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       # taz.de -- Proteste in Madagaskar: Die Jugend verlangt Wasser und Strom
       
       > Erst erlebt Madagaskar schwere Dürre, jetzt schwere Unruhen. Eine
       > unerschrockene Protestbewegung fordert den autoritären Präsidenten
       > Rajoelina heraus.
       
   IMG Bild: Brennende Straßensperre in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo, 25. September
       
       Antananarivo taz | Stromausfälle, Wasserknappheit, Polizeibrutalität – das
       sind die Auslöser der Unruhen, die in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo
       am 22. September begannen und sich seitdem auf das ganze Land ausgeweitet
       haben.
       
       Die Zahl der Getöteten und Festgenommenen ist unbekannt, aber das Ausmaß
       der Verwüstung in Antananarivo ist deutlich. Läden wurden geplündert,
       Häuser im Besitz von Regierungspolitikern angegriffen.
       
       An vorderster Front stehen Jugendliche, die sich „Generation Z“ nennen, so
       wie [1][die Jugendprotestbewegung, die vergangenes Jahr Kenia
       erschütterte]. Sie mobilisierten zunächst mit der Parole „Schluss mit den
       Ausfällen“, weil es 12 Stunden am Tag keinen Strom gibt. Dann weitete sich
       der Protest aus und ergriff weitere Städte.
       
       „Wir fordern nur unsere Grundrechte ein: sauberes Wasser und verlässlichen
       Strom“, sagt Mirindra Rakotovao in Antananarivo. „Wir haben die Unfähigkeit
       eines Staatschefs satt, der keine Prioritäten setzen kann und das Land ins
       Chaos geführt hat.“
       
       ## Präsident Rajoelinas schwerste Krise
       
       Es ist die schwerste Krise für [2][Madagaskars Präsident Andry Rajoelina]
       seit seiner Amtsübernahme 2019. Die Proteste spitzten sich zu, als er
       vergangene Woche außer Landes war – in New York zur UN-Vollversammlung.
       
       In der Hauptstadt verhängten die Behörden am Donnerstag eine nächtliche
       Ausgangssperre und kappten das Internet. Die Sicherheitskräfte wurden
       beschuldigt, neben Tränengas auch scharfe Munition gegen Demonstranten
       einzusetzen, die brennende Straßensperren errichtet hatten.
       
       Am Sonntag traf sich der heimgekehrte Präsident mit den Spitzen der
       Sicherheitskräfte und wies sie an, die Ordnung wiederherzustellen. Und er
       wandte sich an die Öffentlichkeit: „Wir entwickeln dieses Land nicht mit
       einer destruktiven Mentalität. Wir sind Aufbauer, keine Zerstörer.“
       
       Der 51-jährige Rajoelina ist seit 2019 Präsident und wurde 2023 zu einer
       zweiten Amtszeit [3][wiedergewählt]. Viele Oppositionsparteien
       boykottierten und zweifelten hinterher seinen Wahlsieg mit knapp 59 Prozent
       der Stimmen an.
       
       Doch Rajoelina ist schon viel länger in der Politik aktiv. Als junger
       Unternehmer führte er das Land schon ab 2009 als Übergangspräsident bis
       2014 nach einem [4][Militärputsch gegen den vorherigen Präsidenten Marc
       Ravalomanana]. 2018 gewann er die Präsidentschaftswahlen gegen Ravalomanana
       im zweiten Durchgang.
       
       ## „Meinungsfreiheit ist ein Luxusgut“
       
       Mittlerweile werfen ihm Kritiker vor, das Land von über 32 Millionen
       Einwohnern mit eiserner Faust zu regieren. „Meinungsfreiheit ist heute in
       Madagaskar ein Luxusgut, obwohl Artikel 10 unserer Verfassung sie
       garantiert“, sagt Aktivist Kema Sayan.
       
       Eine im Internet entstandene Menschenrechtsgruppe „WhatsApp Antillaise“ hat
       die staatliche Repression kritisiert. „In Madagaskar werden Menschen
       erschossen, weil sie Wasser und Strom einfordern“, klagte sie. „Die
       Machthaber reagieren mit Repression, Ausgangssperre und Schweigen.“
       
       Die Gruppe zog Parallelen zur Unterdrückung von Protesten in französischen
       Überseegebieten wie Guadeloupe und Martinique – Madagaskar war einst
       französische Kolonie und noch heute hält Frankreich einige Inseln vor
       Madagaskar besetzt. „Wo die Menschen gegen Ungerechtigkeit aufstehen,
       antwortet der Staat mit dem Knüppel statt mit Dialog. Derselbe Kampf,
       dieselbe Missachtung, dieselbe Schande.“
       
       Den Protesten begegnete Rajoelina am Freitag mit der Entlassung des
       Energieministers Olivier Jean-Baptiste. Von New York aus, wo er sich noch
       aufhielt, verurteilte er „Plünderungen und Gewalt“ und sagte: „Ich habe die
       Forderungen der Volksmehrheit gehört.“ Das beruhigte die Lage aber nicht.
       
       ## Probleme mit dem staatlichen Versorger
       
       Der [5][staatliche Strom- und Wasserversorger Jirama] arbeitet ineffizient
       und mit veralteter Infrastruktur und seine Preise decken längst nicht die
       Kosten. Korruption und Missmanagement sorgen für regelmäßige Skandale. Im
       vergangenen Jahr wurde ein ehemaliger Geschäftsführer des Staatsbetriebes
       deswegen verurteilt.
       
       Die schwerste Dürre seit vierzig Jahren verschärft die Lage, da ein
       erheblicher Teil der Stromproduktion des Landes aus Wasserkraft kommt. Im
       armen Süden und Osten des Inselstaates breitet sich Hunger aus, sagen
       internationale Hilfswerke.
       
       Ausländische Diplomaten sind alarmiert. Chinas Botschaft wies ihre
       Staatsbürger an, nur aus dringendem Grund auf die Straße zu gehen und
       Geschäfte zu schließen. Für Montag setzte die US-Botschaft alle
       Konsularaktivitäten aus, in Erwartung erneuter Unruhen.
       
       Mitarbeit: Dominic Johnson
       
       30 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://www.jirama.mg/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mario Rajomazandry
       
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