# taz.de -- Die Wahrheit: Möbel fürs Paradies
> Neues aus Neuseeland: Wer in Aotearoa unfreiwillig oder freiwillig
> strandet, merkt schnell: Auch im vermeintlichen Paradies gibts was zu
> kritisieren.
In Kiwi Country anzukommen ist bereits ab der Passkontrolle am Flughafen so
herzlich entspannt und von Maori-Gesängen und Vogelgezwitscher vom Band
begleitet, dass man sich als Immigrantin noch lange verzaubert in falscher
Sicherheit wiegt. Denn das grüne Paradies hat düstere Schattenseiten. Die
hat jetzt ein Auswandererpodcast schonungslos enthüllt.
Jenny Jakobeit von dem Podcast „Holy Sheep Neuseeland“ hörte sich bei
Deutschen in Aotearoa um und stellte mutig eine Liste aller Kritikpunkte
zusammen. Endlich durften wir eingewanderten Germanen mal ungeniert unsere
Meinung äußern, denn das haben wir uns im Zuge der Assimilierung mühsam
abgewöhnt. Auch das Nicht-mehr-meckern-Können gehört zu den „50 Dingen, die
Deutsche an Neuseeland kritisieren“.
Unter den Top Ten: Trinken bis zum Umfallen. Kulinarischer Kummer, da kein
echtes Wiener Schnitzel weit und breit. Brot ist eine gänzlich andere
Spezies als daheim, nämlich knautschiger Toast. Und dann die Kartoffeln,
bleich und wässrig. Nur noch untertroffen vom Pie, dem antipodischen
Pasteten-Pendant zur Currywurst.
Auch mit der hiesigen Wohnkultur tut unsereins sich schwer: Keine
doppeltverglasten Fenster, dafür schlecht isolierte Häuser ohne Heizung, in
denen man winters mit Wollmütze schlafen geht. Doppelwasserhähne, aus denen
links nur eiskaltes und rechts nur brühend heißes Wasser fließt. Wer
mietet, statt zu kaufen, darf nicht mal Nägel in die Wände hämmern.
## Breites Plüschsofa und fertig
Und dann der Stil! Was ich kaum zu denken wage, sprach einer der Kritiker
beherzt in Jakobeits Mikrofon: Kein Geschmack bei der Einrichtung. Ein
breites Plüschsofa, Teppichboden, fertig. Die Journalistin fing diesen
Tiefschlag diplomatisch mit dem Hinweis auf, dass der Mangel an modernen
Möbeln sicher daran läge, dass es bei uns noch immer kein Ikea gibt.
Die Hoffnung für alle, die in schäbigem Dekor still vor sich hin leiden:
Das wird sich bald ändern! Nicht das Pie-Fressen und Binge-Drinking, aber
zumindest die Wohnlandschaft. Denn das unmögliche Möbelhaus schafft den
transpazifischen Sprung nach Aotearoa. Ikea kommt nach Auckland – seit
sechs Jahren angekündigt; im Dezember ist die Eröffnung. Noch drei Monate
tapfer durchhalten.
Auf zwei Stockwerken mit 34.000 Quadratmetern und 500 Angestellten finden
wir dann nach jahrzehntelangem Verzicht auf Kötbullar und Billy-Regalen
endlich Anschluss an den Rest der Welt. Um die einheimischen Bedürfnisse zu
bedienen, hat Ikea vorab Hunderte Haushalte befragt und erfuhr, dass 93
Prozent der Garagen im Lande nicht für Autos benutzt werden. Ob für
Crystal-Meth-Labore, blieb offen.
Die Invasion geht aber noch viel weiter. 27.000 Hektar neuseeländisches
Farmland wurden in den letzten Jahren nach und nach von den Schweden
aufgekauft, um Kiefernplantagen anzulegen. Weniger Schafe, aber mehr Holz?
Darüber dürfen jetzt die Kiwis meckern.
18 Sep 2025
## AUTOREN
DIR Anke Richter
## TAGS
DIR Neuseeland
DIR Ikea
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