# taz.de -- Saubere Seeschifffahrt: Dicke Luft durch dicke Pötte
> Autos haben Katalysatoren, die weltweite Seeschifffahrt setzt auf
> „Scrubber“, um das Umweltproblem ihrer Abgase zu lösen. Doch die haben
> Tücken.
IMG Bild: Nicht ganz sauber: Fähre im Hafen von Bastia auf Korsika
Hamburg taz | Die Schifffahrtsbranche hat sich im Vergleich zu anderen
Industrien ein durchaus ehrgeiziges Klimaziel gesteckt: Bis spätestens zum
Jahr 2050 will die maritime Wirtschaft Netto-Null-Emissionen erreichen und
sauber fahren. Das sagt zumindest ihre oberste Interessenvertretung, die
Internationale Schifffahrtsorganisation IMO in London. Doch der Weg dahin
ist weit. Dies zeigt [1][eine neue Studie des Umweltbundesamtes] zu
Luftschadstoffen, die Seeschiffe ausstoßen.
Die Schifffahrt ist für etwa 3 Prozent der weltweiten
Treibhausgasemissionen verantwortlich. Container- und Frachtschiffe
transportieren mehr als 90 Prozent des grenzüberschreitenden Handels – die
Globalisierung benötigt die maritime Wirtschaft. Der internationale Handel
ändert sich zwar durch die neue Geopolitik.
Aber er zieht weiter an: So gab es einen kleinen Einbruch wegen der
US-Zollpolitik im Frühjahr, [2][aber im Juli stieg die Zahl der weltweit
umgeschlagenen Container schon wieder an]. Dabei lahmte der [3][Import in
die Vereinigten Staaten], aber es gab mehr Handel zwischen den anderen –
Asien, Europa und Amerika. Weltweit nehmen zudem die durchschnittlichen
Entfernungen von Transporten nicht ab, sondern immer weiter zu.
Nun sollen in der Schifffahrt vor allem die gesundheitsschädlichen
schwefelhaltigen Partikelemissionen aus der Kraftstoffverbrennung
verringert werden. Der globale Schwefelgrenzwert für Schiffsabgase liegt
seit 2020 bei 0,5 Prozent. In den sogenannten
Schwefel-Emissionskontrollgebieten der Nord- und Ostsee liegt er sogar nur
bei 0,1 Prozent. Um das Ziel zu erreichen, setzen viele Reedereien auf
sogenannte Scrubber, eine Art Katalysator, wie er in Autos eingebaut ist.
Scrubber sind eine Technik zur Abgasreinigung, bei der Wasser im Abgasstrom
versprüht wird, um Schwefeloxid (SOx), Feinstaub und Stickoxide zu
entfernen.
## Über 5.000 Scrubber in Schiffen weltweit
Die Anzahl der Schiffe mit Scrubber steigt weltweit seit Jahren stark an.
In der Studie des Umweltbundesamtes steht, dass Anfang 2025 „deutlich über
5.000“ solcher Schiffskatalysatoren im Einsatz waren – was einem Drittel
der aktuellen Welthandelsflotte entspricht. Die Flotte wächst allerdings
rasant. Im vergangenen Jahr bestellten Reedereien und Investoren laut dem
deutschen Werftenverband VSM so viel Schiffsraum wie noch nie.
Viele dieser neugebauten Schiffe werden allerdings mit Antriebssystemen
ausgestattet, die nicht allein mit [4][schmutzigem Schweröl oder
Schiffsdiesel] fahren können, sondern auch mit schwefelarmen
Biokraftstoffen. Sie punkten zudem damit, dass sie weniger andere
Schadstoffe enthalten – sind aber teuer und selten. „Die Debatte zur
Reduktion des Schwefels zeigt ein grundlegendes Dilemma“, sagt
Schifffahrtsexperte und Ökonom Rudolf Hickel zur taz. Das technisch
Machbare scheitere am wirtschaftlichen Wettbewerb. Und an den
Rahmenbedingungen.
Der komplette Verzicht auf Schwerkraftstoffe sei derzeit politisch nicht
durchzusetzen, so Hickel. Schadstoffärmere Kraftstoffe wie Flüssigerdgas
(LNG), Methanol oder Wasserstoff sind nicht nur vergleichsweise teuer, sie
sind vor allem in den benötigten Mengen und in den allermeisten Häfen nicht
verfügbar.
„Um im Kampf gegen die Klimakrise weiterzukommen, bieten sich
Übergangstechniken wie der Einsatz von Scrubber-Systemen an“, ist Hickel
überzeugt. „Da diese Säuberungstechnik gegenüber dem heutigen Zustand für
die Umwelt Verbesserungen bringt, ist deren vorübergehende Nutzung
unvermeidbar.“ Dabei hat die maritime Wirtschaft noch ein besonderes
Problem: das Alter der meisten dicken Pötte. Große Seeschiffe haben eine
durchschnittliche Lebensdauer von etwa 30 Jahren und fahren somit im
Zweifelsfall lange mit ihren umweltschädlichen Motoren.
Durch Scrubber konnte bisher das Ziel, die Luftschadstoffemissionen der
Seeschiffe zu senken, „immerhin teilweise erreicht werden“, teilt das
Umweltbundesamt mit. Doch das hat seinen Preis: Scrubber-Systeme leiten
durch ihren Betrieb große Mengen Abwasser in Meere und Hafengebiete ein. In
der Ostsee landeten beispielsweise im Jahr 2022 rund 300 Millionen
Kubikmeter Scrubber-Abwasser.
## Fachleute fordern Einleitungsverbote
Scrubber mit einem geschlossen Wasserkreislauf existieren kaum, kritisieren
Umweltverbände. Katharina Koppe und Ulrike Pirntke vom Umweltbundesamt, die
Autorinnen der Studie, weisen auf Risiken der gängigen Scrubber hin: Die
Umweltbelastung der [5][ohnehin stark verschmutzten Meere] sei durch die
großen Volumina des eingeleiteten Abwassers und deren Schadstofffracht
„erheblich“.
Da ein komplettes Verbot für Scrubber-Systeme bei der Internationalen
Schifffahrtsorganisation auf absehbare Zeit keine Mehrheiten finden werde,
sollten zeitnah Einleitungsverbote wenigstens für bestimmte Gebiete
eingerichtet werden, schlagen Koppe und Pirntke vor. Tatsächlich gibt es
erste Erfolge.
So haben im Juni ein Dutzend Anrainerstaaten des Nordost-Atlantiks,
darunter Deutschland und Großbritannien, Einleitungsverbote für Häfen und
Küstengewässer ab 2029 beschlossen. Staaten und Seefahrt, mahnt Hickel,
dürften aber bei der Nutzung der Scrubber-Übergangstechnologie nicht stehen
bleiben.
10 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/einsatz-von-scrubbern-auf-seeschiffen-auswirkungen
DIR [2] https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/pressemitteilungen/detail/rwi-isl-containerumschlag-index-welthandel-trotzt-us-zoellen
DIR [3] /US-Zoelle-belasten-die-Schweiz/!6107861
DIR [4] /Einsatz-fossiler-Brennstoffe/!6019680
DIR [5] /Fazit-des-UN-Meeresgipfels/!6094040
## AUTOREN
DIR Hermannus Pfeiffer
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