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       # taz.de -- Steinmeiers Sozialstaatsmahnungen: Neoliberaler Pastor
       
       > Der Bundespräsident fordert eine Reform des Sozialstaats. Seine Thesen
       > sind wohlig verpackt, atmen aber den Geist der Agenda 2010.
       
   IMG Bild: In sanftem Ton predigt Frank-Walter Steinmeier den Sozialabbau
       
       Kurz vor Weihnachten 2002 wurde aus dem Kanzleramt [1][ein Thesenpapier
       lanciert], das es in sich hatte und die Grundlage der späteren „Agenda
       2010“ bildete. Autor: Gerhard Schröders Kanzleramtschef Frank-Walter
       Steinmeier. Es folgte: der Zwang für Arbeitslose, unabhängig von ihrer
       Qualifikation jeden Job anzunehmen, die Etablierung eines unter den reichen
       Volkswirtschaften einmaligen Niedriglohnsektors, soziale Massenproteste und
       eine SPD, die unter einem Massenexodus litt.
       
       Heute fühlt sich Steinmeier wieder bemüßigt, in die aktuelle
       Sozialstaatsdebatte einzugreifen. Dieses Mal aber hat er seine Forderungen
       [2][bei einer Rede in Erfurt diese Woche] in wohlig-staatstragende
       Präsidentenworte verpackt. Natürlich mit dem rhetorischen Kniff, erst mal
       das Positive herauszustellen: „Unser Sozialstaat ist ein Schatz.“
       
       Aber die Punkte, die Steinmeier wohlig verpackt, haben es in sich: Der
       Sozialstaat sei „nicht dazu da“, die Lebenslagen von Normalverdienern
       leichter zu machen. Wirklich nicht? Die schmutzigen Details, was das
       konkret bedeutet (Streichung des Elterngeldes? Streichung der
       steuerfinanzierten Rentenleistungen?), überlässt Steinmeier natürlich der
       Tagespolitik. Bei der Rente mahnt Steinmeier in scheinbar sanftem Ton an,
       dass „gegebenenfalls ergänzende Säulen hinzugefügt werden“ müssten, um
       diese Systeme „zukunftsfähig“ zu machen. Er hätte auch Klartext reden
       können: Steinmeier will eine kapitalgedeckte Rentensäule, was bedeutet, das
       Risiken auf den Einzelnen abgeladen werden und diese Rente von den Launen
       des Kapitalmarkts abhängig ist.
       
       Kein Wort verliert Steinmeier über die eklatante Vermögensungleichheit in
       Deutschland, obwohl einem von der SPD gestellten Bundespräsidenten klar
       sein sollte: Wer über den Reformbedarf des Sozialstaats redet, sollte über
       absurde Ausnahmen bei der Besteuerung von hohen Erbschaften und eine damit
       zementierte Ungleichheit nicht schweigen. Aber Steinmeier bleibt sich treu,
       er ist und bleibt ein Neoliberaler im Gewand des säuselnden evangelischen
       Pastors. Das Gute ist: Er befindet sich nicht mehr an den Schalthebeln der
       Macht.
       
       18 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2002/2002-12-20-Agenda-2010-Kanzleramtspapier.pdf
   DIR [2] https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2025/09/250916-deutscher-fuersorgetag-erfurt.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gunnar Hinck
       
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