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       # taz.de -- Grüne fragen nach Klimaprogramm: Bundesministerien noch ohne Klimaschutz-Plan
       
       > Die Regierung muss ein Klimaprogramm vorlegen, aber ihre Mitglieder
       > können keine Vorhaben nennen. Extremwetter kam Europa im Sommer teuer zu
       > stehen.
       
   IMG Bild: Planlos und unverbindlich, so sieht's aus und so steht's es um die Klimaschutzprogramme der Regierung
       
       Berlin taz | Noch kann kein Bundesministerium sagen, was es zum
       Klimaschutzprogramm der Bundesregierung beitragen will. Das zeigt eine
       Befragung der grünen Bundestagsfraktion, die in jedem Fachausschuss die
       zuständigen Ministerien um Auskunft gebeten hat. Die Ergebnisse liegen der
       taz vor.
       
       Die Bundesregierung ist gesetzlich dazu verpflichtet, innerhalb des ersten
       Jahres der Legislaturperiode ein Klimaschutzprogramm vorzulegen. Darin muss
       sie angeben, wie sie die Klimaziele bis 2030, 2040 und 2045 – dem Jahr der
       Klimaneutralität – erreichen will.
       
       Die Maßnahmen der einzelnen Ministerien sollen laut Gesetz in anderthalb
       Wochen, am 25. September, auf dem Schreibtisch von Umwelt- und
       Klimaminister Carsten Schneider (SPD) liegen, damit sein Haus das
       gemeinsame Klimaschutzprogramm aufstellen kann. Was in den Beiträgen der
       Ministerien stehen werde, konnten die zuständigen Staatssekretär*innen
       auf Nachfrage der Grünen in den Ausschüssen aber nicht genau beantworten.
       
       „Ich bin erschüttert, wie blank die Ministerien sich bei der Vorbereitung
       des Klimaschutzprogramms in den Ausschüssen gezeigt haben“, sagte Julia
       Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, der taz. „Wer
       sich zwei Wochen vor Torschluss so ideenlos zeigt, von dem ist kein
       Klimaschutzprogramm zu erwarten, welches dem gesetzlichen Anspruch gerecht
       wird.“
       
       ## Koalitionsvertrag reicht nicht aus für Klimaziele
       
       Deutschland hat beim Klimaschutz mehrere Felder mit Nachholbedarf: Bis 2030
       reißen der Gebäude- und der Verkehrssektor [1][dem Expertenrat Klima
       zufolge die gesetzlichen Emissionsziele deutlich]. Besorgniserregend sind
       auch die Emissionen aus dem Landnutzungssektor. Wälder, Moore und Co werden
       2030 netto 63 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen, obwohl sie laut
       Klimaschutzgesetz 35 Millionen Tonnen CO2 binden sollen. Die zuständigen
       Ministerien für Verkehr, Bauen, Landwirtschaft und Umwelt müssten also
       besonders ambitionierte Maßnahmen vorlegen.
       
       Das Verkehrsministerium von Patrick Schnieder (CDU) hatte im Juni ein
       Gremium zusammengestellt, das unter dem Namen „Expertenforum
       klimafreundliche Mobilität und Infrastruktur“ die Klimaschutzmaßnahmen des
       Koalitionsvertrags im Verkehrssektor bewerten sollte. [2][Die Fachleute
       kamen zu dem Schluss, dass der Koalitionsvertrag nicht ausreiche], damit
       Straße, Schiene, Schiff- und Flugverkehr ihre gemeinsamen Klimaziele
       einhalten können.
       
       Auch der Expertenrat Klima, der die Bundesregierung in Klimafragen berät,
       urteilte im Mai, dass vom Koalitionsvertrag „kein nennenswerter positiver
       Impuls“ ausgehe. Für den Zeitraum zwischen 2031 und 2040 werde Deutschland
       auf dem aktuellen Pfad 20 Prozent mehr CO2 ausstoßen, als es laut
       Klimaschutzgesetz darf. Das Ziel, 2045 klimaneutral zu sein, sei mit einem
       „Weiter so“ ebenfalls nicht erreichbar.
       
       „Wenn wir heute nicht mehr tun und mehr investieren, werden wir 2045 nicht
       klimaneutral sein“, sagte die Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf bei der
       Vorstellung des Berichts des Expertenrats.
       
       Stattdessen schiebe „das eine Haus die Verantwortung auf das andere, werden
       Wunschträume geäußert, dass der Emissionshandel alles richten wird und als
       Sahnehäubchen wird Wasserstoff aus Atomstrom als Lösung genannt“,
       berichtete Verlinden aus den Ausschüssen. Sie kündigte einen „Herbst des
       Klima-Widerstands im Bundestag“ an, in dem die Grünen „konkrete
       Alternativen“ präsentieren wollen.
       
       Das Bundesumweltministerium wollte sich nicht zur Befragung der Grünen
       äußern und verwies darauf, dass die Frist für die Programme der Ministerien
       noch nicht abgelaufen sei. Ein Sprecher bekräftigte aber, dass
       Umweltminister Schneider weiterhin ein Klimaschutzprogramm noch in diesem
       Jahr vorlegen wolle.
       
       ## Gigantische Klimafolgekosten in Südeuropa
       
       Die Folgen von unzureichendem Klimaschutz zeigten sich im Sommer in Europa.
       Die Folgen von Extremwetter schlugen innerhalb der Europäischen Union von
       Juni bis August mit Schäden in Höhe von 43 Milliarden Euro zu Buche. Bis
       2029 könnten die Folgen der diesjährigen Hitzewellen, Dürren und
       Überflutungen 126 Milliarden kosten. Das berechneten Forscher*innen der
       Universität Mannheim und der Europäischen Zentralbank.
       
       Die kurzfristigen Kosten überstiegen demnach in Zypern, Griechenland, Malta
       und Bulgarien mehr als ein Prozent der über den Sommer erbrachten
       Wirtschaftsleistung. Auch Portugal, Spanien und Italien wurden laut der
       Studie stark getroffen, obwohl die Rekord-Waldbrände vom August gar nicht
       in die Berechnung einflossen.
       
       Für die längerfristigen Kosten der Wetterextreme betrachteten die
       Forscher*innen nicht nur die unmittelbare Zerstörung, sondern [3][auch
       indirekte Effekte]. Zum Beispiel können Bauarbeiter*innen während
       Hitzewellen weniger lang arbeiten oder Pendler*innen nicht zur Arbeit
       kommen, wenn Bahnschienen überflutet sind.
       
       15 Sep 2025
       
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