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       # taz.de -- Wir Boomer: Menno, habt Ihr’s gut!
       
       > Auch wir verdienen Mitgefühl, liebe Generationen Y und Z. Und nicht nur
       > Euer Jammern, weil wir Eure Rentenbeiträge verfuttern.
       
   IMG Bild: Das Leben der Babyboomer: 13,4 Millionen Menschen gehen in Rente
       
       Für wen ist das jetzt eine gute Nachricht und für wen nicht? Schon diese
       Unsicherheit zeigt, dass die Dinge kompliziert liegen und die Frage, wer
       denn nun mehr Mitgefühl verdient in Deutschland – die Babyboomer:innen
       oder die Generationen Y und Z –, nicht so einfach zu beantworten ist.
       
       In den nächsten 15 Jahren gehen 13,4 Millionen Erwerbspersonen in die
       gesetzliche Rente, meldet das [1][Statistische Bundesamt.] Ein Drittel der
       heutigen Erwerbspersonen sei damit weg vom Arbeitsmarkt.
       
       Wer weg ist vom Arbeitsmarkt, lebt von der Rente, von Euren
       Rentenbeiträgen, liebe Generationen Y und Z, die ihr zwischen 1980 und 2010
       geboren seid. Das nennt man [2][Umlageverfahren] und es ist nicht so, dass
       wir Babyboomer das aus Eigennutz selbst erfunden hätten. Das
       Umlageverfahren wurde schon 1957 eingeführt, mit Blick auf die damaligen
       Rentner. 1957, da waren wir Babyboomer:innen noch gar nicht da oder
       noch ganz klein. Uns trifft also keine Schuld.
       
       13,4 Millionen von uns gehen in Rente. Verstehen wir, dass Ihr Sorge habt,
       wir könnten Euer Geld verfuttern. Aber das heißt auch: Der künftige
       Arbeitsmarkt ist leer, leer, leer und es gibt jede Menge freier Plätze. Für
       Euch. Ihr seid Goldstaub.
       
       ## Obstkorb und Betriebsausflug
       
       Der Autor David Gutensohn, Generation Y, schreibt in seinem Buch
       „Generation Anspruch“ auch über die Bemühungen der Firmen um die raren
       Nachwuchskräfte, dass sie sich deren Ansprüchen „anpassen“ müssten: „Vom
       Handwerksbetrieb, der die Viertagewoche einführt, bis zur Agentur, die
       Homeoffice und frei einteilbare Arbeitszeiten ermöglicht, oder zum
       Autohersteller, der Sabbaticals und Workation zur Regel macht. Es reicht
       nicht mehr aus, im Büro einen Obstkorb aufzustellen, einen Kickertisch für
       die Werkstatt zu organisieren oder einmal im Jahr einen Betriebsausflug zu
       machen.“
       
       Obstkorb! Kickertisch! So ein Problem hätten wir gern gehabt. In Zeiten der
       Massenarbeitslosigkeit in den 80er/90er-Jahren mussten wir Babyboomerinnen
       im Westen, wenn wir uns mit 33 Jahren irgendwo bewarben, mitunter
       durchblicken lassen, dass wir bestimmt keine Kinder wollen, nein, wirklich
       nicht. Kinder, bäh! Die Arbeitgeber hatten Angst vor den Kosten und
       Ausfällen künftiger Mütter.
       
       Wer schon Kinder hatte, musste im Bewerbungsgespräch das private
       Betreuungssystem offenbaren. Trotzdem stellten die Arbeitgeber lieber
       Männer ein. Man hatte ja die Auswahl. Heute hören wir uns den Vorwurf an,
       wir Babyboomerinnen hätte zu wenig Kinder bekommen.
       
       Ihr Y- und Zler, habt Ihr eine Ahnung von diesen Demütigungen? Nein, habt
       Ihr nicht. Euch liegen die Firmen zu Füßen. Wenn jemand Euch nach dem
       Vorstellungsgespräch einstellen will, dann kommt ihr einfach nicht zum Job
       und ghostet den Arbeitgeber. Muss ja alles nicht sein, die Arbeit. Ihr habt
       die Wahl. Menno, habt Ihr’s gut!
       
       Obwohl, es ziehen dunkle Wolken auf am Horizont. Auch für Euch. [3][Die
       Arbeitslosigkeit junger Akademiker:innen steigt, so die Bundesagentur
       für Arbeit]. Wer Event-Management studiert hat oder Digital Humanities oder
       einfach nur Betriebswirtschaft, kann es durchaus schwer haben, anschließend
       einen Job zu finden.
       
       KI macht viele Tätigkeiten überflüssig. Während sich früher Dutzende von
       bezahlten Sozialwissenschaftler:innen über Studien und Daten
       beugten und diese auswerteten, können Unternehmen das heute billiger und
       schneller mit den Software-Tools erledigen. Hättet Ihr doch lieber
       Aufzugstechniker:in oder Heizungsbauer:in gelernt, Ihr Y- und Zler,
       auch ohne Studium. Im Handwerk werden Leute dringend gesucht. Aber da gibt
       es halt nur Obstkorb und kein Trampolin für die Pause.
       
       Ihr habt Angst vor der Zukunft, liebe Generation Y und Z, und das ist
       verständlich. Wir Babyboomer:innen haben auch Angst, eine andere, eine
       persönliche: Uns steht die Phase der Hochaltrigkeit bevor. Der Tod geht bei
       uns draußen am Fenster vorbei und schaut auf die Uhr. Wir kennen Ältere,
       die froh sind, es noch alleine aufs Klo zu schaffen. Die nur noch
       Tiefkühlgemüse essen, weil sie keine Kartoffeln mehr schälen können wegen
       der Hände. Sie wollen sich nicht helfen lassen. Man hat seinen Stolz.
       
       Wir sind die Zukunft. Auch Eure Zukunft. Wir sollten uns zusammentun. Am
       Ende schwimmen wir im selben Ozean. In derselben Nacht.
       
       5 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/08/PD25_N048_13.html?nn=2110
   DIR [2] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20886/umlageverfahren/
   DIR [3] https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/AkademikerInnen/Allgemeiner-Teil/1-7-Arbeitslosigkeit.html?templateQueryString=akademiker
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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