URI: 
       # taz.de -- Bügeln gegen Fressschäden: Eine Kla-Motte kommt selten allein
       
       > Eine Motte verdirbt unserer Autorin das Wochenende. Denn die Rettung fürs
       > Wollsakko schlummert ausgerechnet im Bügeln – ein feministischer
       > Albtraum.
       
   IMG Bild: „Eigentlich sind ja auch nicht die Motten das Problem, sondern es ist die Weltlage. Für einen Mann würde ich niemals bügeln“
       
       Hoch die Hände, Wochenende, denke ich, als ich den Laptop zuklappe und in
       das zwei Schritte entfernte Schlafzimmer flaniere. Doch was erwartet mich
       da? Eine Kleidermotte. Fast wäre sie mir auf der speckigen Raufasertapete
       nicht aufgefallen. Aber dann bewegt sie sich ausgerechnet in dem Moment,
       als meine müden Augen zufällig ihren Platz streifen. Und schon bin ich
       wieder wach. Hellwach, um genau zu sein. Denn für eine Vintagejägerin mit
       Hang zum Horten ist eine Kleidermotte so ungefähr das Schlimmste, was
       passieren kann. Deshalb zögere ich auch keine Sekunde und haue gegen die
       Wand. Autsch! Daneben. Als ich mir die zwiebelnde Handfläche reibe, sehe
       ich, wie die Motte beschwingt davonfliegt.
       
       Was folgt, möchte ich die drei Stufen der Realisation nennen. Erstens: Die
       Situation leugnen. Zweitens: Die Situation leugnen. Drittens: Im Internet
       nach den verschiedenen Mottenarten suchen, weil man sich ja auch geirrt
       haben könnte. Um es kurz zu machen: Hat man nicht. Und eine Motte kommt
       selten allein, dämmert es mir. Ich eile zur Kleiderstange und nehme das
       erstbeste Kleidungsstück in die Hand. Und siehe da: Es ist intakt.
       Allerdings ist es auch ein Polyesterkleid aus den Achtzigern, das zwar
       hübsch anzusehen ist, aber weder für Mensch noch [1][Mottenlarve ein
       artgerechtes Zuhause] bietet.
       
       Als nächstes begutachte ich ein Sakko aus Schurwolle, das ich für ein
       Zehntel des ursprünglichen Preises auf dem Flohmarkt erstanden habe. Mit
       zittrigen Fingern befühle ich den feinen Stoff. Schon lange warte ich auf
       eine Gelegenheit, es anzuziehen. Doch nun entdecke ich am Kragen ein Loch.
       Und welch Überraschung: Bei einem Fressschaden bleibt es nicht. Nach und
       nach offenbart sich das ganze Ausmaß der Zerstörung, die sich still und
       heimlich direkt neben meinem Bett zugetragen hat. Nicht nur das Wollsakko,
       auch ein Samtblazer und meine Lieblingsstrickjacke mussten dran glauben.
       
       Fluchend recherchiere ich, was jetzt zu tun ist, und erfahre, was ich
       längst geahnt habe: Motten sind hartnäckig und die Methoden, um sie
       loszuwerden, brutal. Entweder wird geraten, sie samt den Klamotten
       einzufrieren oder sie zu erhitzen. Noch brutaler hört es sich für mich an,
       sie mit der Chemiekeule zu bekämpfen, oder Schlupfwespen auf sie
       anzusetzen, die ihre eigenen Eier in die der Motten legen und sie dadurch
       von innen auffressen. Auch ich esse tierische Proteine und koche mir fast
       jeden Tag ein Ei. Nun ja …
       
       Eine Freundin bringt mich auf die Idee, die Klamotten zu dämpfen. Nun ist
       es aber so, dass ich mich bis heute weigere, ein Bügeleisen in die Hand zu
       nehmen. Aus Prinzip. In meiner Familie war es nämlich meistens meine
       Mutter, die die großen Wäscheberge in faltenfreie Herrenhemden verwandelte.
       Und dies, zu meiner Verwunderung, nicht mal ungern.
       
       Und nun soll ausgerechnet das meine Rettung sein? Als ich den Hybrid aus
       Föhn und Wasserpistole aus dem Karton hole, steigt eine seltsame Energie in
       mir auf. Kaum habe ich den ersten Pulli in heißen Dampf gehüllt, folgt auch
       schon der zweite.
       
       Plötzlich glaube ich zu verstehen, dass meine Mutter damals vermutlich
       [2][nicht nur gebügelt], sondern auch ihren Emotionen Luft gemacht hat. So
       wie ich jetzt mit dem Steamer, der mich mit jedem gefährlichen Zischen
       gelassener werden lässt, obwohl ich nicht mal weiß, ob es etwas bringt.
       Aber eigentlich sind ja auch nicht die Motten das Problem, sondern es ist
       die Weltlage. Für einen Mann würde ich trotzdem niemals bügeln. Dafür ist
       generationsübergreifend noch zu viel offen.
       
       3 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zu-viel-Licht-und-kaum-Schutz/!6088182
   DIR [2] /Buegelflicken-als-Mangelware/!5933310
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Fastabend
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Midlife Monologe 
   DIR Insekten
   DIR Mode
   DIR Feminismus
   DIR Kolumne Eingelocht
   DIR wochentaz
   DIR Kolumne Kinderspiel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kontinentalduell im Golfsport: Tiger-Virus und Europa-Fieber
       
       Team USA fehlt in den Ryder-Cup-Auseinandersetzungen mit Europa oft der
       nötige Spirit. Selbst Tiger Woods hat eine miese Bilanz in dem Wettbewerb.
       
   DIR Zu viel Licht und kaum Schutz: „Beleuchtung kann ganze Populationen bedrohen“
       
       Tiere können nicht einfach die Jalousien schließen, mahnt Wissenschaftlerin
       Sibylle Schroer. Ein Gespräch über Burn-out bei Vögeln und Lösungen.
       
   DIR Bügelflicken als Mangelware: Hosen sind politisch
       
       Bei unserer Kolumnistin stapeln sich die Kinderhosen mit Löchern, zum
       Flicken ist kaum Zeit. Und wieso kann man eigentlich nirgends mehr Flicken
       kaufen?