URI: 
       # taz.de -- Ausstellung über Fotograf Andreas Herzau: Nach einem lieben Toten gucken
       
       > Reportage und Selbstbefragung: Eine erste Retrospektive erinnert in
       > Hamburg an den Fotografen Andreas Herzau.
       
   IMG Bild: Polizisten beim G20-Gipfel in Hamburg. Mit diesem Foto gewann der Andreas Herzau den ersten Preis im Wettbewerb Rückblende 2017
       
       Was wird bleiben? Im kommenden Winter ist es schon zwei Jahre her, dass der
       [1][Fotograf Andreas Herzau] gestorben ist, noch keine 62 Jahre alt.
       „Killing Kurt“, den Namen gab er seinem Kampf gegen den Krebs. Bis heute
       geistern auf Instagram zwei vage Fotos dazu herum: die Fassade der Kölner
       Uni-Klinik, ein Kölsch der Marke 'Schreckenskammer’. Ein nächstes
       Fotoprojekt vielleicht, das notgedrungen nichts werden konnte.
       
       Sein Werk fand Aufnahme in die [2][F.C. Gundlach Stiftung], das ist schon
       mal eine sehr gute Sache. Die nun eine erste Retrospektive ausgerichtet
       hat, zu sehen in der Hamburger Akademie der Künste, oben im vierten Stock,
       mit weitem Blick über die Stadt, in einem interessanten wie seltsamen Raum:
       langgestreckt und halbrund, wie ein Flugzeughangar. Hier steht man nun,
       kann ungezwungen „Gucken“, wie der Titel eines wunderbaren Gesprächsbandes
       mit Andreas Herzau heißt, der just und passend dieser Tage ausgeliefert
       wurde. Er bietet ein Lesebuch zu seinem Werk und eben auch zu dieser
       Ausstellung. Wenn man ihn sich begleitend gönnen mag – nur zu!
       
       1986 kam Herzau 24-jährig von Tübingen nach Hamburg, Schriftsetzer und
       Typograf von Beruf her, und auf diesem Weg hätte er bleiben können. Aber er
       wollte selbst die Buchstaben vorgeben, die zu gestalten waren, er wollte
       schreiben. Er bequatschte – so muss man es nennen – die Konkret, ihn als
       Volontär einzustellen, zog ins Schanzenviertel, wohin auch sonst. Zur
       Hamburger Rundschau ging er, nun Redakteur, bald Chef vom Dienst, also
       Dompteur zwischen Text, Bild und Seitenlayout, während immer mehr die
       Fotografie und ihre nicht-sprachlichen Möglichkeiten ihn packten.
       
       ## Reportage und Selbstbefragung
       
       Also wurde er Fotograf, wurde Mitbegründer für [3][Fotoagentur Signum] in
       einem Mottenburger Hinterhof, für die großen Magazine mit den damals großen
       Namen, die das Geld, das sie hatten, noch ausgaben, aber nicht nur für die:
       „Später haben wir auch viel für die taz gearbeitet. Die haben zwar schlecht
       bezahlt, hatten aber oft interessantere Themen“, heißt es an einer Stelle
       rückblickend.
       
       Nach zehn Jahren geht man wieder auseinander, und Herzau wird der freie
       Fotograf zwischen Reportage und immer auch Selbstbefragung, zwischen
       eindringlicher Dokumentation und immer freierer Ausgestaltung mittels
       grafischer Mittel: nach Moskau ging es und nach Istanbul; nach New York im
       unmittelbaren Schatten des 9/11, zweifach nach Liberia, auf die [4][Love
       Parade], dann in die Schweiz, mit dem Taxi durch Indien, zu den Bamberger
       Symphonikern als deren Hausfotograf. Aus den meisten seiner Arbeiten wurde
       von ihm gestaltete, exzellente Kunst-Foto-Bücher.
       
       Und so können nun ausschnittsweise Blicke auf ein weites und großes Werk
       geworfen werden, mal gerahmt, mal auf fahnenartigen Stoff gedruckt, mal
       schnöde an die Wand gepappt. Wie Exponate seiner Serie „AM“ – zehn Jahre
       hat er die einstige Kanzlerin Angela Merkel fotografiert, getragen von zwei
       Entscheidungen: die Bilder wieder strikt in Schwarz-weiß zu halten, und er
       fotografierte die heute Alt-Kanzlerin allein bei öffentlichen Auftritten,
       denn ihn interessierten unsere unklaren und daher zu erkundenden
       Bilderwünsche auf eine mächtige Frau, für die die gängigen
       Macht-Männer-Foto-Posen nicht mehr passen wollten und die sich auch noch
       ungern fotografieren ließ. Eines der Bilder löst sich gerade langsam von
       der Wand.
       
       Das ist sehr passend. Denn Herzau ging es nie ums Repräsentieren oder die
       Überhöhung der Darzustellenden. „Man könnte jetzt natürlich noch Popstar
       werden in der Fotografie. Aber das ist nie mein Ansinnen gewesen“, zwei
       fast letzte Sätze aus dem schon erwähntem Gucken-Band, mit Gesprächen, die
       Stiftungskurator Sebastian Lux mit Herzau acht Monate vor seinem Tod sehr
       genau, aber auch sehr zurückhaltend geführt hat und die Werk- wie
       Lebensrückschau bieten: richtig, richtig gut.
       
       11 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ein-eigener-Blick/!5988593
   DIR [2] /Fotograf-FC-Gundlach/!5072571
   DIR [3] /Der-Fotograf-Andreas-Herzau/!1366821
   DIR [4] /Loveparade/!t5034376
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Keil
       
       ## TAGS
       
   DIR zeitgenössische Fotografie 
   DIR Retrospektive
   DIR Fotografie
   DIR Bildband
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Fotojournalismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bildband über Corona-Lockdown: Dokumente des Ausnahmezustands
       
       Ein Fotobuch zoomt auf Details aus der Coronazeit. Die Bilder erzählen von
       Langeweile und Leere, von anziehender Einsamkeit und Isolation.
       
   DIR Fotografin über Hamburger Hafenstraße: „Aus Wut ist viel Gutes entstanden“
       
       Die Fotojournalistin Marily Stroux begleitete die Hamburger Hafenstraße in
       den 1980ern. In ihrem neuen Fotoband zeigt sie den damaligen Alltag.
       
   DIR Agentur in Hand von Genossenschaft: Fotograf*innen übernehmen laif
       
       Die renommierte Fotoagentur laif gehört jetzt einer Genossenschaft. Ihr
       Ziel: Unabhängigkeit und Fairness.