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       # taz.de -- Erster Ostkongress der Grünen: Katzendreck vorm Kreisbüro
       
       > Anfeindungen und schlechte Umfragewerte: Die Probleme der Grünen im Osten
       > sind vielfältig. Grüne aus Ost und West tauschten sich, was man tun kann.
       
   IMG Bild: Fühlen sich allein auf weiter Flur: Die Grünen im Osten kämpfen mit Mitgliederschwäche und geringer Zustimmung
       
       Wittenberg taz | Als Tino Gaßmann, Kreissprecher der Grünen im Thüringer
       Unstrut-Hainich-Kreis, am Freitagabend Wittenberg erreicht, hat er viele
       Erwartungen im Gepäck. In Workshops und Podiumsdiskussionen befasst sich
       seine Partei an diesem Wochenende auf einem bundesweiten „Ostkongress“ zum
       ersten Mal intensiv damit, warum die Grünen es auf dem Gebiet der früheren
       DDR so schwer haben.
       
       Rund 480 Mitglieder und Sympathisanten sind wie Gaßmann nach Sachsen-Anhalt
       gereist, die Hälfte der Teilnehmenden kommt nach Parteiangaben aus dem
       Westen. Es sei Zeit, aufeinander zuzugehen, appelliert der Co-Vorsitzende
       der Grünen, Felix Banaszak, bei seiner Eröffnungsrede auf der Bühne.
       
       Auf der anderen Seite des Saals hofft Gaßmann derweil, dass die
       Bundespartei mit dem Kongress endlich mehr Themen aus Ostdeutschland
       aufnimmt: [1][die ungleiche Vermögensverteilung] etwa oder die andere Sicht
       auf den Krieg in der Ukraine in Teilen der Bevölkerung. So erklärt er es
       später der taz. Es brauche konkrete politische Angebote, die die
       ostdeutsche Erfahrung berücksichtigen. „Der Kongress war überfällig“, sagt
       der Thüringer.
       
       Im Unstrut-Hainich-Kreis zählen die Grünen laut Gaßmann etwa 45 Mitglieder.
       Wie vielerorts kämpfen sie mit Anfeindungen. Er zeigt ein Foto. „Wochenlang
       hat uns jemand Katzenkot vor das Büro gekippt.“ Die Polizei habe keinen
       Täter ermitteln können. Gleichzeitig seien die vielen Wahlkämpfe in den
       vergangenen Monaten bei der dünnen Personaldecke eine große
       Kraftanstrengung gewesen. Doch die Belohnung blieb aus.
       
       ## Alibiveranstaltung oder Schwungrad?
       
       Dass die Grünen vergangenes Jahr bei der Landtagswahl in Thüringen an der
       Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, habe unter anderem an der niedrigen
       Akzeptanz der grünen Bundespolitik im Land gelegen, glaubt Gaßmann. Auch in
       [2][Brandenburg schafften es die Grünen nicht ins Parlament.] Nächstes Jahr
       stehen erneut zwei Landtagswahlen in Ostdeutschland an. In Sachsen-Anhalt
       liegen die Grünen laut einer Umfrage derzeit bei 3 Prozent. Zum Vergleich:
       In westdeutschen Bundesländern bekommt die Partei überall mindestens
       doppelt so viel Zuspruch, teilweise sogar deutlich mehr.
       
       Eine Strategie, wie die Partei ihre Ergebnisse im ländlich geprägten
       Ostdeutschland verbessern kann, entwickeln die
       Kongressteilnehmer:innen am Wochenende nicht. Manche äußern die
       Sorge, dass das Ganze nur eine Alibiveranstaltung ohne reale Konsequenzen
       bleibt. Für andere ist der erste Ostkongress der Partei ein Erfolg, der die
       Vernetzung fördere und den ostdeutschen Verbänden Schwung gebe.
       
       Bei einem der Workshops am Samstagmittag tragen einige Grüne
       Herausforderungen zusammen, die vor allem die ländlichen Kreisverbände
       betreffen. Die sind prägend in Ostdeutschland, weil es nur wenige
       Metropolen gibt. Mit dabei ist die 28-jährige Carolin Renner. Sie ist seit
       2022 Sprecherin der 147 Bündnisgrünen im Kreis Görlitz, gelegen ganz im
       Osten Deutschlands an der Grenze zu Polen.
       
       ## Ähnliche Probleme in Ost und West
       
       In der Fläche fühle man sich als Bündnisgrüne oft allein, sagt Renner der
       taz. Der Kongress zeige aber: „Leute, die das Gleiche erreichen wollen wie
       ich und vor ähnlichen Herausforderungen stehen, die gibt es überall.“ Das
       mache ihr Mut.
       
       Egal, ob Ost oder West, fast alle Kreisverbände kämpfen mit ähnlichen
       Problemen: Das Geld ist knapp und das Wissen darüber, wie man in der Partei
       zusammenarbeitet, ist lückenhaft.
       
       Tino Gaßmann, der Kreisvorsitzende aus Thüringen, besucht am Nachmittag
       eine Podiumsdiskussion zur Wirtschaftspolitik. Sein Eindruck vom
       Grünen-Kongress? „Das war schon sehr konkret“, sagt er nach der
       Veranstaltung der taz. Bei der Zuwanderung von Arbeitskräften in Thüringen
       sehe er Schnittmengen zwischen den Zielen der Grünen und den Wünschen von
       Unternehmen.
       
       „Der Kongress ist eine gelungene Veranstaltung, aber daraus muss nun eine
       langfristige Strategie folgen, für die Partei und ihre Politik“, glaubt
       Gaßmann. Das sei Aufgabe der Parteispitze. Kann die das? Immerhin sind die
       beiden Co-Vorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak beide
       „Wessis“. Gaßmann überlegt kurz. „Ich traue ihnen das zu, aber es wird
       nicht einfach.“
       
       14 Sep 2025
       
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