# taz.de -- Verwahrloste Immobilien in Bremen: Die Linke will mehr Law and Order
> Mit einem neuen Wohnungsaufsichtsgesetz wollte Bremen härter gegen
> Schrottimmobilienbesitzer vorgehen. Die Chance dafür ist real, zeigt ein
> Gutachten.
IMG Bild: Die Fassade bröckelt am Rembertiring in Bremen – und auch dahinter liegt Vieles im Argen
Bremen taz | Was schiefläuft im Haus am Rembertiring in Bremen, das springt
einem schon bei einem kurzen Besuch am Eingang entgegen. R. ist gerade nach
unten gekommen, noch eine rauchen: Seinen Balkon darf er seit einem Jahr
nicht mehr nutzen, so wie alle Bewohner*innen des Hauses: Die Dinger
sind einsturzgefährdet, die Behörde musste den Gehweg mit einem Baugerüst
schützen, vor den Brocken, die von der Fassade fallen.
R. ist ganz froh, dass der große Fahrstuhl ihn aus seiner Wohnung im achten
Stock nach unten gebracht hat: der kleine, der ist nämlich wieder kaputt.
Eine bedrohliche Situation für R.: Er ist Rollstuhlfahrer. Neulich war es
tatsächlich so weit: Beide Fahrstühle im zehnstöckigen Haus fuhren nicht.
Nicht nur für einen Tag, oder für zwei, nein: Mehr als vier Wochen habe er
oben festgesessen, Nachbarn mussten für ihn einkaufen. Einmal hatte ihn die
Feuerwehr die acht Stockwerke runter- und wieder hochgetragen, für einen
Arzttermin. „Die würde ich wohl wieder rufen“, überlegt er. „Aber das ist
ja keine Lösung.“
Jetzt hat er noch gemerkt, dass seine Heizung nicht geht: „Alles ab dem
siebten Stock ist kalt“. Sein junger Nachbar, der ebenfalls im Hausflur
steht, schüttelt den Kopf: „Ich wohne im Zweiten, da ist auch aus.“ Eine
Nachbarin kommt dazu, sie könne seit Kurzem wieder heizen. Nicht so wie
letzten Winter, als es bei ihr gar nicht ging.
Die Erzählungen der drei passen zu dem, was ihr Nachbar Wolfgang Melchert
in der Vorwoche bei einer Pressekonferenz der Linken erzählt hat. Er lebt
seit Ende der 90er in dem Haus. Eigentümer hat er kommen und gehen sehen.
„Gut waren alle nicht“, sagt er. „Aber die jetzt, die schießen den Vogel
ab. Die kann man auch nicht erreichen.“ Die jetzt, das ist die Schweizer
Peach Property Group mit über 20.000 Wohnungen in Deutschland. Auf eine
Presseanfrage reagieren sie seit vergangenem Mittwoch nicht.
Für viele Mieter*innen hier gibt es wenig Alternativen. Man wehrt sich
nicht, weder gegen Missstände, noch gegen die hohe Miete. Die liegt in dem
Haus um mehr als 35 Prozent über dem [1][Mietpreisspiegel] der Stadt – die
Überhöhung ist ordnungswidrig. Gezahlt wird sie trotzdem, für Viele vom
Jobcenter – also von der Stadt.
Die sieht die Linken-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft in der Pflicht,
tätig zu werden – gegen die Eigentümer des Hauses am Rembertiring, aber
auch gegen ähnliche Vermieter*innen. Welche Möglichkeiten die Stadt hat,
das hat die Fraktion gerade von Mietrechtsanwalt Enno Hinz in einem
[2][Gutachten] zu verwahrlosten Immobilien prüfen lassen – mit einem Fokus
auf Enteignung, kündigt man spektakulär an. Doch gute Wissenschaft ist
ergebnisoffen, und so zeigt sich: [3][Enteignung] ist möglich, aber
unwahrscheinlich.
## Milde Mittel gegen Immobilienheuschrecken
Das muss für Freund*innen des starken Staats keine schlechte Nachricht
sein: Das Spannende: Enteignung ist vor allem deshalb so wenig geeignet,
weil es für die Behörden mildere Mittel gibt, die Hinz für geeignet und
praxistauglich hält, um Immobilienheuschrecken etwas entgegenzusetzen.
Zwei Instrumente hat der Studienautor für besonders stark befunden. Da ist
zum einen das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot aus §177 des
Baugesetzbuches – eine Bundesregelung also. Zusammengefasst besagt sie:
Wenn Mängel vorliegen, dann kann die Gemeinde deren Beseitigung anordnen.
Der Eigentümer muss die Kosten tragen und dafür notfalls auch einen Kredit
aufnehmen.
Hinz attestiert dem Gesetz eine hohe „praktische Relevanz für verwahrloste,
aber bewohnte Immobilien“. Er legt vor allem dar, dass das Gesetz in allen
Punkten auf die Problemimmobilie am Rembertiring passt. Die Behörde, meint
er, könnte Peach Property, zur Instandhaltung zwingen.
Noch ein anderes Gesetz legt Hinz den Behörden ans Herz: das neue Bremische
Wohnungsaufsichtsgesetz von 2023; sehr praxistauglich sei es. Es definiert
Mindestanforderungen an Wohnraum und gibt der Stadt die Möglichkeit,
Sanierungen anzuordnen. Tut der Eigentümer nichts, kann die Behörde einen
Treuhänder einsetzen, der sich um die Reparaturen kümmert – auf Kosten des
Eigentümers. Treuhänder kann etwa eine kommunale Wohnungsgesellschaft sein
– aber auch Mieter*innen kommen in Frage. Erst, wenn das alles nicht
greift, kann auch die Enteignung nach Bundes- und Landesrecht als ultima
ratio noch greifen.
## Taskforce sollte helfen
Doch in der Praxis ist das Ergebnis der mächtigen Gesetze bisher
enttäuschend. „Die Behörde macht etwas“, verteidigt Linken-Fraktionschefin
Sofia Leonidakis die Stadt. „Die Behörde macht etwas“, das sagt auch ein
Sprecher vom [4][Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen]. Als
Mieter*innen im Bremer Süden im Frühjahr 2024 mehrere Wochen keine
Heizung hatte, hat ein [5][Treuhänder das Haus übernommen.] Doch dort war
der Eigentümer, die Omega AG, bereits insolvent. Der Fall ist daher
besonders gelagert. Insgesamt, befindet Hinz, ziehen die
Wohnungsaufsichtsinstrumente nur sehr langsam.
Dabei soll seit einem Jahr eine Taskforce dafür sorgen, dass das
Wohnungsaufsichtsgesetz umgesetzt wird. Vier Beschäftigte zwischen
Ordnungsamt und Bauaufsicht sollen gemeinsam Problemimmobilien bekämpfen.
Bisher hat sie – auf Zuruf nach Problemmeldung – 91 Häuser in Bremen
geprüft. Bei 50 hat man gravierende Mängel festgestellt. Tätig geworden ist
man bei dreien. Tätig, das heißt in allen drei Fällen: Es gab ein Bußgeld.
Auch das Haus am Rembertiring gehört dazu, 3.000 Euro sind der Peach
Property Group auferlegt. Der Schweizer Konzern hat ein Immobilienportfolio
von 2,5 Milliarden Euro.
Der Senat verteidigt die Taskforce: Allein die Ansprache der Eigentümer
habe schließlich in vielen Fällen erreicht, dass ein Verstoß beseitigt
wurde – ganz ohne Ordnungsmaßnahmen. Das Problem, so Aygün Kilincsoy,
Sprecher der Baubehörde: Die Stadt müsse nach dem Prinzip der
Verhältnismäßigkeit erst die mildesten Mittel nutzen. „Natürlich atmet ein
Immobilienkonzern aus der Schweiz so ein Ordnungsgeld von 3.000 Euro
einfach weg“, sagt er. „Aber man kann nicht mit dem schwersten Geschütz
beginnen.“
Hinz hingegen glaubt, dass die Behörde oft zu vorsichtig agiert. Das Gesetz
gibt mehr her – wenn Gefahr droht, kann die Behörde auch ohne vorherige
Anhörung einen Treuhänder einsetzen. Im Falle des Rembertirings könnte das
ein Weg sein. R. selbst glaubt nicht so richtig dran. „Ich hab schon die
Polizei gefragt“, sagt er, „die machen da gar nix“.
8 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Mietspiegel/!t5200250
DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=UwFPT4f9HxI
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DIR [5] /Bremen-uebernimmt-Wohnungen-von-Investor/!6005183
## AUTOREN
DIR Lotta Drügemöller
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