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       # taz.de -- Kurz-Doku „Tradwives“ beim ZDF: Hübsche, junge Kulturkämpferinnen
       
       > In den USA sind „Tradwives“ ein Trend und die Übergänge zum Trump-Lager
       > fließend. Die ZDF-Doku kratzt allerdings nur an der Oberfläche.
       
   IMG Bild: Tradwive Alexia Delarosa verdient dank Social Media gutes Geld
       
       KNA | Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm, die kocht und backt. Ihr Mann
       gibt ihr einen Kuss, bevor er zur Arbeit fährt. Auf dem Küchentisch stehen
       Blumen, im Schrank hängen hübsche Kleider. Mit diesen zunächst mal recht
       allgemeinen Bildern beginnt eine Doku über die sogenannte Tradwife-Bewegung
       in den USA. [1][Tradwives] – so nennen sich Frauen, die sich als
       „traditionelle“ Ehefrauen und Mütter verstehen und diesen Lebensstil
       propagieren: sich dem Ehemann unterordnen, viel Sex haben, gemeinsam beten.
       
       Gleich die erste Protagonistin der [2][Doku „Tradwives: Sittsam, hübsch,
       perfekt“] ist erfolgreiche Influencerin: über 770.000 Follower auf
       Instagram, mehr als 19 Millionen Likes auf Tiktok. Der Film zeigt, wie sie
       für einen Beitrag lächelnd Milch in einen Topf gießt – und erwähnt en
       passant, dass sie damit rund 18.000 Dollar pro Monat verdient. Damit deutet
       die lediglich 25-minütge Doku eine Dissonanz immerhin an: Frauen, die nach
       außen eine Hausfrauenrolle propagieren, sind in Wahrheit erfolgreiche
       Unternehmerinnen, sobald sie mit Kooperationen und Reichweite Geld
       verdienen. An dieser Stelle hätte eine klare Benennung gutgetan.
       
       ## Widersprüche und ideologische Aufladung
       
       Ebenso, wenn 3.000 junge Frauen zwischen 17 und 19 Jahren an einem Treffen
       der rechtspopulistischen Organisation Turning Point USA teilnehmen und „den
       Feminismus“ ablehnen – obwohl ihnen ohne frühere Frauenrechtsbewegungen
       vermutlich die Möglichkeit fehlen würde, sich überhaupt frei für ihre
       jeweiligen Lebensentwurf entscheiden zu können. Doch hier zeigt sich, wie
       ein vermeintlich privates Lebensmodell ideologisch überhöht wird. Aus dem
       „Privaten“ wird ein „Wir gegen die anderen“. „Die anderen“ – das sind
       angeblich Feministinnen, die für „toxische Weiblichkeit“ stehen, wie es
       eine Kongressteilnehmerin nennt und gleich als größtes Problem des Landes
       bezeichnet.
       
       Auch die Nähe zum Trump-Lager wird sichtbar. Auf dem gleichen Kongress für
       junge Frauen tritt – es ist noch Wahlkampf – Lara Trump, die
       Schwiegertochter des heutigen Präsidenten, auf, spricht offen über die
       bevorstehende Wahl und fragt, wer Donald Trump wählen werde. Jubel brandet
       auf. Das macht deutlich, dass diese Bewegung nicht selten politische
       Überschneidungen nach rechts hat. Immerhin differenziert der Film: nicht
       jede Tradwife ist automatisch rechts. Auch kritische Stimmen finden Platz –
       etwa, wenn die veranstaltende Organisation als „Gelddruckmaschine“
       bezeichnet wird.
       
       Eine zusätzliche Brisanz erhält das Thema durch eine aktuelle Entwicklung,
       die bei der Produktion wohl niemand voraussehen konnte: Der Gründer von
       Turning Point, [3][Charlie Kirk], der in der Doku selbst einen kurzen
       Auftritt hat, wurde bei einer Veranstaltung in Utah am 10. September –
       einen Tag nach der Veröffentlichung der Doku in der Mediathek –
       angeschossen und starb kurz darauf.
       
       ## Fehlende Einordnung
       
       Was der Film aber völlig schuldig bleibt, ist Einordnung. Eine Definition
       von [4][Feminismus]? Fehlanzeige. Bibelstellen, die Paare aus dem
       Zusammenhang reißen, um ihr Rollenmodell zu rechtfertigen, bleiben
       unkommentiert. Auch bei Aussagen wie jener, dass Feminismus und gutes
       Aussehen nicht zusammenpassten, fehlt jeder Widerspruch. Dafür
       romantisieren junge Frauen das vermeintliche Lebensmodell ihrer Großmütter
       und diese „gute alte Zeit“ – ohne dass die Doku auf die Schattenseiten des
       Lebens früherer Generationen verweist.
       
       Immerhin werden einzelne Aussagen als „kontrovers“ markiert, so etwa bei
       einem Ehepaar, das erklärt, weder sie noch er hätten Freunde des jeweils
       anderen Geschlechts. Doch statt diese Aussage zu hinterfragen, wird sie
       einfach stehen gelassen. Auch das Wort „Hater“ fällt, ohne dass zwischen
       Hass und möglicherweise berechtigter Kritik differenziert würde. Solche
       Unschärfen wiederholen sich – und lassen Leerstellen, die der Film hätte
       füllen müssen.
       
       ## Zu wenig Raum für Aussteigerinnen
       
       Erst nach der Mitte des Films gibt es eine andere Perspektive: Eine
       Aussteigerin schildert ihre Erfahrungen. Gerade einmal sieben Minuten
       widmet ihr die Doku, weniger als ein Drittel der Gesamtlänge. Dabei sind
       ihre Aussagen zentral. Sie spricht über enormen Druck, über doppelte Moral
       und wie schwer es ist, aus diesem Lebensstil auszubrechen – vor allem, wenn
       eigene finanzielle Mittel fehlen. Sie nennt den gezeigten Kongresse
       „Gehirnwäsche“, verweist auf die leicht zu durchschauende Fassade mancher
       Tradwife-Influencerinnen und macht auch sichtbar, wie sehr diese Denkweise
       über Generationen weitergegeben wird – wie es auch bei ihrem Ex-Mann der
       Fall war.
       
       Eine Anwältin, die ehemalige Tradwives berät, schildert zudem, dass viele
       Frauen wegen ihrer ökonomischen Abhängigkeit nicht den Mut finden, den
       Schritt ins eigene Leben zu wagen. Deutlich wird auch, wie Ex-Partner Druck
       ausüben können, sei es bei Begegnungen im Rahmen des Sorgerechts oder durch
       subtile Kontrolle. Hier kratzt die Doku an einem hochrelevanten Thema,
       würdigt es aber nicht angemessen.
       
       ## Weitere verpasste Fragen
       
       Auch andere Aspekte bleiben außen vor. Etwa das Rollenbild der Männer als
       Versorger, die genug Geld, Stärke, aber auch die Verantwortung haben, um
       Frau und Kinder zu „tragen“. Welche Belastung dieses Ideal für Männer
       selbst bedeutet, wird nicht thematisiert. Und nur einmal wird eine Tradwife
       mit ihrer eigenen Doppelmoral konfrontiert: Vor großem Publikum ruft sie
       dazu auf, viele Kinder zu bekommen und eine „gute Ehefrau“ zu sein – gibt
       aber selbst zu, weder verheiratet noch Mutter zu sein.
       
       Kritische Fragen zu Altersvorsorge, finanzieller Sicherheit oder dem
       Risiko, wenn der Alleinverdiener stirbt, werden den Frauen im Film nicht
       gestellt. Solche Momente hätte es aber öfter gebraucht.
       
       Wer bisher nichts von dieser Thematik gehört hat, erhält in „Tradwives:
       Sittsam, hübsch, perfekt“ einen guten Überblick. Doch vieles lässt einen
       auch ratlos zurück. Der Film ist einerseits eindrücklich, weil er zeigt,
       wie schnell ein privater Lebensentwurf eine politische Dimension bekommt.
       Gleichzeitig bleibt er unbefriedigend, weil er zentrale Fragen nicht
       stellt, Widersprüche nicht ausreichend auslotet und entscheidende Stimmen
       zu kurz kommen. So bleibt am Ende der Eindruck: ein spannender Einblick –
       aber auch eine verpasste Chance.
       
       12 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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