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       # taz.de -- Prügelknabe war gestern
       
       > WM-Quali-Gegner Luxemburg hat im Fußball deutliche Fortschritte gemacht,
       > die Jeff Strasser als neuer Nationaltrainer gegen Deutschland fortführen
       > möchte
       
   IMG Bild: Ein Luxemburger, zwei Schweizer: Leandro Barreiro (M.) beim 3:1 der Schweiz im März 2025
       
       Von Frank Hellmann
       
       Auch im Fußball trifft man sich anscheinend immer zweimal. Jeff Strasser
       und Julian Nagelsmann, die Nationaltrainer von Luxemburg und Deutschland,
       dienen da als gutes Beispiel. Gemeinsam im Fußballlehrer-Lehrgang 2015/16
       ausgebildet, begegnen sich die beiden ein Jahrzehnt später im Rahmen der
       WM-Qualifikation, wenn der David beim Goliath in der ausverkauften Arena in
       Sinsheim antritt (Freitag 20.45 Uhr/ARD). Strasser verriet, er habe
       Nagelsmann in Erinnerung „als sehr sympathischen Menschen, mit dem man sich
       gut unterhalten konnte: Fachlich ist er extrem stark, vor allem, was
       taktische Aspekte betrifft.“
       
       Doch seine Nation hat erhebliche Fortschritte gemacht. Wer Luxemburg als
       Zwerg bezeichnet, der wie vor der WM 1998 oder der WM 2006 mal eben mit 7:0
       aus dem Stadion geschossen wird, begeht einen großen Fehler. Viel hätte
       nicht gefehlt und das kleine Großherzogtum hätte bei der EM 2024
       mitgespielt. Luxemburg scheiterte unter der Leitung des inzwischen bei
       Waldhof Mannheim arbeitenden Luc Holtz erst in den Play-offs gegen Georgien
       (0:2). In der Qualifikation gab es ein achtbares 0:0 in der Slowakei, wo
       sich die DFB-Elf zuletzt blamiert hat. Bosnien wurde mit 4:1 und 2:0
       geschlagen, gegen Island endeten die Duelle 3:1 und 1:1. Die Rolle des
       Prügelknaben war einmal. Auch in den bisherigen EM-Qualifikationsspielen
       gegen Nordirland (1:3) und die Slowakei (0:1) war der
       Fifa-Weltranglisten-96. nicht viel schlechter.
       
       Strasser hat diesen Sommer ein Team mit einem anderen Selbstverständnis
       übernommen. „Viele unserer Spieler haben sich im Ausland weiterentwickelt“,
       erklärt der frühere Bundesliga-Profi des 1. FC Kaiserslautern und von
       Borussia Mönchengladbach. „Wir haben ein Gerüst von 30 bis 35 Profis, die
       in ihren Vereinen wichtige Rollen spielen.“ Der 51-Jährige war einst ein
       solider Bundesliga-Verteidiger, der eine körperbetonte Spielweise pflegte.
       Sowohl auf dem Betzenberg als auch dem Bökelberg bejubelten die Fans gerade
       seine rustikalen Grätschen. In der Pfalz arbeitete er Anfang 2018 auch als
       Trainer, doch nach einem Zusammenbruch wegen Herzrhythmusstörungen während
       eines Zweitligaspiels gegen Darmstadt 98 trat er nach wenigen Monaten aus
       gesundheitlichen Gründen wieder zurück. Heute geht es Strasser wieder gut,
       und der 98-fache Nationalspieler Luxemburgs profitiert vom gestiegenen
       Stellenwert des Fußballs.
       
       Die luxemburgisch-deutschen Beziehungen haben beim Aufschwung geholfen:
       Sechs aktuelle Nationalspieler spielen beim großen Nachbarn, natürlich
       nicht alle bei Spitzenvereinen. Danel Sinani vom FC St. Pauli oder Aiman
       Dardari beim FC Augsburg kommen in der Regel für die zweite Mannschaft zum
       Einsatz. Der aus der Bundesliga bekannteste Akteur ist Leandro Barreiro,
       dessen Eltern einst über Portugal aus Angola nach Luxemburg kamen,
       Erpeldingen an der Sauer ist der Geburtsort des Fußballers, der in der
       Jugend des FSV Mainz 05 ausgebildet wurde, zum lauf- und zweikampfstarken
       Leistungsträger reifte, ehe es den 25-Jährigen im vergangenen Sommer
       ablösefrei zu Benfica Lissabon zog. Seine Begabung ist so auffällig, dass
       ihn die Sportpresse Luxemburg Ende 2023 sogar zum „Sportler des Jahres“ in
       dem Land mit 660.000 Einwohnern kürte.
       
       Mittelfeldarbeiter Barreiro gilt in vielerlei Hinsicht als Vorbild, was vom
       lange besten Stürmer Gerson Rodrigues nicht zu behaupten ist. Der
       Rekordtorschütze (23 Treffer) sorgte wochenlang für viele Diskussionen, als
       er trotz einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von 18 Monaten auf
       Bewährung wegen mehrfacher Körperverletzung fürs Nationalteam nominiert
       werden sollte. Es ging um Vorwürfe wegen häuslicher Gewalt gegen seine
       früheren Partnerin, die sich direkt an Strassers langjährigen Vorgänger
       Holtz wandte. Erst im August entschied Luxemburgs Fußball-Verband FLF, den
       Wandervogel nicht mehr zu nominieren, was vermutlich keine Schwächung
       bedeutet, denn der 30-Jährige kickt inzwischen in Thailand.
       
       10 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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