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       # taz.de -- Informationen zur eigenen Gesundheit: Krank? Ich doch nicht!
       
       > Informationsvermeidung selbst bei schwerwiegenden Diagnosen ist weit
       > verbreitet – und psychologisch verwurzelt. Was dagegen helfen kann.
       
   IMG Bild: Visuelle Hilfsmittel sind besser als Fachjargon. Es gibt inzwischen aber zeitgemäßere Methoden als das anatomische Modell
       
       Betrachtet man den Menschen als durchweg rationales Wesen, ist ein
       Arztbesuch die logische Reaktion auf gesundheitliche Probleme. Was aber,
       wenn diese Vorstellung vom Menschen bei der eigenen Gesundheit nicht
       zutrifft? Eine neue Studie zeigt, dass [1][fast jeder dritte Mensch
       Informationen zur eigenen Gesundheit meidet].
       
       Die Erkenntnisse stammen aus einer [2][Metaanalyse des
       Max-Planck-Instituts]. Dafür haben die Forscher:innen Daten aus 92
       Studien mit insgesamt mehr als 500.000 Teilnehmenden ausgewertet. Die Daten
       wurden über fast vier Jahrzehnte in 25 Ländern auf allen fünf Kontinenten
       gesammelt. Die wichtigsten Krankheitsbilder für die Erhebung sind Diabetes,
       Krebs, HIV, die Huntington-Krankheit und Alzheimer. Auch nicht erkrankte
       Menschen waren Teil der Untersuchung.
       
       Die Forscher:innen definieren Informationsvermeidung als
       Verhaltensweisen, mit denen Menschen den Erwerb von Informationen über ihre
       eigene Gesundheit verzögern oder verhindern. Dazu gehört zum Beispiel, dass
       Patient:innen ihre [3][Arzttermine und Krebsvorsorgeuntersuchungen]
       nicht wahrnehmen, vereinbarte Rückrufe bei Ärzt:innen vermeiden oder die
       Bekanntgabe des HIV-Testergebnisses ignorieren.
       
       ## Viel Korrelation, aber keine Kausalität
       
       Das Forschungsteam wollte außerdem verstehen, welche Gefühle und Gedanken
       bei der Informationsvermeidung eine Rolle spielen. Wer sich überfordert
       fühlt, [4][Angst vor einer Krankheit oder Diagnose] hat oder dem
       Gesundheitswesen nicht traut, neigt eher dazu, sich nicht weiter zu
       informieren. Auch die Angst, von seinem Umfeld stigmatisiert zu werden,
       wenn eine Diagnose vorliegt, ist ein Hemmnis.
       
       „Entscheidend ist: Die Ergebnisse sind Korrelationen. Wir können nicht
       sagen, dass das eine zum anderen führt“, sagt Konstantin Offer, Erstautor
       und Doktorand am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. In der
       [5][klinisch-medizinischen Forschung] werden kausale Effekte nur selten
       überprüft. Zwar werden Zusammenhänge beobachtet, doch lassen sich
       Ursache-Wirkung-Dynamiken daraus nur schwer herausstellen.
       
       Das Problem der Informationsvermeidung dürfte vielen bekannt sein. „In
       persönlichen Gesprächen berichten viele, dass sie dieses Phänomen selbst
       erlebt haben oder es aus dem Freundes- und Familienkreis kennen“, sagt
       Konstantin Offer.
       
       Wie Gesundheitsthemen besser kommuniziert werden könnten, hat das
       Forschungsteam nicht untersucht. Aber
       [6][Gesundheitspsycholog:innen] und
       Kommunikationswissenschaftler:innen beschäftigen sich damit
       schon lange.
       
       ## Weg vom Fachjargon
       
       Etwa Simone Dohle, Leiterin des Labors für Gesundheits- und
       Risikokommunikation am Universitätsklinikum Bonn. „Informationen sollten in
       einer [7][klaren, verständlichen Sprache vermittelt] werden, die auf
       Fachjargon verzichtet und stattdessen auf einfache Formulierungen, visuelle
       Hilfsmittel wie Infografiken oder Videos sowie eine schrittweise
       Vermittlung setzt“, sagt sie.
       
       Als Beispiel nennt Dohle [8][das Rauchfreiprogramm] des Instituts für
       Therapieforschung und des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit. Dort
       würden neben Wissen vor allem praktische Übungen, soziale Unterstützung und
       positive Verstärkung geboten. Ziel sei es, ein Gefühl von „Ich kann das
       schaffen!“ oder auch die Haltung „Ich weiß, wie ich handeln muss“
       nachhaltig zu verankern.
       
       Ein weiteres Positivbeispiel seien Patient:innenschulungen, wie zum
       Beispiel bei Hypertonie. Dabei handelt es sich um ambulante Programme, für
       die sich Unterrichtsmaterial bestellen lässt, mit dem Erkrankte mehr über
       ihr Krankheitsbild erfahren, Fähigkeiten zur [9][selbstständigen Kontrolle
       wie Blutdruckmessung] lernen und eine Einstellung zu einem gesünderen
       Lebensstil entwickeln können.
       
       ## Angstmachende Kommunikation schreckt ab
       
       Furchtappelle schrecken indes ab, so Psychologin Dohle. Doch leider sitze
       die Gesundheitskommunikation noch immer dem Trugschluss auf, dass eine
       gefühlte Bedrohlichkeit handlungsbereit mache. Stattdessen triggert sie
       Fluchtreflexe. „Entscheidend ist vielmehr, dass Betroffene spüren,
       [10][einer Gesundheitsbedrohung nicht hilflos ausgeliefert] zu sein,
       sondern wirksam dagegen handeln zu können“, sagt Simone Dohle.
       
       Laut Sonia Lippke, Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention an
       der HAW Hamburg, müsse sich auch in der Gesundheitsbildung vieles ändern.
       Menschen aller Altersgruppen sollten mit den Informationen etwas anfangen
       können. „Bildung muss Spaß machen, zum Beispiel mit neuen Medien und
       Formaten“, sagt Lippke. An ihrer Hochschule setzt man [11][auf
       Gamification] und hört zu, was die jeweilige Zielgruppe selbst will und
       braucht.
       
       Das Bundesministerium für Gesundheit rief im September 2020 [12][das
       Onlineportal gesund.bund] ins Leben. Auch in leichter Sprache lassen sich
       Informationen einholen und Ärzt:innen und Krankenhäuser suchen. Das
       Ministerium verweist zudem auf einen Beitrag des Instituts für Qualität und
       Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
       
       Auf deren Webseite [13][gibt es eine Checkliste und ein Video] dazu, wie
       man gute Gesundheitsinformationen im Internet findet und sich vor
       Werbeanzeigen und unseriösen Informationen schützt.
       
       15 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC12342947/pdf/kaaf058.pdf
   DIR [2] /75-Jahre-Max-Planck-Gesellschaft/!5991583
   DIR [3] /Kinderarzt-zur-Vorsorgeuntersuchung/!5189511
   DIR [4] /Risiko-fuer-Darmkrebs/!5995056
   DIR [5] /Patientengetriebene-Forschung/!6085535
   DIR [6] /Mentale-Gesundheit/!6074578
   DIR [7] /Zugaenglichkeit-von-Sprache/!5943636
   DIR [8] https://rauchfrei-programm.de/
   DIR [9] /Auswirkung-von-Umweltzonen-auf-Menschen/!5841673
   DIR [10] /Gesundheitsversorgung-fuer-Obdachlose/!6085861
   DIR [11] /Gamification-der-Arbeit/!6058459
   DIR [12] https://gesund.bund.de/
   DIR [13] https://www.gesundheitsinformation.de/wie-finde-ich-gute-gesundheitsinformationen-im-internet.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannes Holtherm
       
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