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       # taz.de -- Umwelt- und Klimapolitik in Berlin: „Mein Haushalt ist nur noch ein Skelett“
       
       > Die SPD-Abgeordnete Linda Vierecke kritisiert den Haushalt 2026/27
       > scharf: Die Mittel für Umwelt- und Klimaschutz würden drastisch
       > zusammengestrichen.
       
   IMG Bild: Geld für den Autoverkehr, aber nicht für Stadtbäume?
       
       taz: Frau Vierecke, der Blick in den [1][Haushaltsentwurf für 2026 und
       2027] enthüllt im Bereich Umwelt und Klima dramatische Kürzungen. Insgesamt
       muss der Einzelplan 07, zu dem zusätzlich noch der Verkehrsbereich gehört,
       mit 14 Prozent weniger Geld auskommen – aber ausgerechnet die Kapitel für
       Umwelt-, Natur- und Klimaschutz büßen rund 38 Prozent ein. Was ist denn aus
       der Beteuerung im Koalitionsvertrag geworden, dass CDU und SPD die
       Bewältigung der Klimakrise als „eines der drängendsten Themen unserer Zeit“
       ansehen? 
       
       Linda Vierecke: Diese Vorlage kommt ja von einer CDU-geführten
       Senatsverwaltung, und auch die Finanzverwaltung ist ein Ressort der CDU.
       Und ich als Abgeordnete ärgere mich über diesen Haushalt, ich finde ihn in
       der vorliegenden Form fatal. Natürlich wird Umweltpolitik nicht nur über
       den Umwelthaushalt gemacht – aber es ist eben doch eine Ansage, genau
       diesen Bereich um 38 Prozent zu kürzten. Das passiert in keinem einzigen
       anderen Bereich.
       
       taz: Wohin fließt denn der Löwenanteil des Geldes, das Frau Bonde noch
       ausgeben kann? 
       
       Linda Vierecke: Ganz einfach: Der Umwelthaushalt musste als Steinbruch für
       den Verkehr herhalten. Dabei bin ich die Letzte, die keinen guten Verkehr
       in der Stadt haben will, und ich verstehe auch, dass man Neubau
       priorisiert. Aber zur Daseinsvorsorge gehört dann doch noch mehr als
       Brücken. Ich denke, dass in diesem Verständnis wirklich der Unterschied
       zwischen den Koalitionsfraktionen liegt. Das zeigt sich auch daran, dass
       die 140 Millionen Euro, die Berlin 2026 aus dem
       Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes bekommt, ausschließlich in
       Verkehrsprojekte fließen sollen. Das ist nicht in Ordnung.
       
       taz: Ist da nicht die Frage, inwieweit Sondermittel für Infrastruktur
       überhaupt für Umwelt- und Klimaschutz genutzt werden können? 
       
       Linda Vierecke: Natürlich gibt es auch Investitionsmaßnahmen im
       Umweltbereich. Die sind zum Beispiel im Berliner Energie- und
       Klimaschutzprogramm BEK enthalten, das Verkehrssenatorin Bonde und
       Finanzsenator Evers im Jahr 2027 um 80 Prozent kürzen wollen. Natürlich
       hätte man da das Sondervermögen heranziehen können. Auch Bäume sind ja
       Investitionen in die grüne Infrastruktur der Stadt.
       
       taz: Das Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung BENE soll in
       derselben Größenordnung zusammengespart werden. 
       
       Linda Vierecke: Richtig. Da kommt noch hinzu, dass diese Mittel eine
       massive Hebelwirkung haben: Für einen Euro für BENE aus dem Landeshaushalt
       gibt es 2,50 Euro aus Brüssel. Damit schadet man sich also massiv selbst,
       zumal es in der nächsten Förderperiode weniger Geld für Berlin geben wird,
       wenn wir das jetzt nicht abrufen. Ich frage mich wirklich, wo unsere
       Umweltsenatorin gerade steckt.
       
       taz: Wenn Sie die einzelnen Posten so durchgehen, welche Kürzung tut Ihnen
       da persönlich am meisten weh? 
       
       Linda Vierecke: Natürlich haben die großen Posten die größte Wirkung. Ich
       habe aber immer auch kleine Projekte gestärkt, wie etwa das
       Kleingewässerprogramm – weil ich sehe, dass wir für diese Biotope in den
       vergangenen Jahren zu wenig getan haben und sie zu großen Teilen schon
       trocken liegen. Jetzt soll es von 4,9 auf 0,8 Millionen Euro
       heruntergefahren werden. Und dass ich persönlich für den Reparaturbonus
       gekämpft habe, der nun ganz wegfallen soll, weiß die CDU natürlich. Deshalb
       sieht es für mich so aus, als wolle da jemand ein Statement setzten. Wir
       haben dieses Leuchtturmprojekt aufgebaut und die IBB dafür ins Boot geholt.
       Es jetzt einfach wieder abzuschaffen, tut mir schon weh, und ich muss das
       als Kampfansage verstehen.
       
       taz: Vor Kurzem haben Sie sich [2][im Mauerpark die Bedeutung der
       „Parkläufer“ erläutern lassen]. Im Haushaltsplan sind keine Mittel mehr für
       bezirkliche Maßnahmen in den Parks enthalten. Sind es nicht solche
       verhältnismäßig kleinen Posten, deren Wegfall dann aber schmerzlich
       auffällt? 
       
       Linda Vierecke: Für das soziale Miteinander in der Stadt ist es wirklich
       fatal, solche Erfolgsprojekte zu kürzen – wobei ich sehe, dass die CDU
       gerade bei den Parkläufern entgegensteuern will. Weil es sich bei diesen
       Projekt aber um [3][eine der sozialen Maßnahmen handelt, die auf dem
       „Sicherheitsgipfel“ beschlossen wurden], sage ich: Lieber Herr Wegner,
       machen Sie als Regierender Bürgermeister Ihre Schatulle dafür auf. Denn
       mein Haushalt ist nur noch ein Skelett.
       
       taz: Was denken Sie, kriegen Sie das alles als Abgeordnete irgendwie noch
       halbwegs eingefangen? 
       
       Linda Vierecke: Die Haushaltslogik ist ja, dass wir als FachpolitikerInnen
       jetzt nur noch Beträge in den Einzelplänen von links nach rechts schieben
       können. Soll heißen: Wenn ich entscheide, den Reparaturbonus zu stützen,
       nehme ich eben Geld vom Gewässerschutz oder für die GrünBerlin weg. Da gibt
       es eigentlich keine Spielräume mehr. Deshalb fordere ich insgesamt mehr
       Geld für den Umwelt- und Klimabereich, und zumindest aus meiner Fraktion
       kriege ich dafür gute Signale.
       
       taz: Wenn alle Stricke reißen, müssen Sie eben [4][den Baumentscheid
       Berlin] unterstützen und hoffen, dass das ein Gamechanger wird. 
       
       Linda Vierecke: Ich persönlich unterstütze ja den Entscheid, und es gibt
       auch den SPD-Parteitagsbeschluss, das zu tun. Das Abgeordnetenhaus berät
       zurzeit über den Gesetzentwurf, und natürlich ist auch hier die
       Finanzierung ein Thema. Da sind wir im engen Austausch mit der Initiative
       und schauen, ob man das Ganze finanziell noch etwas herunterskalieren kann.
       Aber dass wir den Baumbestand stärken wollen, das muss sich schon auch in
       diesem Haushalt widerspiegeln. Das Signal, das der Senat da gerade
       aussendet, ist ein falsches – und es ist nicht mein Signal.
       
       5 Sep 2025
       
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