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       # taz.de -- Forstwissenschaftlerin über Landnutzung: „Wir benötigen eine Landwende“
       
       > Monokulturen werden den Klimawandel nicht überstehen, so
       > Forstwissenschaftlerin Anne Arnold. Die Transformation gelinge nur mit
       > anderen Subventionen.
       
   IMG Bild: Setzt Deutschland weiter auf Monokulturen, drohen bald überall Bilder wie hier in einem Forst im Harz, sagt Anne Arnold
       
       taz: Frau Arnold, warum interessieren Sie sich als Forstwissenschaftlerin
       auch für Landwirtschaft? 
       
       Anne Arnold: Weil wir uns in einem Trilemma zwischen Klimaschutz,
       Ernährungssicherheit und Biodiversität befinden. Mich als Försterin und
       Naturliebhaberin interessiert deshalb die Frage: Wie geht Nutzung und
       Schutz gemeinsam?
       
       taz: Und, wie geht es? 
       
       Arnold: In den letzten 20 Jahren hat Deutschland durch eine unangepasste
       Landnutzung circa 760 Millionen Tonnen Wasser pro Jahr verloren. Und
       Prognosen lassen befürchten, dass im Jahr 2030 die Nachfrage von Wasser das
       globale Angebot um 40 Prozent übersteigen wird. Die Studienlage zeigt, dass
       um die 40 Prozent des Temperaturanstiegs auf Änderungen durch die
       Landnutzung zurückzuführen sind. Einfach nur eine andere Land- oder
       Waldwirtschaft reicht nicht. Wir benötigen eine Landnutzungswende, eine
       Landwende.
       
       taz: Wie soll diese Landwende aussehen? 
       
       Arnold: Die Frage des Wassers ist hier zentral. Die Ökosysteme sind
       verbunden und stehen im Austausch miteinander und mit der Atmosphäre. Zum
       Beispiel: Auf einer Fläche wird Wasser gespart, nebenan wird eine
       industriell geprägte Landwirtschaft künstlich bewässert. Davon verdunstet
       viel Wasser ungenutzt. Hier wird Grundwasser verschwendet, auf das beide
       Systeme angewiesen sind. Entsprechend dem Landwendekonzept braucht es hier
       ein ganzheitliches Wassermanagement, das verschiedene Nutzungs- und
       Schutzziele gemeinsam denkt.
       
       taz: Was braucht es noch? 
       
       Arnold: Wir müssen weg von der industriellen Forst- und Landwirtschaft, hin
       zu ökologisch nachhaltigen Systemen. Wir müssen weg von Monokulturen, hin
       zu diversen Systemen. Divers bedeutet, verschiedene Arten zusammen
       anzubauen, aber auch, verschiedene Sorten einer Art zu verbinden. Nur so
       können wir die enormen natürlichen Potenziale zur Anpassung an den
       Klimawandel nutzen.
       
       taz: Könnte eine Landwirtschaft nach der Landwende die Menschen dann
       weiterhin ernähren und eine Forstwirtschaft genügend Holz liefern, wenn der
       Ertrag auf der Fläche doch sinken dürfte? 
       
       Arnold: Das muss nicht so sein. Auch eine gut durchdachte ökologische
       Bewirtschaftung kann sehr ertragreich sein. Vor allem entscheidend ist
       aber, dass im Klimawandel die Versorgung durch die vielfältige Nutzung
       sicherer und weniger störanfällig wird. Wir müssen uns aber auch unseren
       Ernährungsstil anschauen und ein gesundes Maß des Konsums tierischer
       Produkte finden.
       
       taz: Unabhängig davon: In der Breite ist das doch gar nicht wirtschaftlich
       umsetzbar. Die Land- und Forstwirte müssen als Unternehmer schließlich
       Gewinne erzielen. 
       
       Arnold: Wir haben keine Wahl. Schauen Sie sich die Fichtenmonokulturen hier
       im Harz an, die völlig unangepasst sind und die infolgedessen durch
       Borkenkäfer und Hitze sterben. In der Landwirtschaft sehen wir Monokulturen
       von Mais, die den Klimawandel nicht überstehen werden. Wenn wir so
       weitermachen wie bisher, dann sind unsere Böden irgendwann ausgetrocknet
       und nährstoffarm und die Pflanzenproduktion, sei es Holz oder Lebensmittel,
       ist am Ende.
       
       taz: Das heißt, Wirtschaftlichkeit als Faktor können wir uns nicht mehr
       leisten? 
       
       Arnold: Die Wirtschaftlichkeit muss neu gedacht werden. Wir sollten von
       Investitionen für einen Betrieb sprechen und nicht mehr von Kosten. Die
       Unternehmer müssen dabei natürlich weiter von ihrer Arbeit leben können.
       Hier muss der Staat unterstützen, vor allem im Transformationsprozess.
       
       taz: Der Staat muss hier subventionieren? 
       
       Arnold: Definitiv. Heute hängt die Höhe der Agrarsubventionen allerdings
       von der Größe der Fläche ab. Das muss sich ändern. Subventionen sollten
       immer an ökologische Verbesserungen geknüpft sein, etwa in der
       Biodiversität und der Speicherung von Kohlenstoff und Wasser. Wir müssen
       diese sogenannten Ökosystemleistungen honorieren.
       
       taz: Nun gehen die Landwirte ja bei den kleinsten Veränderungen oft schon
       auf die Barrikaden. Würden sie solche massiven Umwälzungen mitmachen? 
       
       Arnold: Ich komme selbst vom Land und weiß, wie das Denken dort ist. Die
       Menschen machen eine Wahnsinnsarbeit und lieben ihre Flächen. Wir müssen
       den Landwirten auf Augenhöhe begegnen und Anreize schaffen, damit sie ihr
       Land anders bewirtschaften. Dann sind sehr viele bereit, sich auf
       ökologisch tragbare und ökonomisch rentable Konzepte und Ideen einzulassen.
       
       taz: Was fordern Sie von der Politik? 
       
       Arnold: Die Politik muss endlich Schritte hin zur Landwende unternehmen.
       Die Zeit drängt! Das heißt auch, kaputte Ökosysteme zu renaturieren und
       Naturschutzgebiete auszubauen. Wir wissen alle um die Krisen. Es darf nicht
       weiter an der Umsetzung von Lösungen scheitern.
       
       2 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Birger Stepputtis
       
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