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       # taz.de -- Frauen, Streiks und solidarische Männer: Als Frauen ihre Bosse in die Knie zwangen
       
       > Streikende Frauen, das ist schon an sich revolutionär genug. Noch
       > revolutionärer, wenn sich die Männer solidarisieren, wie in diesem
       > Beispiel.
       
   IMG Bild: Wilder Frauenstreik bei dem Autozulieferer Pierburg in Neuss, hier am 14.8.1973
       
       Aus heutiger Sicht wirkt die Forderung der Arbeiter*innen des Pierburg
       Werks in Neuss nicht besonders radikal. „Eine Mark mehr!“ lautete ihr
       [1][Slogan im Jahr 1973]. Doch ihr Streik war revolutionär. Denn er war
       einer der ersten in Deutschland, in dem sich männliche Arbeiter mit ihren
       weiblichen Kolleginnen solidarisierten.
       
       Die Arbeiterschaft beim Automobilzulieferer Pierburg bestand zum großen
       Teil aus Frauen, viele von ihnen waren Migrantinnen aus Jugoslawien,
       Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei. Bezahlt wurden sie nach der
       „Leichtlohngruppe 2“. Diese tarifliche Lohngruppe galt in der BRD für
       Arbeit mit „geringer körperlicher Belastung“. Entlohnt wurden nach ihr fast
       ausschließlich Frauen – oft für die gleiche Arbeit, wie sie auch Männer
       leisteten.
       
       Doch am Montag, den 13. August 1973, hatten rund 20 Arbeiterinnen genug. Ab
       5.30 Uhr verteilten sie Flugblätter vor dem Werkstor. Nach kurzer Zeit
       hatten sich 200 bis 300 Streikende zusammengefunden – ganz ohne
       gewerkschaftliche Unterstützung. Sie forderten mehr Geld und ein Ende der
       frauenfeindlichen Lohnstruktur.
       
       Die Polizei zerschlug den Streik brutal, ein Polizist beleidigte die
       Streikenden rassistisch. So beschreibt es Dieter Braeg, der damals
       Betriebsratsvorsitzender bei Pierburg war, in seinem Buch [2][„Wilder
       Streik – Das ist Revolution!“.]
       
       ## Arbeitskampf hat sich gelohnt
       
       Trotz der Repression legten die Arbeiter*innen auch in den Folgetagen
       die Produktion lahm. Aus den 20 Frauen wurden Hunderte Streikende. Männer
       und Frauen, Migrant*innen und Deutsche. Künstler wie Joseph Beuys
       unterstützten den Protest, Arbeiter*innen aus Oberhausen, Lippstadt und
       Gelsenkirchen solidarisierten sich per Telegramm. Am Donnerstag gab es
       Verhandlungen, Freitag um 6.30 Uhr ein erstes Angebot: 12 Pfennige mehr.
       
       Die Antwort der Streikenden: „Wenn es bei 12 Pfennigen bleibt, werden wir
       12 Jahre weiter streiken.“ Um 16 Uhr sagten die Arbeitgeber: 53 bis 65
       Pfennige Lohnerhöhung und Abschaffung der Leichtlohngruppe 2. [3][Der
       Arbeitskampf hatte sich gelohnt]. Und die Leichtlohngruppe 2 war auch im
       Rest der Republik bald Geschichte.
       
       Wie beginnt Veränderung? An dieser Stelle erzählen wir jede Woche von einem
       historischen Moment, der etwas angestoßen hat.
       
       2 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.swr.de/swrkultur/wissen/die-wilden-streiks-von-1973-wie-gastarbeiter-fuer-faire-behandlung-kaempften-102.html#:~:text=Was%20ist%20ein%20%22wilder%20Streik%22?%20%22Wilde%20Streiks%22,Streik%20aufzurufen.%20Alles%20andere%20gilt%20als%20illegal.
   DIR [2] https://rhein-neckar.verdi.de/vor-ort/geschichte-geschichten/++co++72acf42c-a671-11e2-8554-52540059119e
   DIR [3] https://domid.org/news/wilde-streiks-1973/#:~:text=Der%20Streik%20bei%20Pierburg%20Anders%20der%20Streik,konnten%20die%20Frauen%20so%20zentrale%20Forderungen%20durchsetzen.
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannes Holtherm
       
       ## TAGS
       
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