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       # taz.de -- Sport ohne Dopingbann: Keine autonome Entscheidung
       
       > Ein deutscher Schwimmer geht bei den Enhanced Games auf Rekordjagd. Der
       > Sportkapitalismus erreicht eine neue Dimension.
       
   IMG Bild: Auf Prämienjagd: Schmetterlingschwimmer Marius Kusch
       
       Nun hat sich also auch ein deutscher Athlet gefunden: Schwimmer Marius
       Kusch, Ex-Kurzbahn-Europameister, nimmt 2026 bei den Dopingspielen
       [1][„Enhanced Games“ in Las Vegas] teil. Die Wettbewerbe, die mithilfe von
       Doping neue Rekorde produzieren sollen, sind [2][von
       unsterblichkeitssuchenden Überreichen] aus dem Trump-Universum und von der
       Pharmalobby finanziert, darunter deutschstämmige Milliardäre wie Peter
       Thiel und Christian Angermayer.
       
       Schon aufgrund der langen deutschen Dopinghistorie und der mächtigen
       deutschen Pharmaindustrie ist nicht überraschend, dass nun auch ein
       deutscher Sportler das vermeintliche Tabu bricht. Zumal Kusch ins Profil
       passt: ein Mann am Ende seiner Karriere, der mit den sagenhaften Prämien
       seine Familie absichern will. Ein Feld, in dem der organisierte Sport
       versagt.
       
       Schnell gab es die erwartbare Kritik an Kusch. „Die Enhanced Games stehen
       diametral zu allem, wofür der Sport steht“, so Schwimm-Präsident Jan
       Pommer. Die Empörung mag echt sein, doch sie ist Selbstbetrug. Die Enhanced
       Games sind keine Verirrung, im Gegenteil: Sie sind die logische letzte
       Zuspitzung des kapitalistischen Leistungssports.
       
       Dort galt schon immer: Alles für den Rekord. Olympische Athlet:innen
       sterben früher als die Durchschnittsbevölkerung, leben später oft mit
       massiven Gesundheitsschäden. Die Linie zwischen legalem und illegalem
       Doping war stets willkürlich und wird systematisch überschritten. Die
       ideologische Grundlage des Raubbaus für Rekorde hat der Verbandssport
       gelegt.
       
       ## Inszenierte Männlichkeit
       
       Die Enhanced Games treiben das mit dem Baukasten der libertären Rechten auf
       die Spitze: Vermeintliche Ehrlichkeit statt bürgerlicher Druckserei,
       Kapitalinteressen inszeniert als antibürgerliche Revolte. Am Ende, das ist
       die bittere Ironie, zahlen Sportler:innen wie Kusch vielleicht mit ihrem
       Leben für die Lebensverlängerung von Überreichen. Es sind die Spiele, die
       die Gegenwart verdient. Konsequent auch, dass bisher nur eine einzige Frau
       dabei ist. Es geht, wie immer, um inszenierte Männlichkeit.
       
       Unterschätzt ist, was all das strukturell bedeutet: Überreiche können
       zunehmend ihre eigenen Weltsportevents organisieren. Die Enhanced Games
       werben damit, ohne staatliche Unterstützung oder Steuergelder auszukommen.
       Das ist natürlich eine Lüge: Die Großkonzerne dieser Investoren profitieren
       massiv von staatlichen Aufträgen, Subventionen oder Steuerbefreiungen.
       Weiter finanziert die Gesellschaft diesen Sport – aber ohne jedes Recht,
       dabei mitzusprechen. Ein Demokratieverlust, der so noch wenig beschrieben
       ist. Die Investoren agieren auch mit faschistoidem Gedankengut.
       
       Die proklamierte Schaffung eines „super human“ erinnert ungut an den
       „Übermenschen“, den die Nazis von Nietzsche adaptiert haben. Das libertäre
       Vokabular – auch Kusch spricht von einem Umfeld, das „Leistung wertschätzt
       und uns die Möglichkeit gibt, unsere Karriere selbst in die Hand zu nehmen“
       – unterschlägt, dass für fast alle Sportler:innen die enormen
       Preisgelder ausschlaggebend waren. Eine autonome Entscheidung über den
       Körper ist das nicht. Aber vielleicht fühlt es sich danach an, je mehr man
       dabei von Freiheit redet.
       
       Gut möglich, dass die Spiele, die ohnehin eine chaotische Genese hatten,
       ein Rohrkrepierer werden oder in Vorwürfen versinken wie einst das [3][Nike
       Oregon Project]. Trotzdem könnten die Folgen weitreichend sein. Wenn die
       Kartellklage gegen World Aquatics und die Welt-Anti-Doping-Agentur Erfolg
       hat, entsteht ein noch massiverer Dopingdruck auf Athlet:innen. Im
       Hobbysport dürften sich die Produkte so oder so stärker verbreiten.
       Immerhin: Die Zeiten für Athlet:innen sind günstig, mehr Geld als die
       jämmerlichen 4 Prozent der Olympia-Einnahmen vom IOC zu fordern.
       
       26 Sep 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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