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       # taz.de -- Umgang mit Wölfen in Brandenburg: „Eine Chance wurde vertan“
       
       > Der Konflikt um eine Abschussquote von Wölfen in Brandenburg wurde nicht
       > entschärft, sagt Axel Kruschat vom BUND nach dem Hearing in Potsdam.
       
   IMG Bild: Meister Isegrim in seinem Habitat
       
       taz: Herr Kruschat, für den BUND waren Sie am Donnerstag beim
       „Wolfshearing“ des Umweltministeriums Brandenburg. Von den Tierhaltern über
       die Jäger bis zu den Umweltverbänden waren über 50 Teilnehmer in Potsdam
       dabei. Ist der Konflikt um die Abschussquote für Wölfe in Brandenburg
       entschärft?
       
       Axel Kruschat: Überhaupt nicht. Was gut an dem Termin war: dass er
       professionell moderiert wurde.
       
       taz: Normalweise verlaufen [1][Wolfsveranstaltungen in Brandenburg] sehr
       hitzig und emotional. 
       
       Kruschat: Das ist diesmal nicht passiert. Auch nach den [2][Verwirrungen um
       den Staatssekretär Gregor Beyer] nicht.
       
       taz: Beyer ist gerade seines Amtes als brandenburgischer Agrar- und
       Umweltstaatssekretär enthoben worden. Er hatte zuvor astronomische Zahlen
       von 1.500 bis 2.000 Wölfen in Brandenburg in Umlauf gebracht und von einer
       möglichen Abschussquote von 15 Prozent gesprochen. 
       
       Kruschat: Genau, und diese Zahlen sind jetzt Gott sei Dank vom Tisch.
       
       taz: Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) hat am Donnerstag die vom
       Wolfsmonitoring des Landesumweltamtes erhobenen Zahlen bestätigt. Danach
       handelt es sich um einen Bestand von knapp 500 Wölfen. 
       
       Kruschat: Wir sind jetzt endlich wieder bei einer wissenschaftlich belegten
       Grundlage. Schlecht an dem Hearing war, dass im Ministerium bereits
       feststeht, dass der Wolf ins Brandenburger Jagdrecht aufgenommen werden
       soll – also bevor das Bundesnaturschutzgesetz geändert worden ist. Das ist
       ein absolutes Unding.
       
       taz: Das bedarf der Erklärung. 
       
       Kruschat: Es gibt eine Populationsgefährdungsanalyse des Bundesamtes für
       Naturschutz. Die besagt, der Wolf kann in Deutschland überleben, wenn die
       Mortalität nicht steigt. Also wenn nicht mehr Wölfe durch Verkehr, illegale
       Abschüsse, Krankheiten und so weiter sterben. Der Abschuss von
       Problemwölfen – die sogenannte Entnahme – ist ja jetzt bereits
       richtigerweise möglich. Eine Jagdquote würde zwangsläufig dazu führen, dass
       diese Mortalität steigt. Die Wahrscheinlichkeit für das Aussterben des
       Wolfes würde sich enorm erhöhen. Deswegen macht es aus
       naturschutzfachlicher Sicht überhaupt keinen Sinn, irgendeine Form von
       Abschussquoten festzulegen.
       
       taz: Nach dem Hearing sagte Ministerin Mittelstädt vor der Presse, es sei
       noch offen, ob es eine generelle Abschussquote geben werde oder regional
       begrenzte Gebiete für die Bejagung von Wölfen ausgewiesen würden. Gemeint
       sind Gebiete, wo vermehrt Risse von Nutztieren stattfinden. Sie persönlich
       tendiere zu Letzterem. 
       
       Kruschat. Ich war bei der Pressekonferenz nicht dabei. Je nachdem welches
       Medium man liest oder sich das RBB-Interview anguckt, variieren
       Mittelstädts Aussagen etwas. Unter dem Strich sind sie im schlechtesten
       Fall aber so zu interpretieren, dass es eine Abschussquote geben soll.
       Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Abschussquote regional begrenzt ist
       oder in ganz Brandenburg stattfindet. Völlig unklar ist, wie dadurch der
       Herdenschutz verbessert werden und das Ganze in Einklang mit dem Natur- und
       Artenschutz gebracht werden soll und auch mit der EU-Rechtsveränderung.
       
       taz: Auf EU-Ebene wurde der Wolf von „streng geschützt“ auf „geschützt“
       heruntergestuft. 
       
       Kruschat: Aber alle Maßnahmen unterliegen der Voraussetzung, dass der
       Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert wird. Und eine
       Quotenjagd bedeutet eindeutig, dass die Population verschlechtert wird.
       Diese ganze Debatte führt meiner Meinung nur zur Verwirrung: Dass es eine
       Tierart gibt, die sowohl im Jagdgesetz als auch im Naturschutzgesetz steht.
       
       taz: Also war das Hearing umsonst? 
       
       Kruschat: Es wurde eine Chance vertan. Es sollte eine Dialogveranstaltung
       werden, wo man alle Interessen und Faktenlagen auf den Tisch packt. Aber
       wenn schon vorher feststeht, der Wolf kommt ins Jagdrecht, fragt man sich:
       Warum noch der Dialog?
       
       taz: Auf der Pressekonferenz hat Mittelstädt gleichzeitig gesagt, man wolle
       die Akzeptanz der Wölfe bei den betroffenen Tierhaltern erhöhen. [3][Der
       Natur- und Artenschutz] dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Wie passt
       das zusammen?
       
       Kruschat: Ich frage mich, wie man das messen will. Bei dem Hearing wurde
       zugegeben, dass es überhaupt keine Erkenntnisse darüber gibt, welche
       Maßnahmen zu mehr Akzeptanz des Artenschutzes des Wolfes führen. Wenn man
       das gar nicht weiß, kann man schlecht sagen, ich ergreife die und die
       Maßnahme, in der Hoffnung, dass sie zu mehr Akzeptanz führt.
       
       taz: Was für Maßnahmen könnten das sein? 
       
       Kruschat: Zum Beispiel, indem die Förderung für den Herdenschutz
       vereinfacht wird. Förderung der Weidezäune, Förderung der Hunde, Förderung
       der Betriebskosten und eine schnelle und sichere Entschädigung bei Rissen.
       
       taz: Das sei alles auch eine Kostenfrage, sagte Mittelstädt dazu vor der
       Presse. 
       
       Kruschat: Natürlich ist das eine finanzielle Frage. Aber wenn man es
       vergleicht mit den Subventionen, die insgesamt in Brandenburg in die
       Landwirtschaft fließen, ist das Geld für den Herdenschutz eine lächerliche
       Summe. Pro Jahr werden allein in Brandenburg für die Agrarförderung
       ungefähr 300 Millionen Euro ausgegeben. Dem gegenüber stehen für den
       Herdenschutz in 2024 ganze 2 Millionen Euro für Prävention und circa
       200.000 Euro für den Schadensausgleich. Also sehr wenig. Ein deutlich
       größeres Problem ist, dass die Tierhalter monatelang auf die Bearbeitung
       ihrer Anträge warten müssen.
       
       taz: Das Hearing war also nur Kosmetik für das Ministerium, um auf
       Durchmarsch machen zu können? 
       
       Kruschat: Es war gut, dass es einen Verständigungsprozess gab, aber die
       Ministerin muss überlegen, ob sie allein den Lobbyinteressen des
       Jagdverbandes nachkommen will oder ob wir uns jetzt mal auf das Machbare
       konzentrieren. Und zwar auf einen vernünftigen Weidetierschutz für die
       Viehhalter.
       
       12 Sep 2025
       
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