# taz.de -- Klöckner, Benko und Lecornu: Einfach die Völker tauschen
> Frankreich und Deutschland fällt mal wieder nur Sozialabbau ein. Trump
> und Putin treffen sich zum Buddytalk und der Bundestag soll
> familienfreundlich werden.
IMG Bild: Sind 14 Prozesse schon genügend Stoff für eine Netflix-Serie?
taz: Was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Das Stadtbild von Brilon.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Merz wird erwachsen.
taz: Die Rückgabe der Leichen von Hamas-Geiseln sorgt für Spannungen.
Israel droht, die Kämpfe wieder aufzunehmen. Haben wir uns zu früh gefreut?
Küppersbusch: Wir wussten aus der Waffenruhe vom Januar, dass nichts
funktioniert – außer der Zusammenarbeit der Irren beider Lager. Netanjahus
rechtsextremistische Minister fordern bereits, den Krieg weiterzuführen;
Präsident Trump behauptet Aggressionen der Hamas. Schon mit den Angriffen
auf Iran und erst recht Katar hatte Israel seinen Schutzherrn USA
teilblamiert. Trumps Lehre daraus scheint, Netanjahu eine goldene Brücke zu
Begnadigung und Wiederwahl anzubieten. Die Gegner von Netanjahus Krieg
sollen sich also Netanjahu wünschen. Da freut man sich eher zurückhaltend.
taz: Lecornu setzt in Frankreich die Rentenreform aus und übersteht zwei
Misstrauensanträge. Alles gut in Paris?
Küppersbusch: Die Regierungen könnten einfach die Völker tauschen: Die
Franzosen gehen mit 64 in Rente, wir mit 67; sie bekommen 74 Prozent vom
letzten Netto, bei uns sind vorerst 48 Prozent garantiert. Deutsche
RentnerInnen stünden also deutlich besser da – dafür hätte die französische
Regierung endlich ein Volk, das jeden Scheiß mitmacht. Frankreich hat
Rekordschulden, Deutschland Rekordangst vor Schulden.
Immerhin gemein, nachgerade sehr gemein ist beiden, dass ihnen zu alledem
am liebsten [1][Sozialabbau] einfällt, und wenn das nicht klappt, dann halt
gar nichts. Lecournu führt nun eine Reformregierung um den Preis, dass sie
keine Reform macht. Ungefähr jeder mögliche Koalitionspartner will
Neuwahlen und selbst Präsident werden. Eine rechtsextreme Regierung droht.
Nicht sehr tröstlich, aber: Frankreich ist das Deutschland, das seinen
Teller nicht leer gegessen hat.
taz: US-Präsident Donald Trump will Kremlchef Wladimir Putin in Budapest
treffen. Wird er ihm wieder den roten Teppich ausrollen?
Küppersbusch: Noch mal in Slomo: Treffen sich ein US-Präsident, ein
EU-Regierungschef und Putin in Ungarn. Noch vor Jahren wäre „Gipfel der
Antidemokraten“ eine durchaus frivole Schlagzeile gewesen. Heute ist es
Fakt und entsprechend unberechenbar: [2][Trump hat damit kokettiert, der
Ukraine „Tomahawk“ zu liefern] und Angriffe und Rückeroberungen zu
befeuern. Um dann wieder aus zwei Stunden Buddytalk verlauten lassen, man
könne doch vielleicht nach der Krim auch die Oblast Donezk abschenken, etwa
das Ruhrgebiet der Ukraine. Putin begeht einfach weiter seine Verbrechen
und schaut zwischendurch mal, was er gerade dafür bekommen könnte.
Hochrangige Gipfel auf jeden Fall.
taz: Julia Klöckner will den Bundestag familienfreundlicher gestalten.
Poliert da jemand sein Image?
Küppersbusch: [3][Das erste im Bundestag gestillte Baby] – Hinterbank,
verschämt, und Guido Westerwelle musste erst indignierte Saaldiener
verscheuchen – ist schon 16 Jahre alt. Auch mal eine schöne Erinnerung an
die FDP; die stillende Mutter kam aus ihren Reihen. Klöckner zielt auf mehr
ab: kürzere Sitzungen, mehr Online-Teilnahme für junge Eltern, mehr
Heimreisepausen im Sitzungskalender. Und das ist ja dann eines Tages so
ähnlich: Who the fuck is Klöckner, die Vernunft ist nicht wählerisch bei
ihrem Weg zum Erfolg.
taz: Die Union hält am Losverfahren bei der Wehrpflicht fest. Süchtig nach
Glücksspiel?
Küppersbusch: [4][Dienst durch Los] gab es seit der deutschen
Reichsgründung, auch in den 1950ern wurden nur 30 bis 40 Prozent jedes
Jahrgangs gebraucht und durch Los bestimmt. Willy Brandt verlängerte dann
den Wehrdienst und straffte das Zivildienstwesen, um mehr Wehrgerechtigkeit
zu schaffen. Also ein alter Helm, und dass die Union das Pistorius-Konzept
von der Freiwilligkeit nicht wenigstens erst mal testen will, mag
kurzfristig erzwingen, dass der Sozi-Popstar von „tauglich 1“ auf 2 oder 3
runtergestuft wird. Mit ein, zwei Stunden Ampelkunde wüssten die schwarzen
Querulanten allerdings, dass sie da friendly fire auf die eigenen Truppen
ballern.
taz: Der Ex-Unternehmer René Benko wurde im ersten von 14 Prozessen wegen
Insolvenzbetrugs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sind 14 Prozesse schon
genügend Stoff für eine Netflix-Serie?
Küppersbusch: Wo ist denn da der love interest? Fragen solche Plattformen
die Produzenten notorisch, und das wird noch mal ein Stück Recherche,
jemanden zu finden, der René Benko so richtig lieb hat. Ja klar, jede Menge
korrupte und rechtslastige Politiker, doch das ist nicht die romantische
Verheißung, die es zur Filmfinanzierung braucht. Benko könnte das bezahlen,
mit gelogenem Geld, Prozess Nr. 15.
taz: Die taz druckt ihre Tageszeitung nicht mehr. Auf welche Zeitung
sollten Hundebesitzer*innen und Umzugsfirmen ausweichen?
Küppersbusch: Meine vorausschauende Gefährtin hat die letzten Monate taz in
einem Karton gesammelt. Ihr seht uns damit in ein paar Jahren bei „Bares
für Rares“. Die FAZ, die Süddeutsche, der Guardian und der Telegraph haben
mich zugespamt mit Abo-Angeboten, da muss eine undichte Stelle bei der taz
sein. Na ja, Blödsinn, der Guardian ist schon viel länger digital.
taz: Was wollen Sie der taz-E-Paper-Leserschaft mitteilen?
Küppersbusch: Drückt ihr echt beim Frühstück auf dem Handy rum?
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Freut sich aufs Derby gegen Tabellenführer Duisburg, nach
einem disziplinierten 1:0 gegen Viktoria Köln. In der Liga ist fast alles
Derby.
Fragen: Anastasia Zejneli
19 Oct 2025
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