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       # taz.de -- Einst Israel-solidarische St.-Pauli-Fans: Die Stimmung kippt gegen Netanjahus Krieg
       
       > Erstmals positioniert sich die größte Fangruppierung beim FC St. Pauli
       > gegen Israels Töten in Gaza. Der Verein lässt sie gewähren.
       
   IMG Bild: Richtungswechsel: St. Paulis Ultras fordern ein Ende des Tötens in Gaza
       
       Hamburg taz | Bei den Fans des FC St. Pauli kippt die Stimmung gegen
       Israels Kriegsführung im Gaza-Streifen. Die größte Fangruppierung Ultrà St.
       Pauli zeigte vor dem 2:1-Heimsieg gegen den FC Augsburg am
       Sonntagnachmittag ein strafraumbreites Banner mit der Aufschrift „Netanjahu
       Fascist! Stop Killing Civilians in Palestine!“.
       
       Das ist insofern bemerkenswert, als der Verein und große Teile der
       [1][links geprägten Fanszene] sich als solidarisch mit Israel verstehen.
       Mit dem Verein Hapoel Tel Aviv besteht eine Fanfreundschaft. Nicht nur
       deshalb hatten Verein und Fans nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel
       am 7. Oktober 2023 Mitgefühl und Solidarität bekundet.
       
       Dass die Ultras nun den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu
       als Faschisten bezeichnet haben, markiert eine Wende beim Thema Palästina.
       Denn die Gruppierung steht traditionell der antideutschen Szene nahe, die
       sich bedingungslos an die Seite des Staates Israel stellt. In Hamburgs
       radikaler Linker ist das eine starke Strömung, die sich rund um das
       besetzte Autonome Zentrum [2][Rote Flora] kristallisiert.
       
       Unter den St.-Pauli-Fans bleibt das Thema umstritten, wie am Sonntag
       Transparente in anderen Tribünenbereichen zeigten. So pflichteten etwa Fans
       den Ultras bei mit einem Banner „Stop warcrimes in Gaza!“, also „beendet
       Kriegsverbrechen in Gaza“. Andere versuchten ein Gegengewicht zu setzen,
       mit dem Slogan „Free the hostages“, also „Befreit die Geiseln“, die die
       Hamas noch immer in ihrer Gewalt hat.
       
       ## Likud und Hamas auf einer Stufe
       
       Als Kompromissangebot kann gelten „Fuck Likud – Fuck Hamas“, das die
       Terrororganisation auf eine Stufe mit Netanjahus Regierungspartei stellt –
       mit dem sehr allgemeinen Zusatz „Freiheit für alle Unterdrückten“. Die
       vertretenden Meinungen bildeten ein Gleichgewicht zwischen Solidarität mit
       der palästinensischen Zivilbevölkerung und einer klaren Kante gegen
       Antisemitismus.
       
       Wenngleich sich die organisierte Fanszene zuvor nie so eindeutig gegen das
       Vorgehen der israelischen Regierung gestellt hatte, sind
       propalästinensische Statements am Millerntor keine Neuigkeit. Beim ersten
       Heimspiel der Saison gegen Dortmund wurde ein „Ceasefire Now!“-Transparent
       gezeigt, also „Waffenstillstand jetzt!“, beim Saisonfinale wurde gefordert,
       Israel die „Rote Karte“ zu zeigen.
       
       Beim Heimspiel gegen Stuttgart im Mai hatten Ordnungskräfte während der
       Halbzeitpause ein Transparent mit der Aufschrift „Genozid in Gaza stoppen“
       beschlagnahmt. Das im Anschluss veröffentlichte [3][Vereinsstatement blieb
       recht vage], gelobte auf der einen Seite, die Meinungsfreiheit zu
       respektieren, sprach sich aber auch gegen „polarisierende Schlagworte“ aus.
       
       ## Kritik am Kapitän wegen Palästina-T-Shirt
       
       Nach den Ereignissen vom Wochenende hat der Verein keine öffentliche
       Stellungnahme abgegeben. Offenbar scheint ihm die Bezeichnung von Netanjahu
       als „Faschist“ eher von der Meinungsfreiheit gedeckt als der
       „Genozid“-Vorwurf gegen Israel.
       
       Zuletzt hatte es um das Thema Kontroversen gegeben, als St. Paulis Kapitän
       Jackson Irvine sich bei einem Konzert mit einem T-Shirt des fiktiven „FC
       Palestina“ hatte fotografieren lassen. Darauf war auch stilisiert das
       Gebiet Palästinas abgebildet, unter Einschluss des heutigen Israel.
       
       Aus der Fanszene waren danach vereinzelt Vorwürfe erhoben worden, Irvine
       würde damit Israel das Existenzrecht absprechen. Der Verein hatte damals
       keinen öffentlichen Kommentar abgegeben, aber angekündigt, mit Irvine zu
       sprechen. Irvine selbst zeigte sich später verletzt von
       Antisemitismus-Vorwürfen. Er habe lediglich auf das Leid der Menschen in
       Gaza aufmerksam machen wollen.
       
       15 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politik-im-Stadion/!6082100
   DIR [2] /Nahost-Konflikt-in-der-linken-Szene/!6007672
   DIR [3] https://www.fcstpauli.com/news/gemeinsamkeiten-statt-unterschiede-sehen-und-mitverantwortung-ubernehmen?utm_campaign=Vereinsnewsletter&utm_medium=email&_hsmi=360737097&utm_content=360737097&utm_source=hs_email
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fridolin Haagen
       
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