung erhält: „Erst wenn dieses Loch mit Leben gefüllt ist,
       wird tatsächlich gefiltert.“
       
       Laut den BWB und der Forschungseinrichtung Kompetenzzentrum Wasser Berlin
       (KWB) nimmt Berlin damit tatsächlich die Zukunft vorweg: Die zu
       Jahresbeginn in Kraft getretene [3][europäische Kommunalabwasserrichtlinie
       (KARL)] verlangt, dass alle Klärwerke bis spätestens 2045 mit einer 4.
       Reinigungsstufe ausgestattet werden. Allerdings muss das nationale Recht
       erst bis Mitte 2027 entsprechend angepasst worden sein. Vor allem bei der
       Frage der Finanzierung sind hier noch einige Fragen offen.
       
       ## Die Verursacher sollen zahlen
       
       Denn eigentlich sollen Pharma- und Kosmetikhersteller nach dem
       Verursacherprinzip 80 Prozent der Investitionskosten bezahlen. Dagegen wird
       aber von der Industrie erwartbarerweise schon geklagt. In Schönerlinde geht
       das Land für Ozon und Flockung derweil mit rund 180 Millionen Euro in
       Vorleistung, in den kommenden Jahren folgen weitere große Brocken an den
       übrigen Klärwerksstandorten.
       
       Gerhard Mauer, Chef der Abwasserentsorgung bei den BWB sieht sein
       Unternehmen jedenfalls mit den laufenden Projekten bestens gerüstet, selbst
       für den Umgang mit Substanzen, die heute vielleicht noch gar nicht
       hergestellt werden: „Mit dieser Kombination haben wir die größte
       Flexibilität.“ Im Prinzip, so Mauer, sei es übrigens auch möglich, das im
       Wasserwerk geförderte Trinkwasser zu reinigen – „aber besser ist es auf
       jeden Fall, problematische Stoffe gar nicht erst in die Natur gelangen zu
       lassen.“
       
       25 Sep 2025
       
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