# taz.de -- Informatik-Unterricht in Hamburg: Für Mädchen nicht so toll
> Ein Schulversuch in Hamburg hat gezeigt, dass Mädchen vom Fach Informatik
> weniger begeistert sind. Eine SPD-Fachgruppe schlägt getrennte Kurse vor.
IMG Bild: Lassen sich vielleicht ohne Jungs besser für Informatik begeistern: Schülerinnen in einer Schule in Schüttorf
Hamburg taz | Als Hamburg die Informatik zum Pflichtfach ernannte, gab es
viele Bedenken. Denn für das Fach [1][fallen andere Stunden weg], welche es
sind, sollen die Schulen selbst entscheiden. [2][Ein Pilotprojekt], das im
Schuljahr 2024/25 an sieben Schulen durchgeführt wurde, weist nun auf ein
weiteres Problem hin. Der Versuch sei gelungen, antwortet der Senat auf
eine [3][Anfrage der Linken], aber er schränkt ein: „Allerdings erreicht
der Informatikunterricht noch nicht die Schülerinnen im gleichen Maße wie
die Schüler.“ Deshalb würden nun die Lehrkräfte fortgebildet, um den
Unterricht „gendergerecht“ zu gestalten.
Die Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB) der Hamburger SPD hatte dieses
Problem bereits geahnt. Deshalb stellte sie bereits im Juni 2023 einen
[4][Antrag für einen besonderen Schulversuch]. Ein Jahr lang sollte in
Hamburg in jedem Stadtteil die „Aufhebung der Koedukation im neu
eingeführten Pflichtfach Informatik“ ausprobiert werden. Das Ziel sei es,
„in der Pubertät den leichten IT-Vorsprung der Jungen gepaart mit
alterstypischem Dominanzverhalten durch getrennten Anfangsunterricht so
lange auszugleichen, bis sich die Lernniveaus egalisiert/stabilisiert
haben“, heißt es in dem Antrag. Dieser wurde vom Parteitag jedoch
abgelehnt.
## Parität längst noch nicht erreicht
Sie glaube, viele hätten den Antrag so gelesen, dass die AfB generell den
gemeinsamen Informatikunterricht von Jungen und Mädchen aufheben wolle,
sagte die AfB-Vorsitzende Dora Heyenn in ihrer Begründung. „Dem ist nicht
so! Wir fänden es hilfreich, wenn in ausgesuchten 7. Klassen, für eine
begrenzte Zeit von mindestens einem Jahr, geschlechtergetrennt Informatik
unterrichtet wird.“ Der Versuch solle wissenschaftlich begleitet werden, um
zu sehen, ob dies ein Weg ist, Geschlechterparität in diesem Fach zu
erreichen.
Denn Parität sei noch längst nicht erreicht, sagt Heyenn und verweist auf
eine [5][Studie der Nixdorf-Stiftung]. Demnach ist in Sachsen und
Mecklenburg-Vorpommern, wo Informatik bereits in der Mittelstufe
Pflichtfach ist, der Anteil der Mädchen in späteren Oberstufen-Kursen zwar
höher als anderswo. Mit 30 Prozent liegt er aber immer noch weit unter dem
Anteil der weiblichen Schülerschaft in den Oberstufen.
„Ich betrachte eine Quote von 30 Prozent nicht als ausgeglichen“, sagt
Heyenn, die selbst Lehrerin für Biologie und Chemie war, gegenüber der taz.
„Es ist also nicht ausgemacht, dass allein verpflichtender
Informatikunterricht den gleichen Zugang bei Jungen und Mädchen herstellt.“
Die [6][Fachgruppe für Informatische Bildung in Hamburg und
Schleswig-Holstein] der Gesellschaft für Informatik hält gar nicht viel von
einer Aufhebung der Koedukation. „Es ist wichtig, einen spielerischen und
kreativen Unterricht zu machen, um für Informatik zu begeistern“, sagt ihr
Sprecher Moritz Kreinsen. „Aber eine Trennung von Jungen und Mädchen würde
Stereotype verstärken und sagen: ‚Wir stecken euch in Schubladen‘.“
Stattdessen sollten Lehrkräfte im Unterricht mit Binnendifferenzierung und
Raumkonzepten dafür sorgen, dass auch die Mädchen gleichberechtigt lernen
und Interesse an Informatik entwickeln können.
## Behörde sieht keine „technischen Probleme“
Die Hamburger Schulbehörde ist einem neuen Versuch gegenüber nicht
abgeneigt. Die Aufhebung der Koedukation in den
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern werde gesellschaftlich
kontrovers diskutiert, sagt deren Sprecherin Ulrike Klettner. „Zwar gibt es
positive Erfahrungen damit, aber einen wissenschaftlichen Konsens gibt es
hierzu bislang noch nicht.“
Im Pilotjahr an sieben Schulen habe sich gezeigt, dass sich das Fach gut in
den Stundenplan integrieren lässt und die Fachrahmenpläne „motivierend“
sind. „Es gab keine technischen Probleme“, sagt Klettner. Viele der
anfänglichen Sorgen hätten sich als unbegründet erwiesen. Bei einer
anschließenden Befragung zeigte sich allerdings, dass Mädchen das Fach
nicht ganz so positiv wahrnahmen wie Jungen.
Dies sei ein bundesweites Phänomen und Gegenstand fachdidaktischer
Forschung, sagt Klettner. In der Fachwelt bestünde aber Uneinigkeit
darüber, ob eine stärkere Differenzierung des Unterrichts sinnvoll ist oder
ob man nicht im Gegenteil alle Kinder gleich behandeln und implizite
männliche Normen aufbrechen sollte.
## Schwerpunkt auf Zugehörigkeitsgefühl und Interesse
Die Schulbehörde empfiehlt den Schulen Ansätze wie das „PECC-Modell“ der
[7][Informatik-Didaktikerin Bernadette Spieler]. Es steht für „Playing,
Engagement, Creativity, Creating“. Dabei werden Spiele selbst erstellt und
ein Schwerpunkt auf Zugehörigkeitsgefühl, Interesse, Selbstwirksamkeit und
Spaß gelegt. Diese Motivationsfaktoren gelten als wichtig für die spätere
Berufswahl von Mädchen.
Hamburg habe bereits alle wesentlichen Züge dieses Modells in den
Bildungsplan für Informatik integriert, sagt die Sprecherin der
Bildungsbehörde. Nun müsse man die Umsetzung in die Praxis unterstützen.
Wichtig sei es, Geschlechterstereotype zu vermeiden, genderneutrale
Materialien zu verwenden und lebensweltliche Bezüge herzustellen. Zudem
sollte man weibliche Vorbilder einsetzen und Informatik mit anderen Fächern
wie Kunst und Sprachen verknüpfen.
Zum Antrag der AfB erklärt die Schulbehörde: „Die Entscheidung, Kurse nach
Geschlechtern getrennt anzubieten, obliegt in Hamburg den Schulen.“ Sollte
sich eine Schule dafür entscheiden, würde die Behörde eine solche
Pilotierung unterstützen, den Schulen aber „keine Vorgaben machen“.
## Fachverband findet abgekapseltes Fach sinnlos
Allerdings wird [8][aus dem Schulbereich] kritisiert, dass die Behörde beim
Pflichtfach Informatik ohnehin viel den Schulen überlässt. Beispielsweise
[9][die Frage, welche Fächer dafür wegfallen]. Die Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft (GEW) fordert deshalb eine einheitliche Regelung, um
Konflikte in den Kollegien zu vermeiden. Im Pilotjahr traf es am häufigsten
das Fach Geschichte.
Für den von der Behörde angestrebten modernen Unterricht, der mit anderen
Fächern wie Kunst und Sprachen verbunden ist, bräuchten die Lehrkräfte laut
dem [10][Hamburger Fachverband für Kunstpädagogik] mehr Zeit für die
Entwicklung gemeinsamer Konzepte. Die Vorsitzende des Fachverbandes, Nina
Rippel, sagt sogar: „Ein abgekapseltes Fach Informatik macht wenig Sinn.“
18 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] /Neue-Stundentafel-fuer-Hamburgs-Schulen/!6007509
DIR [2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Informatik-als-Pflichtfach-Erste-Hamburger-Schulen-starten-Test,informatik-102.html
DIR [3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/92812/23_00991_pflichtfach_informatik_ab_dem_schuljahr_2025_2026_sind_die_schulen_gut_vorbereit#navpanes=0
DIR [4] https://afb.spd-hamburg.de/fileadmin/hamburg-institutionen/afb/Positionen-Beschluesse/Aufhebung_Koedukation_als_Pilot_in_MINT.pdf
DIR [5] https://www.stifterverband.org/pressemitteilungen/2022_09_07_informatikunterricht
DIR [6] https://fg-sh-hill.gi.de/
DIR [7] https://bernadette-spieler.com/in-german-gendersensible-gestaltung-eines-computational-thinking-kurses-mit-hilfe-des-pecc-modells/
DIR [8] https://www.linksfraktion-hamburg.de/informatik-an-schulen-einfuehrung-des-pflichtfachs-mit-vielen-fragezeichen/
DIR [9] /Informatik-als-Pflichtfach-in-der-Schule/!5890683
DIR [10] https://bdk-online.info/hh/neu-audiomitschnitt-podiumsdiskussion-die-kuenste-und-informatik/
## AUTOREN
DIR Kaija Kutter
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