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       # taz.de -- Erste Premierministerin: Japan bekommt „Eiserne Lady“
       
       > Sanae Takaichi ist neue LDP-Vorsitzende und damit wahrscheinlich bald
       > Premierministerin Japans. Sie gilt als Bewunderin von Margaret Thatcher.
       
   IMG Bild: Sanae Takaichi, die neu gewählte Vorsitzende der regierenden Liberaldemokratischen Partei Japans (LDP), am 4. 10. 2025
       
       Tokio taz | Der Sieg der erzkonservativen Sanae Takaichi im dritten Anlauf
       bei der Wahl zur Vorsitzenden der japanischen Liberaldemokraten (LDP)
       überraschte, folgte aber einer klaren Logik. Im ersten Wahlgang mit fünf
       Kandidaten holte sie 40 Prozent der 630.000 Stimmen der LDP-Mitglieder.
       Viele Parlamentsabgeordnete schlossen daraus, dass ihre klassischen Wähler
       hinter Takaichi stehen, und gaben ihr in der Stichwahl gegen den gemäßigten
       Agrarminister Shinjiro Koizumi die Mehrheit. Am 15. Oktober wird Takaichi
       als Nachfolgerin [1][des zurückgetretenen Shigeru Ishiba] zu Japans erster
       Premierministerin gewählt.
       
       Die LDP-Mitglieder trauen ihr offenbar am ehesten zu, den Niedergang jener
       Partei zu stoppen, die Japan seit 70 Jahren fast ununterbrochen regiert
       hat. Mit ihrem konservativen Weltbild und ihrer erklärten Bereitschaft zu
       Veränderungen soll Sanae Takaichi vor allem jüngere Wähler zurückgewinnen,
       die zu rechtspopulistischen Parteien abgewandert sind.
       
       Die frühere zweifache Ministerin sieht sich als politische Erbin von
       [2][Shinzo Abe], der mithilfe einer nationalistischen Vision von einem
       starken Japan und einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik sechs
       Wahlen hintereinander gewinnen konnte. Seit 40 Jahren bewundert Takaichi
       auch die britische Ex-Regierungschefin Margaret Thatcher und träumte davon,
       Japans „Eiserne Lady“ zu werden. Dagegen bezeichnete Ex-Premier Fumio
       Kishida sie wegen ihrer radikalen Ansichten angeblich als „Taliban
       Takaichi“.
       
       Regelmäßig besucht sie den umstrittenen [3][Yasukuni-Gedenkschrein] für
       Japans Kriegstote, darunter einige als Kriegsverbrecher verurteilte
       Politiker. Japans Eroberungskrieg in Asien rechtfertigte sie laut einer
       Kolumne auf ihrer Webseite mit der „Absicht, einen Verteidigungskrieg zu
       führen“. Sie forderte, das Verbrennen der japanischen Flagge mit Gefängnis
       zu bestrafen. Als Innenministerin unter dem damaligen Premier Abe drohte
       sie Fernsehsendern mit dem Entzug ihrer Lizenzen, falls sie nicht die
       Regierungslinie vertreten.
       
       ## Takaichi spielte Schlagzeug in einer Heavy-Metal-Band
       
       Das Frauenbild der 64-Jährigen wirkt wie aus der Zeit gefallen: Gleiche
       Gehälter für Männer und Frauen sieht sie als eine Gefahr für die
       traditionelle Familie, die Möglichkeit einer Kaiserin kommt für sie genauso
       wenig in Frage wie unterschiedliche Nachnamen für Eheleute und eine Ehe von
       gleichgeschlechtlichen Paaren. Zuletzt schoss sie scharf gegen Ausländer,
       die angeblich die freilaufenden „heiligen“ Hirsche in ihrer Heimatstadt
       Nara treten und schlagen würden.
       
       Doch nicht alles an ihr passt ins Klischee der rechten Hardlinerin. Ihr
       Lebensmotto lautet: „Hohe Ziele, weiter Horizont, tiefes Mitgefühl.“ Sie
       spielte Schlagzeug in einer Heavy-Metal-Band und fuhr begeistert den
       Sportwagen „Toyota Supra“. Kürzlich berichtete sie offen über ihre
       Wechseljahresbeschwerden und verlangte, Männer stärker über
       Frauengesundheit aufzuklären. In ihr Kabinett will sie so viele Frauen
       berufen „wie in Skandinavien“.
       
       Bei ihrer ersten Pressekonferenz deutete sich an, dass sie ideologische
       Scheuklappen ablegen und pragmatischer regieren könnte. Andernfalls dürfte
       es auch schwer für sie werden, einen weiteren Koalitionspartner unter den
       Oppositionsparteien zu finden, um die jetzige Situation einer
       Minderheitsregierung zu überwinden. Und ihr jetziger Partner, die gemäßigte
       Komei-Partei, will nur mit ihr weiterregieren, wenn sie nicht mehr den
       Yasukuni-Schrein besucht und auf ausländerfeindliche Polemik verzichtet.
       Takaichi wird sich anpassen müssen.
       
       5 Oct 2025
       
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