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       # taz.de -- Propalästinensische Szene: Solidarität sucht Anschluss
       
       > Eine Mehrheit der Deutschen sieht Israels Kriegsführung in Gaza kritisch.
       > Doch eine breite Demo-Bewegung gibt es nicht. Warum ist das so?
       
   IMG Bild: Im Schnitt mehr als eine Demo pro Tag in der Hauptstadt: Propalästinensischer Protest Ende Juni in Berlin
       
       Shams Al-Sumud lässt sich einen Moment Zeit, ehe er die Frage beantwortet,
       wie er sich als Palästinenser in Deutschland fühlt. Dann sagt er:
       „Traurig.“ Er schaut auf das Tempelhofer Feld in Berlin-Neukölln, einen
       stillgelegten Flughafen, der heute ein Park ist. Es ist wahrscheinlich der
       einzige Ort der Stadt, an dem man wirklich in die Weite sehen kann. „Ich
       fühle mich ganz oft, als wäre ich im falschen Film. Der Genozid an unseren
       Verwandten wird live gestreamt und in Deutschland“, sagt er, werde „nur
       darüber diskutiert, welche Wörter man noch verwenden darf.“
       
       Al-Sumud trägt eine schwarz-weiße Kufija um seinen Hals gewickelt, ein
       Symbol des palästinensischen Widerstands, dem er sich verbunden fühlt. Er
       ist Mitglied bei Palästina Spricht, einer der großen palästinensischen
       Gruppen, die in Berlin den Protest auf die Straße trägt und so versucht,
       Familie und Freunde in Palästina zu unterstützen. Al-Sumud will nicht mit
       Klarnamen in der Zeitung genannt werden.
       
       Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 trommelt die
       Palästinabewegung unermüdlich gegen Israels Krieg in Gaza auf die Straße,
       den kürzlich eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats als
       Völkermord bezeichnet hat. Allein in Berlin zählt die Berliner Polizei 865
       Demonstrationen in den 683 Tagen zwischen dem 7. Oktober und dem 19. August
       2025, das ist mehr als ein Protest pro Tag. Plätze und Universitäten werden
       besetzt, Protestcamps errichtet, Flashmobs und Großdemos veranstaltet.
       Regelmäßig gehen Szenen brutaler Polizeigewalt in den sozialen Medien
       viral.
       
       Die Bewegung ist gesellschaftlich isoliert geblieben – und es ist die
       Frage, welche Rolle die Bewegung selbst dabei spielt. Auf die Straße zog es
       bisher vor allem migrantische, studentische und antiimperialistische
       Milieus. Schon am kommenden Wochenende könnte sich das allerdings ändern:
       Für Samstag rufen NGOs wie Medico und Amnesty mit der Palästinensischen
       Gemeinde und der Gruppe eye4palestine zu einer [1][Großkundgebung am Großen
       Stern] auf. Auch die Linkspartei organisiert, nach einigem Zögern [2][und
       parteiinternen Diskussionen], eine Zubringerdemo. Für die Kundgebung am
       Großen Stern erwarten die Veranstalter:innen 50.000
       Teilnehmer:innen.
       
       Es könnte die größte palästinasolidarische Demonstration bisher bundesweit
       werden. Auch, dass mit den Linken eine im Parlament vertretene Partei für
       Gaza auf die Straße mobilisiert, ist in Deutschland neu – im Gegensatz zu
       Ländern wie Spanien, Großbritannien oder Frankreich, in denen die großen
       linken Gewerkschaften und Parteien schon kurz nach Beginn der israelischen
       Bombardierung von Gaza anfingen, für Palästina zu mobilisieren. Der DGB
       dagegen äußerte sich bisher nur sehr vorsichtig und auch die Linken
       positionieren sich längst nicht so klar wie andere Linksparteien Europas.
       
       Tatsächlich gibt es auch in der Linken mit Blick auf den kommenden Samstag
       vereinzelten Unmut darüber, dass sich die Partei dem Aufruf des
       Demobündnisses angeschlossen hat. Dieser grenzt sich zwar von den
       Kriegsverbrechen aller Seiten ab und fordert auch die Freilassung der
       israelischen Geiseln. Aber er erwähnt eben nicht explizit den Überfall der
       Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei der über 1.200 Israelis getötet und
       mehr als 200 Menschen als Geiseln verschleppt wurden. Im Aufruf schreiben
       die Veranstalter:innen, man wolle sich angesichts der „Massentötungen“ und
       der „systematischen Zerstörung“ in Gaza auf Kritik an der israelischen
       Regierung und ihren Unterstützer:innen fokussieren.
       
       Für die Linken ist die Verwendung des Genozidbegriffs ein Bruch mit der
       bisherigen Linie. Denn eigentlich will man eine Entscheidung des
       Internationalen Gerichtshofs in Den Haag abwarten. Die niedersächsische
       Arbeitsgemeinschaft „Gegen jeden Antisemitismus“ wirft der Linken-Spitze
       deshalb vor, antisemitische Narrative zu bedienen, „die Israel
       dämonisieren“. Auch die Thüringer Abgeordnete Sabine Berninger, Mitglied im
       Parteivorstand, hat sich abgegrenzt. Der Parteivorstand argumentiert in
       einem Beschluss von Ende August, der Aufruf sei richtig, da nun keine Zeit
       für einen „Kampf um Begrifflichkeiten“ sei: „Die vielen Völkerrechts- und
       Menschenrechtsverbrechen in Gaza sind offensichtlich.“
       
       In der deutschen Bevölkerung mangelt es tatsächlich nicht an
       Palästinasolidarität. Im August hielten etwa l[3][aut ZDF-Politbaromete]r
       76 Prozent der Wahlberechtigten Israels Vorgehen in Gaza für nicht
       gerechtfertigt, 74 Prozent sprachen sich in einer [4][Forsa-Umfrage] aus
       dem Juli für mehr politischen Druck auf Israel aus. Laut
       [5][ARD-Deutschlandtrend] sind 73 Prozent der Deutschen für eine Begrenzung
       oder vollständige Aussetzung der Waffenlieferungen an Israel, [6][62
       Prozent sehen laut YouGov] in Gaza einen Genozid durch Israels
       Kriegsführung.
       
       Warum bleibt die propalästinensische Bewegung bisher dennoch isoliert? „Das
       hat zum einen natürlich mit der deutschen Geschichte zu tun“, sagt Peter
       Ullrich, Protestsoziologe und Antisemitismusforscher an der TU Berlin. Seit
       Jahren beschäftigt sich Ullrich mit dem Nahostkonflikt und bezieht dabei
       immer wieder Positionen, mit denen er sich auf allen Seiten unbeliebt
       macht. Sich gegen den Staat Israel zu stellen, dessen Gründung eine Folge
       des Holocausts war, bereite vielen Deutschen Unbehagen, sagt er. Und es
       gebe die Angst, sich auf Protesten mit Hamas-Sympathisanten gemein zu
       machen.
       
       Insgesamt dürften die Leute, die auf Palästinademos tatsächlich mit der
       Hamas sympathisieren, zwar eine klare Minderheit bilden. Das Publikum, das
       es auf die Berliner Straßen zieht, ist jedenfalls sehr divers: Junge
       Studierende und queere Expats laufen hier gemeinsam mit älteren
       palästinensischen Männern und Frauen und den Kadern kommunistischer
       Kleingruppen. Viele internationale Communitys gehen zu den Protesten,
       teilweise sind sie in antikolonialen Gruppen organisiert. Der Tenor ist
       antiisraelisch, aber ansonsten sind die ideologischen Bezüge kaum
       einheitlich.
       
       Unbegründet ist der Vorwurf der fehlenden Abgrenzung zur Hamas allerdings
       nicht. Immer wieder dokumentieren antisemitismuskritische Recherchestellen
       terrorverherrlichende Aussagen auf den Protesten. Palästina-Aktivist:innen
       sprühen rote Dreiecke an Häuserwände, eine Symbolik, die die Hamas benutzt.
       Und einige der Berliner Gruppen, die Proteste organisieren, darunter auch
       Palästina Spricht, haben unmittelbar nach dem 7. Oktober gar von einem
       [7][„revolutionären Tag zum Feiern“] gesprochen.
       
       Al-Sumud will sich davon dann auch nicht distanzieren. „Man kann den
       Unterdrückten nicht vorschreiben, wie sie ihren Widerstand auszuführen
       haben“, sagt er. Alle, die am 7. Oktober Verbrechen begangen haben, sollten
       dafür belangt werden. Aber: „Wenn eine Person bei einem Gefängnisausbruch
       Unrecht tut, sollte es vor Gericht eine Rolle spielen, dass sie zuvor über
       Jahre misshandelt und unschuldig eingesperrt wurde.“
       
       Es ist ein Blick auf die Geschichte, in dem die „systematische ethnische
       Säuberung“, wie Al-Sumud sagt, nicht erst am 7. Oktober, sondern schon mit
       der Staatsgründung Israels beginnt. Seither gebe es in Palästina
       „Besatzung, Vertreibung, Landraub, Apartheid, militärische Angriffe und
       Plünderungen“, seit 17 Jahren werde der Gazastreifen „mit einer
       unerbittlichen Blockade belegt“, sagt er. Da sei es „grundfalsch, einseitig
       und unzureichend“, sich auf die Taten der Unterdrückten zu fokussieren,
       statt das Ende der Unterdrückung zu fordern.
       
       Der Soziologe Ullrich kennt solche Argumente. „Der Nahostkonflikt ist in
       seiner Grundstruktur ein nationalistischer Konflikt“, sagt er. Diese
       nationalistische Logik würde von der Solidaritätsbewegung reproduziert und
       entfalte einen Sog, in dem die Vergehen der eigenen Seite verschwinden. Auf
       propalästinensischer Seite würde dann der Terror der Hamas legitimiert –
       und im proisraelischen Diskurs noch die Kritik am israelischen Aushungern
       von Gaza als Hamas-Inszenierung abgetan. „Alle Ambivalenzen drohen in
       dieser binären Logik zu verschwinden“, so Ullrich. Die eigene Seite
       erscheine dann als bedingungslos gut, die andere als schlecht.
       
       Trotz dieser Dynamik hält Ullrich den pauschalen Antisemitismusvorwurf für
       falsch. „Die allermeisten gehen wohl auf die Straße, um gegen die laufenden
       Kriegsverbrechen zu protestieren“, sagt er. Dass es auf den Demos auch zu
       Antisemitismus komme, sei beim Thema Israel sogar zu erwarten: „In jeder
       größeren Bewegung gibt es Ränder“, sagt Ullrich. Deshalb könne man nicht
       der Gesamtbewegung absprechen, dass es ihr um die deutsche Beteiligung an
       einem möglichen Völkermord geht.
       
       Julia Kopp, Projektleiterin der Berliner Recherche- und Informationsstelle
       Antisemitismus (Rias Berlin), sagt: In der Vergangenheit hätten die
       Versammlungen „eine öffentlichkeitswirksame Plattform“ für Antisemitismus
       geboten. Sie betont, grundsätzlich seien Proteste gegen das Vorgehen der
       israelischen Regierung in Gaza und gegen die Gewalt in der Westbank
       legitim. Doch allein 2024 habe Rias Berlin nach eigenen Angaben auf 177
       Berliner Demos mit Bezügen zum Nahostkonflikt antisemitische Äußerungen
       dokumentiert.
       
       Was als antisemitisch gilt, ist allerdings umstritten. Eine Studie hat
       kürzlich den Vorwurf erhoben, Rias arbeite mit einem [8][stark überdehnten
       Antisemitismusbegriff], der Israelkritik und Antisemitismus vermenge. Und
       tatsächlich können viele Protestslogans unterschiedlich bewertet werden.
       Ein Beispiel ist der Spruch „From the river to the sea“: Vom
       Innenministerium als Hamas-Parole eingestuft, wird er in der Praxis von
       unterschiedlichen Akteuren verwendet – wie auch ein Gutachten des Berliner
       Landeskriminalamts festhält, auf dessen Basis Gerichte bereits Freisprüche
       erteilt haben. [9][Dennoch nimmt die Berliner Polizei weiter Menschen wegen
       des Ausrufs fest.]
       
       Auch viele Medien würden in der Bewertung von Palästinaprotesten auf die
       schlechtestmögliche Interpretation zurückgreifen, kritisiert Soziologe
       Ullrich. Oft fehle ein berichtender Journalismus, der vor der Bewertung von
       Protesten erzähle, was die Demonstrierenden wollen. Stattdessen würde mit
       einer „Antisemitismuserwartung“ auf Proteste geblickt, für die anschließend
       nur Belege gesucht würden. „Das verhindert sicherlich, dass viele, die das
       eigentlich wollen, für Gaza auf die Straße gehen“, vermutet Ullrich.
       
       Dass es einen Medienbias in der Berichterstattung zum Nahostkonflikt gibt,
       sagt auch der Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez, der etwa
       argumentiert, palästinensische Perspektiven seien in deutschen Medien
       [10][„praktisch kaum vertreten“]. Eine Untersuchung des [11][linken
       Magazins Jacobin], das fast 5.000 Überschriften deutscher Leitmedien
       ausgewertet hat, kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass darin Positionen der
       israelischen Regierung und des Militärs massiv dominieren. Reporter ohne
       Grenzen spricht gar von einem [12][„Klima der Angst“] unter
       Journalist:innen, die über Gaza berichten. Dennoch: Es fehlen de facto
       belastbare Studien zur Berichterstattung über Palästinaproteste.
       
       Für Aktivist:innen wie Emily Rosenthal ist die Sache klar. Die
       Aktivistin von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost sitzt
       auf einer Grasfläche neben dem Deutschen Dom in Berlin-Mitte. Auf der
       anderen Seite des barocken Kuppelturms jault ein Megafon auf und
       unterbricht das Gespräch. Dort bereitet die jüdisch-palästinensische Gruppe
       Shoresh gerade eine Protestkundgebung vor.
       
       „Wirklich Teil der palästinasolidarischen Bewegung bin ich erst nach dem 7.
       Oktober geworden“, sagt Rosenthal, die ebenfalls nicht mit echtem Namen in
       der Zeitung auftauchen will. Wie gerät man als Jüdin auf diese Seite der
       Barrikade? „Das hat sich lange angebahnt“, sagt sie und zuckt mit den
       Schultern. Seit Jahren schon stoße sie das Handeln der israelischen
       Regierung zunehmend ab. „Die Essenz der Tora ist doch: ‚Was dir verhasst
       ist, das tue deinem Nächsten nicht an.‘ Der Rest ist nur Kommentar. Wie
       passt das denn bitte mit dem zusammen, was Israel tut?“, sagt sie.
       
       Etwas später steht sie mit etwa 130 Menschen gegenüber dem israelischen
       Restaurant Gila & Nancy. Gemeinsam machen sie viel Krach, indem sie auf
       leeren Kochtöpfen hämmern, die den Hunger in Gaza darstellen sollen. Es sei
       ein explizit jüdischer Protest, das wollen die Redner:innen wiederholt
       betonen Viele Plakate sind auf Hebräisch, der bekannte Autor Tomer
       Dotan-Dreyfus hält eine Rede. Erst später gesellen sich auch
       palästinensische Aktivist:innen dazu. Die jüdischen Protestierenden
       begrüßen sie innig, man kennt sich.
       
       Der Grund für den Protest: Der Restaurantbesitzer, der israelische
       Unternehmer Shahar Segal, war [13][kurzzeitig Sprecher der Gaza
       Humanitarian Foundation (GHF)] – also der Organisation, die für die
       Nahrungsmittelverteilung im Gazastreifen verantwortlich ist. Mindestens
       2.500 Palästinenser:innen sind inzwischen [14][nach Angaben des
       Gesundheitsministeriums in Gaza] bei dem Versuch, Hilfe an
       GHF-Ausgabestellen zu finden, getötet worden. [15][Das
       UN-Menschenrechtsbüro wirft Israel auch deshalb vor, humanitäre Hilfe als
       Kriegswaffe zu nutzen.]
       
       Doch in der anschließenden Berichterstattung über den Protest vor dem
       Restaurant in Mitte ist davon wenig die Rede. Stattdessen war von einer
       [16][„Hass-Demo“] zu lesen, die sich gegen einen [17][„jüdischen
       Gastrounternehmer“] richtete. Was beim oberflächlichen Lesen hängen bleibt:
       Es handelte sich um einen Protest von Palästinenser:innen gegen
       jüdisches Leben in Berlin.
       
       Solche Berichterstattung ist kein Einzelfall. Ein weiteres Beispiel, das
       bundesweit Schlagzeilen machte, ist ein vermeintlicher Gewaltvorfall auf
       der [18][Gedenkdemonstration an die palästinensische Nakba] im vergangenen
       Mai. Als sich dort ein Polizist verletzte und ins Krankenhaus musste,
       teilte die Polizei mit, Demonstrant:innen hätten „gezielt einen
       Polizeibeamten angegriffen“, ihn „zu Boden gebracht“ und „massiv auf ihn
       eingetreten“. Von einem „Mordversuch“ redete der Bürgermeister des Bezirks
       Neukölln, Martin Hikel (SPD).
       
       Inzwischen haben [19][Recherchen unter anderem der taz] und der
       [20][Recherchegruppe Forensic Architecture] gezeigt: Wahrscheinlich hat
       nichts davon gestimmt. Videoaufnahmen zeigen, wie der fragliche Polizist
       sich prügelnd in die Menschenmenge begibt und dabei immer wieder mit der
       rechten Hand Protestierenden ins Gesicht schlägt. Etwas später hält er sich
       genau diese Hand und sackt dann zusammen.
       
       ## Die meisten Verfahren werden eingestellt
       
       Wird die Gefährlichkeit der Bewegung aufgebauscht? Auf taz-Nachfrage teilt
       die Berliner Staatsanwaltschaft mit, seit dem 7. Oktober seien im
       Zusammenhang mit den Protesten zum Nahostkonflikt an Berliner Gerichten bis
       zum 20. August insgesamt 2.102 Verfahren anhängig gewesen. Nur die
       wenigsten davon führten allerdings zur Verurteilung – lediglich 117
       Verurteilungen gab es, davon 101 Geldstrafen. Die meisten Verfahren wurden
       eingestellt oder endeten mit Strafbefehlen, bei denen es gegen Zahlung
       einer kleineren Geldstrafe zu keiner Gerichtsverhandlung kommt.
       
       Auch die Berliner Polizei gibt sich gegenüber der taz überraschend milde in
       ihrer Einschätzung. „Der überwiegende Teil der Versammlungen verläuft
       friedlich und der Großteil der Versammlungsteilnehmenden zeigt keine
       Gewaltbereitschaft“, heißt es. Es gebe in der Szene nur „kleine Kreise“,
       die auf Protesten verbotene Parolen rufen oder Einsatzkräfte attackieren.
       Angriffe auf politisch Andersdenkende seien „sehr selten“. Zugenommen
       hätten lediglich Sachbeschädigungen „in Universitäten, gegen Vertretungen
       der Rüstungsindustrie oder Unternehmensfilialen, denen eine Unterstützung
       der israelischen Regierung vorgeworfen“ wird.
       
       Soziologe Ullrich sieht noch eine weitere Entwicklung am Wirken: eine
       autoritäre Tendenz, wie er es nennt, der Gesellschaft insgesamt. Er
       verweist darauf, dass etwa die Berliner CDU [21][die Einschränkung der
       Versammlungsfreiheit und die Ausweitung von Polizeibefugnissen] auch mit
       dem Verweis auf die angebliche Gefährlichkeit der Palästinaproteste
       vorantreibt. Dies vermische sich mit einem Antimigrationsdiskurs, in dem
       sich die CDU und die SPD von der AfD immer weiter treiben ließen. Beispiele
       seien Diskurse über „importierten Antisemitismus“ und Versuche, das
       Staatsbürgerrecht über ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zu
       politisieren.
       
       Timo Dorsch von Medico International hofft, dass es der Großdemo am Samstag
       gelingen kann, breitere Akzeptanz für die Bewegung zu erreichen. „Die
       Veranstaltung ist eine Verbindung zweier Anstrengungen: die unzähligen
       Demonstrationen auf der Straße, die stets immenser Polizeigewalt ausgesetzt
       sind, sowie unserer Arbeit vor Ort in Gaza und das Aufzeigen von
       Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Armee.“ In der Arbeit vor
       Ort habe sich Medico eine besondere Glaubwürdigkeit erarbeitet, sagt
       Dorsch. Die wolle die NGO nun nutzen, um auf eine „Wahrheit“ hinzuweisen:
       „Dass die israelische Armee einen Genozid verübt und dass wir aufgrund der
       Menschenrechte, denen sich auch Deutschland verpflichtet hat, dagegen
       einstehen müssen“, sagt er.
       
       Auf dem Tempelhofer Feld sagt Al-Sumud, in der palästinensischen Community
       seien viele Menschen ausgebrannt. Nicht nur wegen der Polizei, sondern auch
       wegen der Situation in Palästina. „Viele mit Familie in Gaza sind die ganze
       Zeit auf edge, hängen nur am Handy, um zu checken, wo die neusten Angriffe
       stattfinden“, sagt er. Seine Familie lebe zum Glück in einem anderen Land
       in der Region, aber er habe Freunde, die 20 Familienmitglieder
       verloren hätten. Ihn mache vor allem das Schweigen und das Wegsehen seiner
       deutschen Freunde zu schaffen. Er schaut auf sein Handy, wo eine neue
       Meldung aufploppt.
       
       26 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://all-eyes-on-gaza.de/
   DIR [2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-linke-mitglieder-kritisieren-parteispitze-wegen-gaza-demo-aufruf-a-58cfd33c-6b5f-447a-a898-14b04cfd7295
   DIR [3] https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/zdf-politbarometer-august-2025?utm_source=chatgpt.com
   DIR [4] https://www.trtdeutsch.com/article/35a094a86390
   DIR [5] https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2025/06/20250604_deutschlandtrend_waffenexporten_israel.html?utm_source=chatgpt.com
   DIR [6] https://yougov.de/politics/articles/53032-44-prozent-der-deutschen-wahlberechtigen-sprechen-sich-fur-die-anerkennung-palastinas-als-eigenstandiger-staat-aus?utm_source=chatgpt.com
   DIR [7] /Freispruch-fuer-Palaestina-Aktivisten/!6106559
   DIR [8] /Streit-um-Antisemitismus-Definition/!6086987
   DIR [9] /Umgang-mit-Palaestina-Parole/!6104185
   DIR [10] https://journalistik.online/ausgabe-2024/der-gaza-krieg-die-deutschen-medien-und-die-falsche-seite-der-geschichte/
   DIR [11] https://jacobin.de/artikel/israel-palaestina-nahost-berichterstattung-gaza-leitmedien
   DIR [12] /Umfrage-ueber-Berichterstattung-zu-Gaza/!6079413
   DIR [13] https://www.israelnationalnews.com/news/412233?utm_source=chatgpt.com
   DIR [14] https://www.ochaopt.org/content/humanitarian-situation-update-323-gaza-strip
   DIR [15] https://www.reuters.com/world/europe/weaponisation-food-gaza-constitutes-war-crime-un-rights-office-says-2025-06-24/?utm_source=chatgpt.com
   DIR [16] https://www.bild.de/regional/berlin/wegen-hass-demo-israelisches-restaurant-sagt-neueroeffnung-ab-6877fb8a0d28e0459fe5363d
   DIR [17] https://www.morgenpost.de/bezirke/mitte/article409751558/juedischer-betreiber-von-gila-nancy-eine-absolute-luege.html
   DIR [18] /Nakba-Tag-in-Berlin/!6088163
   DIR [19] /Verletzter-Polizist-bei-Nakba-Demo/!6085836
   DIR [20] https://counter-investigations.org/investigation/police-violence-and-misinformation-at-the-2025-nakba-day-protests-berlin
   DIR [21] /Reform-des-Berliner-Polizeigesetzes/!6096087
       
       ## AUTOREN
       
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       Die Journalistin Alena Jabarine hielt auf dem Hamburger Filmfest eine Rede
       über das deutsche Schweigen zu Gaza. Wir dokumentieren sie.
       
   DIR Böhmermann sagt Konzert mit Chefket ab: Im Stich gelassen
       
       Jan Böhmermann sagt ein geplantes Konzert mit dem Rapper Chefket ab. Damit
       knickt er vor Kulturstaatsminister Weimer ein.
       
   DIR Gaza-Demo in Berlin: Das Ende des lauten Schweigens
       
       In Berlin haben Zehntausende gegen die Kriegsverbrechen in Gaza
       demonstriert. Der Protest gegen die israelische Politik ist mehrheitsfähig,
       sagt Michael Barenboim.
       
   DIR Anerkennung Palästinas als Staat: Netanjahu der Spartaner
       
       Für Israels Premier kommt ein Palästinenserstaat nicht infrage. Doch eine
       Annexion des Westjordanlandes hätte massive außenpolitische Folgen.
       
   DIR Gaza-Demonstration in Berlin: „Wir protestieren gegen den Krieg“
       
       Die Initiatoren einer Gaza-Demonstration erwarten am Samstag in Berlin mehr
       als 50.000 Teilnehmer. Erwünscht sind nur palästinensische Fahnen.
       
   DIR Israels Bodenoffensive in Gaza-Stadt: Wo sollen sie hin?
       
       Die israelische Armee will Gaza-Stadt einnehmen, um die Hamas zu zerstören
       – und fordert die verzweifelte Bevölkerung zur erneuten Flucht auf.
       
   DIR Humanitäre Lage in Gaza: Auch wo es Nutella gibt, hungern Menschen
       
       Im Gazastreifen gibt es auch im Krieg weiter Restaurants und Cafés.
       Mohammed Aref betreibt eines in Gaza-Stadt. Wie passt das mit Hunger
       zusammen?