# taz.de -- Die Wahrheit: Du Lump, du Lauch, du Olaf!
> Die Sprachwissenschaft erfindet derzeit und vermehrt ganz neue
> Schimpfwörter für Politikverdrossene.
IMG Bild: Die Zwetschge aka Pflaume ist als gemeines Schimpfwort aktuell justiziabel und kann saftige Kosten verursachen
Politiker zu beschimpfen kann teuer werden. Derzeit kostet es 1.200 Euro,
eine hochrangige AfD-Politikerin als „Nazischlampe“ zu bezeichnen. Dabei
ist unklar, ob eher „Nazi“ oder eher „Schlampe“ das Schimpfwort ist oder
die Kombination aus beidem oder die Tatsache, dass die Abkürzung von
„Nazischlampe“ NS ist, oder ob es auf die Reihenfolge ankommt und
„Schlampennazi“ ebenfalls ein Schimpfwort wäre. Für 1.200 Euro kann man das
herausfinden.
„Fast alles kann ein Schimpfwort oder eine Beleidigung sein“, sagt Roger
„Flaming“ Reisertsch, seines Zeichens Jurist und Sprachwissenschaftler mit
dem Hauptgebiet Schimpf- und Schmähkunde (Malediktologie). Er hat ein Buch
über Schimpfwörter geschrieben und neue erfunden.
„Viele alte Schimpfwörter sind im Laufe der Zeit immer wirkungs- und
harmloser geworden. Jemanden ‚Du Narr!‘ oder ‚Lump!‘ zu schimpfen, klingt
pathetisch und ist allenfalls für den Schimpfenden lächerlich. ‚Halunke‘
oder ‚Schlawiner‘ sind fast schon Komplimente“, erklärt Reisertsch mit dem
breiten Lächeln eines Forschers, der schon alles gesehen und gehört hat.
Tiernamen werden von vornherein als Beleidigungen aufgefasst, egal ob Affe,
Kuh, Huhn, Hund, Esel, Ratte, Schwein, Ochse, Bulle, Kamel, Schmeißfliege,
oder sogar Qualle, führt Reisertsch weiter aus: „Tiervergleiche sind
historisch heikel. Und seit Wissenschaftler herausgefunden haben, dass
Tiere gar nicht so blöd, dumm und faul sind, wie sie aussehen, macht es
kaum noch Sinn, jemanden als blöde Kuh oder dummen Affen zu bezeichnen.“
Wer Pech hat, kann sich neben einer Beleidigungsklage auch gleich noch eine
Klage von Peta einhandeln. „Für Peta ist es eher eine Beleidigung der
Tiere, mit Menschen verglichen zu werden.“
## Am besten Gemüse nehmen
Was also tun? „Wie auch bei der gesunden Ernährung am besten Gemüse
nehmen“, erklärt der 31-jährige forschende Rotschopf aus dem
brandenburgischen Fläming. „Lauch etwa ist ein harmloses Gewächs, kann
juristisch schnell zum Schimpfwort werden, vermutlich, weil es flugs weich
und labberig wird. Bei Sellerie ist das nicht so, weshalb der auch nicht
als Schimpfwort taugt – weder Stangen- noch Knollensellerie“, führt der
passionierte Hobbygärtner aus. „Gemüse oder Obst wird bisher leider kaum
zum Schimpfen benutzt, egal, ob Tomate, Blumenkohl, Banane oder Papaya.
Allenfalls Zwetschge aka Pflaume ist derzeit justiziabel.“
„Juristisch muss vor Gericht allerdings die Absicht und die Wirkung der
ehrabschneidenden Beleidigung bewiesen werden. Es genügt nicht, sich von
einem Wort oder Namen einfach so beleidigt zu fühlen. Die Bezeichnung,Nase’
ist aus dem Munde eines Nasenfetischisten wahrscheinlich nicht beleidigend
gemeint.“ Um gar nicht erst in die Gefahr einer Klage gegen ihn zu kommen,
sucht Malektidologe Reisertsch mittlerweile nach Begriffen, die juristisch
(noch) keine Beleidigungen sein können – Eigennamen.
Seine Idee: Nicht Politiker werden beleidigt – umgekehrt wird ihr Name als
Schimpfwort benutzt. „Ist jemand ein geheimniskrämerischer,
abschiebefreudiger, latenter Rassist, sage ich ‚Du Olaf!‘ zu ihm.“
Selbstverständlich kann man auch Politiker mit Politikernamen bezeichnen.
So bietet sich für Kanzler Merz, „den CDU-Steigbügelhalter für die kommende
AfD-Machtergreifung 2026/2027, ‚Adenauer‘ an“, sagt Reisertsch und grinst.
„Und der hält das dann noch für ein Kompliment.“
Altkanzler Adenauer hatte nach dem Krieg den Nazi-Juristen und Miterfinder
der Rassengesetze Hans Globke zum Kanzleramtschef gemacht und so die
Altnazis wieder in der bundesdeutsche Politik integriert.„Und Menschen, die
man für ‚Nazischlampen‘ hält, aber das Geld dafür nicht hat, könnte man mit
einem Politikerinnennamen mit W bezeichnen.“
In Roger „Flaming“ Reisertschs Buch sind über eintausend neue
Politiker-Namen-Schimpfwörter aufgeführt. Man kann diese aber auch im Netz
unter www.gibmirkeinetiernamen.de suchen. „Da können Sie ein paar
Stichwörter eingeben oder aus einer Liste auswählen, und die KI generiert
ihnen sofort den passenden Schimpfwortnamen – und sogar Kombinationen, etwa
‚Leyen-Söder‘.“
Doch Obacht! In Deutschland ist es bislang (noch) kein Verbrechen, jemanden
als „Du Orbán!“ oder als „Sie dummer Trump, Sie!“ zu beschimpfen. In den
USA und Ungarn bekommt man damit bekanntlich Probleme. „Allerdings hängen
Justiz und Rechtsprechung immer ein wenig hinterher“, sagt Reisertsch. „In
ein paar Jahren könnte ‚Merz‘, ‚Dobrindt‘, ‚Söder‘, ‚Klingbeil‘ und
‚Lindner‘ durchaus als Beleidigung juristisch anerkannt werden. Außer,
Nazis sind wieder an der Macht, dann benutzen sie die Namen wahrscheinlich
selbst“, lacht Reisertsch, „nur nicht den vom Bundeskanzler in spe Jens
Spahn.“
Bis dahin verwendet Reisertsch seine Entdeckung einfach im Alltag. „Meine
Kinder sagen nicht mehr ‚Scheiße‘, wenn sie sich ärgern, sondern den
Sch…-Namen des Altkanzlers.“ Vorsicht sei dennoch bereits heute geboten:
Auch wenn Politikernamen erlaubt sind, kann es vor Gericht durchaus als
ehrabschneidend aufgefasst werden, jemanden pauschal als „SPDler“ zu
bezeichnen. Das wird mit bis zu 2.500 Euro bestraft – selbst wenn der
Beleidigte tatsächlich ein SPD-Mitglied ist. So urteilte 2024 das
Landgericht Hannover in letzter Instanz (Az 19 OHA 518/24).
7 Oct 2025
## AUTOREN
DIR Michael-André Werner
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