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       # taz.de -- Kölner Karnevalsvereine: Bereit für die fünfte Jahreszeit
       
       > Richtig los geht es am 11. 11., aber in den Bauten der Kölner Stadtmauer
       > ist eigentlich immer Karneval. Dort residieren die Karnevalsvereine der
       > Stadt.
       
   IMG Bild: Karnevalistische Hochburg in der Karnevalshochburg Köln: das Hahnentor
       
       Köln taz | Nein, mit Hähnen hat das alles nichts zu tun. Wie auch, mitten
       in der verkehrsumtosten Kölner Innenstadt. Allerdings müssen früher Bäume
       vorm Kölner Hahnentor gestanden haben, draußen vor der Stadt. Denn „Hahn“
       kommt wohl aus dem frühneuhochdeutschen „Hentgin“ und bedeutet Wald.
       
       Heutzutage ist es rund um das einstige mittelalterliche Stadttor maximal
       ungemütlich. Gerade erst haben sie einen 31-Meter-Büroklotz neben das 21
       Meter hohe Hahnentor gesetzt. Was dem Fußgänger monumental erscheint, sieht
       jetzt von oben winzig und eingequetscht aus. Dagegen steht Lübecks
       Holstentor allein auf weiter Flur.
       
       Wer dem Kölner Hahnentor aber nähertritt und sich unter den Bogen stellt,
       vergisst das Getöse drumrum. Denn hier residiert, so liest man auf einer
       Plakette, die Kölner „Ehrengarde“. Das ist ein 1902 in Anlehnung an die
       Bürgergarde der französischen Besatzungszeit gegründetes Karnevals-Tanz-
       und Reiterkorps.
       
       Das trutzige Hahnentor, eines von den vier noch erhaltenen
       mittelalterlichen Kölner Stadttoren, ist ein würdiger Ort, und „Ehrengarde“
       klingt heroisch und bedeutend. Genau so versteht man sich auch, nämlich als
       Geleit von „Bauer und Jungfrau“, zwei von drei wichtigen (und stets auch
       robust männlich besetzten) Repräsentanten des Karnevals.
       
       ## Die Mählsack
       
       Den Prinzen, den dritten – und wichtigsten – Repräsentanten, begleitet
       wiederum die „Prinzen-Garde Köln 1906“. Anscheinend war der Prinz bis dahin
       unbegleitet umhergelaufen, und man fand, eine würdige Begleitung sei jetzt
       mal fällig. Wegen ihrer weißen, mit etwas Rot verzierten Uniformen werden
       sie im Volksmund auch „Mählsäck“ (Mehlsäcke) genannt.
       
       Aber das nur am Rande. Denn auch die Prinzen-Garde residiert in einem Tor
       der mittelalterlichen Stadtmauer, diesmal in der Südstadt und vom Hahnentor
       aus schneller per Straßenbahn erreichbar als zu Fuß. Dort, am stark
       befahrenen Kartäuserwall, ist direkt neben besagtem Turm ein langes Stück
       Stadtmauer erhalten, mit Räumen innendrin. Hier tagen wiederum die Blauen
       Funken, ein Wimpel an der Mauer zeigt es an.
       
       Und als sei das nicht genug, sitzen wenige Meter weiter in der Ulrepforte –
       einem mittelalterlichen Turm mit Wehrgang und Festsaal – die Roten Funken,
       genauer: „Kölsche Funken rut-wieß vun 1823“. Die Jahreszahl ist wichtig,
       denn das war lange, bevor sich die Blauen Funken abspalteten. Aus durchaus
       programmatischen Gründen: Die Roten Funken nämlich sehen sich als
       Nachfolger der Kölner Stadtsoldaten des 17. bis 19. Jahrhunderts, die den
       Vernehmen nach kein Gewehr bedienen konnten und eher pazifistisch waren.
       
       Auch die Roten Funkten verstehen ihr tänzerisches „Exerzieren“ auf
       Karnevalssitzungen als Persiflage, gipfelnd im berühmten
       „Stippeföttche“-Tanz, dem Rücken-an-Rücken-und-Hintern-Reiben. Das war wohl
       einigen zu respektlos. Sie waren ernster, dachten patriotisch,
       sympathisierten mit der Obrigkeit. 1870, kurz vor der Gründung des
       Deutschen Kaiserreichs, spalteten sie sich als „Blaue Funken“ ab. Ihre
       Uniform war die des preußischen Dragonerregiments Ansbach-Bayreuth, ihr
       voller Name, durchaus militärisch konnotiert: „Kölner Funken Artillerie
       blau weiß von 1870“.
       
       Die Roten Funken, not amused, verweigerten den Abtrünnigen prompt die
       Teilnahme im heiligen Rosenmontagszug. Zumal die Blauen dreist den Platz an
       der Spitze forderten. Undenkbar, zwei Sorten Funken im „Zoch“ zu haben,
       fand auch das „Festkomitee“. Geschafft haben sie es trotzdem: Der Legende
       nach sprangen die Blauen aus dem Gebüsch, als der Zug um eine Ecke bog, und
       setzten sich an die Spitze. Die behaupten sie seitdem eisern.
       
       ## Albern gegen die Unbill der Welt
       
       Dafür haben die Roten Funken – und das macht sie stolz – einen lebensgroßen
       bronzenen Funken vor ihren Shop an der Ulrepforte gestellt, dem man beim
       Rundgang unversehens begegnet. Das ist natürlich total albern, und [1][auf
       der Webseite] kann die Figur sogar sprechen. Aber solche Begegnungen sind
       es, die die Unbill der Welt erträglich machen. Ganz abgesehen davon, dass
       all diese Karnevalsvereine Teile der mittelalterlichen Stadtmauer „besetzt“
       haben, die sie in Erbpacht erwarben, sanierten und bis heute erhalten, was
       die Stadt vielleicht nicht gestemmt hätte. Und natürlich wird in diesem
       alten Gemäuer das ganze Jahr über „exerziert“, der Tanz für den nächsten
       Karneval geübt und allzeit kräftig gefeiert.
       
       Wenn man, all dessen eingedenk, blau, rotweiß, grüngelb gewandete Männlein
       durchs Stadtbild wuseln sieht, dann freut sich der karnevalsaffine Kölner
       wie ein Kind: Endlich, [2][das Trömmelchen geht], „et Trömmelsche jeht“.
       Denn siehe: Bald ist der 11. 11., die „Karnevals-„Session“ ist nah.
       
       2 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://rote-funken.de/
   DIR [2] /Karneval-im-Rheinland/!5913841
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
       ## TAGS
       
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