# taz.de -- Ende des Bürgergeldes: Das Jobcenter als Besserungsanstalt
> Das Bürgergeld ist bald passé. In Deutschland soll es offenbar wieder
> darum gehen, vor dem Jobcenter Angst zu haben.
IMG Bild: Jobcenter in Berlin-Mitte: Wenn die Sachbearbeiter:innen im Jobcenter als Strafende erscheinen, dann werden alle verlieren
Wer wissen will, wie sich politische Erzählungen verwandeln können,
weitgehend unabhängig von den Fakten, der muss sich nur die neueste Reform
der Grundsicherung anschauen, [1][die am Donnerstag von der Bundesregierung
vorgestellt wurde.] Vorbei sind die Zeiten des Bürgergeldes, als vom
Jobcenter als Kooperationspartner die Rede war, der Arbeitslose berät und
unterstützt, ihre Wünsche berücksichtigt, langfristig mitdenkt. Jetzt steht
der Begriff der „Sanktion“ im Vordergrund.
Beim Nichterscheinen zum Termin, beim Abbruch einer Maßnahme soll nun
schneller und härter am Regelsatz gekürzt werden. Das Wort Bürgergeld wird
aus dem Sozialgesetzbuch gestrichen und durch „Neue Grundsicherung“
ersetzt. Es gilt der „Vermittlungsvorrang“ – das heißt, ein Job, auch in
der Zeitarbeit, in einer Lagerhalle, bei einer Putzfirma, gilt als
förderlicher, als lange in Weiterbildungsmaßnahmen oder Sprachkursen zu
sitzen.
Das Jobcenter [2][erscheint damit als eine Art Besserungsanstalt, die
irgendwie zur Arbeit erziehen soll], obgleich ein Anstieg des Missbrauchs
von Sozialleistungen statistisch nicht nachweisbar war. Abgesehen davon,
dass die Reform moralisch verwerflich ist, wird die Idee, die Menschen zur
Arbeit zu zwingen, nicht in großem Stil funktionieren. Und irgendwie ahnen
die Macher:innen der Reform das auch schon. So soll der
Erwerbsfähigkeitsbegriff „realitätsnäher“ definiert werden, heißt es im
Entwurf. Im Bürgergeldbezug finden sich zu Hunderttausenden viele
Eingeschränkte, psychisch Kranke, Angeknackste, sehr lange Arbeitslose, die
keine acht Stunden Arbeit am Tag schaffen, aber als „erwerbsfähig“ gelten.
Jobcentermitarbeiter:innen sollen nun darin geschult werden,
psychische Erkrankungen zu erkennen. Sie sollen Langzeitarbeitslose mit
„höherer Kontaktdichte“ betreuen. Die Frage ist, was daraus wird. Wenn die
Sachbearbeiter:innen im Jobcenter künftig vor allem als Strafende
erscheinen, dann werden alle verlieren. Eine Institution zu werden, vor der
Menschen vor allem Angst haben – das ist der Offenbarungseid jeder
Sozialpolitik.
9 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Barbara Dribbusch
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