# taz.de -- Dokumentarfilm „Pink Power“: Mehr als nur paddeln
> Der Dokumentarfilm „Pink Power“ dreht sich ums friesische Drachenbootteam
> der „Küsten-Pinkies“. Alle Besatzungsmitglieder sind
> Brustkrebspatientinnen.
IMG Bild: Stärke im Drachenbootfahren ist Teamarbeit: Szene aus dem Film „Pink Power“
Was hat das [1][Paddeln] mit [2][Brustkrebs] zu tun? Es gibt medizinische
Forschungen, nach denen diese Sportart einen therapeutischen Nutzen für
betroffene Frauen hat. Darum entwickelte sich weltweit eine Bewegung, bei
der Frauen mit Brustkrebsdiagnosen zusammen Bootteams bilden und
gegeneinander Rennen austragen, für die sogar Europa- und
Weltmeisterschaften veranstaltet werden.
Eines dieser Teams sind die „Küsten Pinkies“ in Wilhelmshaven. Durch
persönliche Kontakte lernte die Filmemacherin Chiara Kempers einige Frauen
in diesem Drachenbootteam kennen. Sie war von ihnen so fasziniert, dass sie
zusammen mit der Produzentin Marianna Martens einen Film über sie machte.
Nun folgen Sportfilme, egal ob fiktiv oder dokumentarisch, immer der
gleichen Dramaturgie: „Pink Power“ bildet da keine Ausnahme. Es muss einen
spannenden Wettbewerb geben, bei dem wir mit jenen Sportler*innen
mitfiebern, die wir im Laufe des Film kennengelernt haben. Können wir uns
am Schluss über ihren Sieg freuen oder müssen wir uns über ihre Niederlage
ärgern?
Tatsächlich begleitet Chiara Kempers die friesischen Frauen auf ihrer Reise
ins italienische Ravenna, wo das Team an den Europameisterschaften
teilnimmt. Und tatsächlich gibt es als Finale das entscheidende Rennen, bei
dem sich zeigt, ob sie oder das favorisierte und bei den
Wilhelmshavenerinnen als „arrogant“ verschrieene Team aus Hannover
Siegestänze aufführt.
Aber diese Dramaturgie ist hier eher die Karotte, die dem Esel (sprich: dem
Publikum) vor die Nase gehalten wird, denn in „Pink Power“ geht es um viel
mehr als darum, wer schneller paddeln kann. „In meinem Leben vor der
Krankheit habe ich nur funktioniert – jetzt lebe ich bewusst“, sagt zum
Beispiel die 71 Jahre alte Konni. Wenn man sieht, mit wie viel positiver
Energie sie sich im Sportteam engagiert und wie zärtlich sie sich um ihren
pflegebedürftigen Ehemann kümmert, begreift man, was sie damit meint.
Im Film wird sie in alltäglichen Situationen gezeigt und die Intimität
dieser Familienszenen macht deutlich, wie viel Vertrauen die
Protagonistinnen zu der Filmemacherin haben. Die 45 Jahre alte Jasmin hat
sogar ihre Zustimmung dazu gegeben, dass die Kamera bei einer
Nachsorge-Untersuchung im Behandlungszimmer des Arztes dabei sein darf.
Diese Filmbilder sind so sorgfältig komponiert, dass man die Anspannung der
Patientin angesichts der für sie lebensentscheidenden Diagnose spüren kann,
ohne ihr dabei zu nah zu kommen.
Die beiden Protagonistinnen machen deutlich, wie der Sport ihr Leben
verändert hat – wie sie die Gemeinschaft des Paddelteams genießen und die
Freude am Sport sie intensiver leben lässt. Die Reise nach Ravenna ist
schließlich ein großes Abenteuer, bei dem Lieder von [3][Vicky Leandros]
und Johanna von Koczian im Reisebus mitgesungen werden, die Trainerin
verzweifelt den neuen, noch nicht gelieferten T-Shirts hinterhertelefoniert
und frau sich über die Unsportlichkeit der Konkurrenz (diese
Hannoveranerinnen schon wieder!) empört.
Das wird launig erzählt. Mit seiner elektronischen Retro-Filmmusik zeigt
Robin Alberding, dass der [4][Krautrock] aus den 1970er-Jahren zurzeit bei
Filmmusiker*innen eine Renaissance erlebt.
Ein [5][Drachenbootteam], das aus ostfriesischen Frauen besteht ist
natürlich auch ein Kuriosität. Chiara Kempers macht deutlich, wie komisch
diese kulturelle Annäherung sein kann. So wird in einer Sequenz ein neues
Boot mit einer taoistischen Zeremonie geweiht und dabei fällt der Blick auf
den Namen des Boots unter dem geschnitzten Drachenkopf am Bug: Frau Meyer.
Mit einer Laufzeit von 68 Minuten hat Chiara Kempers einen schlanken,
sportlich schnellen Film gedreht. „Pink Power“ ist eine inspirierende
Dokumentation über Amateursportlerinnen geworden, die zeigt, dass Siege
nicht nur bei Wettbewerben gewonnen werden und Sport, ähnlich wie Musik,
eine Lebenskraft sein kann.
29 Sep 2025
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## AUTOREN
DIR Wilfried Hippen
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