# taz.de -- Vietnamesische Vertragsarbeiter: Arbeit, die sonst niemand machte
> 45 Jahre ist es her, dass Vietnam Vertragsarbeiter in die DDR entsandte.
> Bei einer Feier gedenken Angehörige dem harten Kampf für ihr Bleiberecht.
IMG Bild: Vietnamesische Vertragsarbeiter in den Werkshallen eines volkseigenen Betriebes in Ost-Berlin, März 1990
Berlin taz | Als die 82 Jahre alte Almuth Berger am Freitag eine
Ehrenurkunde und einen Blumenstrauß erhält, ist sie sichtbar gerührt.
Berger war Ausländerbeauftragte der letzten DDR-Regierung und langjährige
Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg. Überreicht hat ihr die Urkunde
der Club der ehemaligen Gruppenleiter und Sprachmittler der vietnamesischen
Vertragsarbeiter. Sie feierten 45 Jahre des Abkommens über die Entsendung
von Vertragsarbeitern aus Vietnam in die DDR 1980.
60.000 vietnamesische Vertragsarbeiter lebten 1990 in der DDR. Sie stopften
personelle Lücken in der Produktion, verrichteten Arbeiten, für die sich
sonst niemand fand. Auf das Ende der DDR folgten „die schwierigen Jahre in
unserer Geschichte“, wie es Nguyen Quoc Hung vom gastgebenden Club
formulierte.
Und das nicht nur wegen zahlreicher rechter Übergriffe mit vietnamesischen
Opfern, sondern wegen der „Existenzsorgen und der Angst vor Abschiebungen“.
Denn der Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik sah für
ehemalige DDR-Vertragsarbeiter nur ein befristetes Bleiberecht für den
Zeitraum vor, für den sie einst einen Vertrag mit der DDR geschlossen
hatten, also maximal bis 1994. Danach sollten sie ausreisen.
## Bleiberecht erst ab 1997
Das taten die meisten. 14.000 blieben und bekamen in den 1990er Jahren
immer nur ein auf wenige Wochen oder Monate befristetes Bleiberecht oder
eine Duldung. Die damalige Bundesregierung, so Almuth Berger, „wollte
verhindern, dass über die Vertragsarbeiter und deren Familiennachzug viele
außereuropäische Ausländer hierher kommen“. Dass es ab 1997 endlich doch
ein Bleiberecht für diejenigen gab, die noch hier waren, ihren
Lebensunterhalt verdienten und straffrei waren, war einer Bewegung
ehemaliger Vertragsarbeiter und deutscher Unterstützer zu verdanken.
Viele dieser Unterstützer, die meisten schon im Rentenalter, standen am
Freitag neben Almuth Berger auf der Bühne und wurden „für ihr Engagement
und ihre Menschlichkeit in dieser schwierigen Zeit“ geehrt.
Dazu gehörte der frühere Ausländerbeauftragte der Stadt Rostock, Wolfgang
Richter, [1][der 1992 während des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen]
gemeinsam mit vielen Vietnamesen dem Tod nur entkam, weil er über das Dach
aus dem brennenden Haus flüchtete. Später engagierte er sich für eine
Bleiberechtsregelung für ehemalige Vertragsarbeiter. Oder mehrere Deutsche,
die in den 1990ern in vietnamesischen Vereinen in den neuen Bundesländern
für das Bleiberecht kämpften. Als das 1997 kam, waren erst Familiennachzug
und damit Integration möglich. Die deutsche Sprache haben viele in diesem
Schwebezustand nie gelernt.
## Gespaltene vietnamesische Community
Nguyen Xuan Thinh vom botschaftsnahen Bundesverband der Vietnamesen
beschrieb die vietnamesische Migration am Freitag als Erfolgsgeschichte.
Als Beleg nannte er 10.000 vietnamesische Wissenschaftler und ebenso viele
vietnamesische Unternehmen in Deutschland. Das ist ganz im Sinne der
vietnamesischen Staatspropaganda, die im Ausland lebende Vietnamesen
entweder als erfolgreiche Wissenschaftler oder Unternehmer darstellt, die
die Politik der Kommunistischen Partei bedingungslos unterstützen. Soziale
Problemgruppen werden dabei ausgespart, ebenso Bootsflüchtlinge, die aus
politischen Gründen Vietnam verlassen hatten.
Nguyen Xuan Thinh zeigte eine Karte mit vietnamesischen Vereinen im
Bundesgebiet. Vereine der Bootsflüchtlinge wie etwa das Vietnam-Zentrum
Hannover wurden nicht berücksichtigt. Das zeigt, wie zerrissen die
vietnamesische Community auch 35 Jahre nach der deutschen Einheit noch ist.
6 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Marina Mai
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