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       # taz.de -- Sparpolitik in Berlin: Millionen bleiben liegen
       
       > Der Senat spart immer weiter. Gleichzeitig werden Möglichkeiten für
       > Mehreinnahmen kaum genutzt. Dazu gehört die Ahndung des
       > Zweckentfremdungsverbots.
       
   IMG Bild: Unbeliebte Touristen, dreiste Vermieter: Nur ein Bruchteil der Berliner Ferienwohnungen ist auch von den Behörden genehmigt
       
       Berlin taz | Berlin entgehen jedes Jahr Millionenbeträge, weil Wohnungen
       zweckentfremdet und Verstöße kaum geahndet werden. Vor allem fehlende
       Kontrollen sorgen dafür, dass viele Eigentümer mit leerstehenden Wohnungen
       oder der illegalen Vermietung als Ferienunterkünfte davonkommen.
       
       Die größte Kontrolllücke betrifft mutmaßlich die Vermietung von
       Ferienwohnungen. Das 2014 in Kraft getretene Zweckentfremdungsverbot
       untersagt, Wohnungen ohne Genehmigung als Unterkünfte für Touristen
       anzubieten. [1][Nach Schätzungen existieren in Berlin mehr als 38.000
       Ferienwohnungen. Seit 2016 wurden jedoch lediglich 600 Genehmigungen
       erteilt.]
       
       Wer ohne eine Genehmigung vermietet, muss mit Bußgeldern von bis zu 500.000
       Euro rechnen. In der Praxis fallen die Strafen jedoch meist deutlich
       geringer aus – oder sie bleiben ganz aus, wenn die Vermietung unter dem
       Radar der Behörden bleibt.
       
       ## Bezirke gehen unterschiedlich vor
       
       Zuständig für die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots sind rund 70
       Mitarbeitende in den Bezirken. Doch diese gehen höchst unterschiedlich vor:
       Marzahn-Hellersdorf etwa verzichtete lange nahezu vollständig auf
       Kontrollen. 2024 hat der Bezirk erstmals Bußgelder in Höhe von 31.000 Euro
       verhängt, von denen bislang aber nur ein Bruchteil eingetrieben wurde.
       
       Auch in Spandau und Reinickendorf bleiben Verstöße häufig folgenlos.
       Tempelhof-Schöneberg hingegen gehört zu den aktivsten Bezirken und belegt
       regelmäßig Spitzenplätze bei verhängten Bußgeldern. In
       Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte existieren sogar eigene
       Zweckentfremdungsstellen, die vergleichsweise aktiv sind. Trotzdem bleiben
       auch hier viele Verstöße unentdeckt – und [2][mögliche Einnahmen für die
       Landeskasse] ungenutzt.
       
       Andere Städte zeigen dabei, wie konsequente Kontrolle funktioniert. Wien
       etwa hat im Juli 2024 eine eigene „Kontrolle Kurzzeitvermietung“ gegründet.
       Das Team durchforstet Buchungsplattformen, prüft Anzeigen und geht
       Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Wenn ein Verdacht sich erhärtet, rücken
       die Fahnder frühmorgens aus, klingeln sich durch Häuser, sammeln Beweise
       und stellen immer wieder Verstöße fest.
       
       Das Modell zeigt Wirkung: Laut der zuständigen Wiener Magistratsabteilung
       wurden seit Juli 2024 insgesamt 309 Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.
       Inzwischen liegen 83 Bußgeldbescheide vor, die Strafen summieren sich
       bereits auf gut eine Million Euro.
       
       ## Lasche Bußgeldeintreiber
       
       Berlin kämpft aber eben nicht nur mit fehlenden Kontrollen, sondern auch
       mit einer erstaunlichen [3][Laschheit beim Eintreiben der Bußgelder]. So
       hat der Bezirk Mitte 2025 bisher schon mehr als eine Million Euro an
       Bußgeldern verhängt, reingeholt wurden davon aber aktuell gerade mal 12.000
       Euro. Das Bezirksamt verweist darauf, dass zahlreiche Verfahren noch laufen
       und weitere Einnahmen zu erwarten seien.
       
       Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass dieses Problem
       strukturell ist. Seit 2014 wurden berlinweit fast 57.000 Verfahren
       eingeleitet, die verhängten Bußgelder summieren sich auf 11,65 Millionen
       Euro, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf
       taz-Anfrage. Die Bezirke haben davon bisher aber nur 4,64 Millionen
       eingetrieben. Das sind weniger als 40 Prozent.
       
       Zwei Gründe erklären diese Lücke. Zum einen sind viele Verfahren noch nicht
       abgeschlossen. Landet ein Verfahren zum anderen vor Gericht und kommt es
       dort zu einer Verurteilung, fließen die Bußgelder nicht in die
       Bezirkskassen, sondern in den Landeshaushalt.
       
       Wie viel Geld das Land bisher auf diese Weise eingenommen hat, weiß
       offenbar niemand: Die Finanzverwaltung verweist auf Nachfrage der taz auf
       die Stadtentwicklungsverwaltung, die ihrerseits keine Auskunft über die
       Höhe der eingetriebenen Gelder geben kann. Sicher ist nur, die Bezirke
       tragen den Aufwand für die Bußgeldverfahren, die Einnahmen der gerichtlich
       festgesetzten Bußgelder werden jedoch an anderer Stelle verbucht.
       
       ## Ausnahme Neukölln
       
       Neukölln ist hier offenbar eine Ausnahme: Nach eigenen Angaben hat der
       Bezirk nahezu 100 Prozent der verhängten Bußgelder auch eingetrieben. Stand
       Ende Juni sind demnach von den seit 2016 verhängten Bußgeldern in Höhe von
       mehr als 1,1 Million Euro nur rund 15.000 noch nicht bezahlt.
       
       Doch selbst wenn – wie im Fall Neuköllns – Bußgelder konsequent vollstreckt
       würden, entgehen den öffentlichen Kassen weitere Einnahmen, weil sich der
       Markt längst neue Schlupflöcher gesucht hat: [4][möblierte Wohnungen auf
       Zeit]. Sie werden für einige Monate vermietet, oft zu deutlich höheren
       Preisen als unmöblierte Wohnungen. Für Mieter bedeutet das: Sie zahlen weit
       mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete, ohne Anspruch auf dauerhaften
       Mieterschutz.
       
       In Milieuschutzgebieten läuft diese Praxis dem Ziel der sozialen
       Erhaltungsordnung zuwider, die dauerhaften, bezahlbaren Wohnraum für die
       Berliner sichern soll. Niklas Schenker, der wohnungspolitische Sprecher der
       Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sagt der taz: „Die Bezirke können die
       möblierte Vermietung von Wohnungen innerhalb von Milieuschutzgebieten
       unterbinden. Der Senat muss endlich entschlossen gegen möblierten
       Mietwucher vorgehen.“
       
       Die Linke fordert zudem eine zentrale Taskforce mit mindestens 100 Stellen,
       die berlinweit gegen Zweckentfremdung, möblierte Vermietungen und
       Mietwucher vorgeht – koordiniert, schnell und mit klaren Zuständigkeiten.
       
       6 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Mayer
       
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