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       # taz.de -- Klimaaktivist*in über IAA Mobility: „Die Automobilkonzerne müssen weg vom Individualverkehr“
       
       > Am Dienstag startet in München Europas größte Automesse. Ein Interview zu
       > den geplanten Gegenprotesten und der Zukunft der Autoindustrie.
       
   IMG Bild: Aktivisten von Extinction Rebellion demonstrieren gegen die Internationale Automobil Ausstellung (IAA), München, am 4.9.2025
       
       taz: Am Dienstag beginnt Europas größte Auto- und Mobilitätsmesse, die IAA
       Mobility. Für Sie ist das kein Grund zur Freude. Warum? 
       
       Noa Neumann: Mit Attac beteiligen wir uns an den Protesten gegen die IAA in
       München, weil sie aus unserer Sicht für die Macht der Automobilindustrie
       und die fossile Politik steht. Im Jahr 2025 sollten keine großen Partys
       mehr für die Automobilindustrie gefeiert werden. Uns ist klar, dass wir
       heute stattdessen eine klimagerechte Mobilität brauchen.
       
       taz: Welche Protestaktionen sind geplant? 
       
       Neumann: Am Samstag gibt es eine große Laufdemo für eine gerechtere und
       klimafreundliche Mobilität. Dann ist da noch das Protestcamp, bei dem Attac
       mit verschiedenen Workshops und Podien vertreten sein wird. Drumherum gibt
       es weitere Aktionen.
       
       taz: Was hat es mit diesem sogenannten Mobiwende-Camp auf sich? 
       
       Neumann: Auf dem Camp treffen sich viele verschiedene Gruppen, die
       gemeinsam oder für sich alleine Aktionen gegen die IAA machen. Für uns ist
       das ein wichtiger Ort der Vernetzung und des Austausches mit anderen
       Gruppen, um etwa Kräfte zu bündeln und unterschiedliche Schwerpunkte zu
       setzen. Es geht auch um Präsenz: Die IAA ist im ganzen Stadtgebiet
       vertreten und wir wollen dem etwas entgegensetzen.
       
       taz: Stimmt, die IAA hat Stände mitten in der Stadt, mit denen
       Passant*innen eingebunden werden sollen. Ist das nicht gut? 
       
       Neumann: Bei diesen Ständen geht es nicht darum, Menschen wirklich
       einzubinden und mit ihnen in den Austausch über neue Ideen für nachhaltige
       Mobilität fernab des Individualverkehrs zu kommen. Wir finden: Das Auto ist
       das Problem! Wir brauchen weniger und langsamere Autos. Große Karossen,
       Parkplätze und Straßen nehmen viel Platz im öffentlichen Raum ein, der
       besser für Grünflächen, Parks oder gemeinschaftliche Orte genutzt werden
       sollte.
       
       taz: Wie kommen die Proteste in München an? Eine Stadt, die sich für die
       IAA Mobility feiert. 
       
       Neumann: Die Reaktionen sind natürlich unterschiedlich. Auf der vergangenen
       Messe in München und davor in Frankfurt am Main gab es rund um das Camp
       immer interessante Gespräche mit den Anwohner*innen. Manche blicken
       kritisch auf den Protest. Für uns ist das aber eine Chance, die Menschen
       mitzunehmen und ihnen davon zu erzählen, was wir hier aus welchen Gründen
       machen.
       
       taz: Bei der IAA Mobility gibt es Programmpunkte zum ÖPNV, die Deutsche
       Bahn ist vertreten, E-Mobilität wird beworben. Das klingt doch nach
       Verkehrswende. 
       
       Neumann: Die IAA macht mittlerweile seit Jahren verstärkt Werbung für
       Elektroautos. Für uns ist klar: Auch Elektroautos sind nicht die Lösung, da
       sie Lithiumbatterien benötigen. Dafür wird in Serbien, in der
       Demokratischen Republik Kongo oder in Chile die Natur zerstört und
       Menschenrechte missachtet. So zu tun, als wären E-Autos eine wirklich
       nachhaltige Alternative zu Verbrennern, ist Greenwashing. Das sind sie
       nicht.
       
       taz: Worin sehen Sie dann die Zukunft der deutschen Automobilkonzerne? 
       
       Neumann: Für uns ist es [1][ganz wichtig, dass sie weg vom
       Individualverkehr gehen]. Wir brauchen eine Mobilität, die gemeinschaftlich
       funktioniert, die für alle Menschen zugänglich ist, die nachhaltig ist.
       Trotzdem baut die Automobilindustrie immer größere Autos, immer mehr Autos.
       Das ist nicht der Weg, den es für eine nachhaltigere Mobilität, eine
       nachhaltigere Zukunft braucht.
       
       taz: Was bedeutet das für die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie? 
       
       Neumann: Die müssen umgebaut werden, da muss es Möglichkeiten geben. Eine
       Wende der Mobilität heißt auch, dass sie gerecht ist für die Menschen –
       gerade die, die in der Automobilindustrie arbeiten. Unsere Kritik richtet
       sich ja nicht gegen diese Menschen, sondern gegen das System dahinter.
       
       taz: Machen Sie es mal konkret: Was könnten diese Menschen dort arbeiten,
       wenn sie nicht mehr Autos zusammenbauen? 
       
       Neumann: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, etwa zum Bau von
       [2][nachhaltigeren Alternativen im Sinne der öffentlichen Mobilität], also
       Bus und Bahn beispielsweise.
       
       taz: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor: Wenn es bei den
       Autos nicht mehr läuft, könne in den Automobilfabriken ja auch Rüstung
       hergestellt werden. 
       
       Neumann: Das ist für uns nicht die Alternative. Eine nachhaltigere
       Gesellschaft funktioniert nicht mit Aufrüstung, nicht mit Militarisierung.
       Ein Umbau zur Rüstung ist in unserem Sinne weder ökologisch noch sozial.
       
       taz: Was machen die Menschen im ländlichen Raum ohne Auto? 
       
       Neumann: Wir möchten, dass es überall Bus und Bahn gibt und alle Menschen
       die Möglichkeit haben, sich nachhaltig fortzubewegen. In vielen Regionen
       ist das Auto ohne Frage noch die einzige Möglichkeit, mobil zu sein. Das
       schließt viele Menschen aus: Wer im ländlichen Raum lebt, sich aber kein
       Auto leisten kann, ist abgehängt und ausgeschlossen, auch von
       gesellschaftlicher Teilhabe.
       
       taz: Halten Sie es für realistisch, dass irgendwann tatsächlich jedes
       kleine Dorf an den ÖPNV angeschlossen sein könnte? 
       
       Neumann: Das muss das Ziel sein. Das heißt auch, es braucht neue
       Mobilitätskonzepte, andere als in der Stadt. Es gibt zum Beispiel Projekte
       wie Bürgerbusse, bei denen Menschen aus dem Dorf gemeinsam Lücken im ÖPNV
       schließen. Solche Projekte müssen natürlich entsprechend von staatlicher
       Seite finanziert werden.
       
       taz: Das EU-Verbrenner-Aus wird gerade wieder heiß diskutiert. Selbst die
       Grünen können sich vorstellen, es aus Rücksicht auf die Autoindustrie
       aufzuweichen. 
       
       Neumann: [3][Dass ab 2035 in der EU keine neuen Verbrenner mehr verkauft
       werden dürfen], ist ein Schritt in die richtige Richtung. Verbrenner sind
       aktuell das größte Problem und für die meisten Emissionen im Straßenverkehr
       verantwortlich. Leider geht es in der Debatte um das Verbrenner-Aus
       weiterhin vor allem darum, individuelle Mobilität zu fördern anstelle des
       öffentlichen Nahverkehrs. Diese Debatte täuscht über die eigentlich
       wichtigen Fragen hinweg.
       
       9 Sep 2025
       
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