# taz.de -- Neues Zuhause für Hamburger Kunst: Ein Ort gegen die Zerstreuung
> Das Forum für Künstlernachlässe hat jetzt ein eigenes Heim: Im Stadtteil
> Niendorf erhält es das Erbe von Hamburgs Kunstschaffenden und erforscht
> es.
IMG Bild: Neue Heimstatt für die Kunst: Der Neubau des Hamburger Forums für Künstlernachlässe
Hamburg taz | Es ist ein schöner, lichter Platz geworden, ein geräumiger
Innenhof zwischen zwei „Gebäudegeschwistern“: Wo bislang Wellblechbaracken
standen, kann man neuerdings zwischen dem Hamburger Künstlerhaus Sootbörn
in einem Bauhaus-Schulgebäude der 1920er-Jahre und dem gleichfalls
bauhausartigen Neubau des [1][Forums für Künstlernachlässe] wandeln.
Diese architektonische Parallele ist ebenso gewollt wie die Tatsache, dass
das neue Gebäude – hanseatisch dezent – dem alten den Vortritt lässt. So
liegt der Neubau etwas zurückgesetzt, gibt den Blick auf das Eckfenster des
Künstlerhauses frei – um dann seinerseits ein Eckfenster zu präsentieren,
ein kleines, feines Zitat.
„Künstlerhaus und Neubau sollen sowohl baulich als auch inhaltlich als
Kulturzentrum hier in Hamburg-Niendorf wahrgenommen werden“, sagt Gora
Jain, Professorin für Kunstgeschichte und Direktorin des Vereins „Forum für
Künstlernachlässe“. Er wurde 2003 gegründet und hatte seinen Sitz bislang
im Künstlerhaus. Gora Jain muss also nur über den Hof gehen, um ihr neues
Büro in dem schneeweißen eingeschossigen Gebäude zu beziehen.
Dort werden, wenn mal alles eingeräumt ist, auf 680 Quadratmetern Nachlässe
von bislang 100 Hamburger Künstler*innen lagern. Die Positionen reichen
von Gemälden über Fotos, Zeichnungen und Skizzenbücher bis zu Skulpturen.
[2][Alma del Banco], 1919 Mitgründerin der [3][Hamburgischen Sezession],
die der Deportation durch die Nazis 1943 durch Suizid entging, ist ebenso
vertreten wie die 2009 verstorbene Konzeptkünstlerin Margrit Kahl, die den
1988 eingeweihten Gedenkort [4][Bornplatz-Synagoge] gestaltet hatte sowie
der 2007 mit nur 28 Jahren tödlich verunglückte Włodek Bzówka.
## Über 10.000 Archivalien
Neben zwei großen Archivräumen bietet der Neubau zwei Büros und ein Areal
für kleine Konzerte, Theater- und Filmvorführungen. Auch eine kleine
Bibliothek zu Hamburger Kunst ist geplant. Große Kunstpräsentationen wird
es weiterhin im Ausstellungsraum des benachbarten Künstlerhauses geben. In
einigen der dortigen Ateliers lagerten bislang etliche Künstlernachlässe,
die nun in den Neubau ziehen. Wie viele Archivalien es genau sind, kann
Gora Jain gar nicht sagen, über 10.000 auf jeden Fall. Etliche davon sind
schon digitalisiert, aber noch nicht veröffentlicht. Das solle im Zuge der
schon länger bestehenden Zusammenarbeit mit der Datenbank DigiCult
geschehen, sagt Jain.
In Papierform sind große Teile der Bestände aber schon erfasst, wie die
Kataloge zum zehn- und 20-jährigen Bestehen des Vereins zeigen. Auch seien
schon zwei Magisterarbeiten über einzelne Künstler entstanden, inklusive
kleiner Ausstellungen, sagt Jain, „Das wollen wir gemeinsam mit der
Hochschule für bildende Künste fortführen. Unser großer Vorteil ist ja,
dass Studierende hier konkret mit Kunstwerken arbeiten und als Kuratoren
auch das Ausstellungshandwerk üben können.“
Finanziert hat den zwei Millionen Euro teuren Neubau großteils eine
Stiftung, gegründet vom Hamburger Kunsthistoriker und -mittler [5][Thomas
Sello.] Für deren Grundstock hatte Sello ein Gemälde des Expressionisten
Max Pechstein aus dem Familienbesitz verkauft. Weitere 800.000 Euro schoss
Hamburgs Kulturbehörde zu. Den Rest erbrachten eine Benefiz-Auktion und
diverse Sponsoren.
Das Grundstück indes überließ die Stadt dem Verein kostenlos in Erbpacht –
als Gegenleistung für den Neubau. „Und erstmals nach 22 Jahren Ehrenamt
kann auch ich auf einer 30-Prozent-Stelle bezahlt werden“, sagt Gora Jain.
„Dazu kam und kommt weitere ehrenamtliche Arbeit sowie das riesige
Engagement des Architekten Andres Horlitz. Sonst hätten wir den Bau nicht
binnen eines Jahres stemmen können.“ Öffentlich zugänglich ist er samstags
von 11 bis 16 Uhr.
5 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Petra Schellen
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