# taz.de -- Berliner Abgeordnetenhaus: Mehr Bäume auch ohne Entscheid
> In einer Ausschussanhörung bleiben wenig Zweifel, dass das Parlament das
> Anliegen der Initiative „Baum-Entscheid“ übernehmen wird.
IMG Bild: Stattweit alle 15 Meter ein Straßenbaum – das ist ein Ziel der Initiative Baum-Entscheid, die auf mehr Hitzeschutz drängt
Berlin taz | Hat die taz da irgendwas verpasst? Ist der Mann jetzt auf die
andere Seite gewechselt und Senator geworden? Denn Heinrich Strößenreuther,
umtriebiger Umweltaktivist, mal CDU-Mitglied, mal Grüner und aktuell
bekanntestes Gesicht der Initiative Baum-Entscheid, sitzt am Mittwoch im
Abgeordnetenhaus auf den Plätzen der Regierung. Doch nein: Dort, in der
Senatsreihe, sind gerade jene platziert, die im Parlament ihre Argumente
für mehr Hitzeschutz vortragen dürfen, nämlich Strößenreuther und drei
Mitstreiter von der Initiative.
Es ist schon die zweite Anhörung binnen zweieinhalb Wochen – Mitte
September war die Initiative bereits in den Umweltausschuss geladen, nun
hört ihr der Hauptausschuss zu. Gut zwei Stunden tragen die vier vor und
beantworten Fragen. Ziemlich schnell ist klar, dass beide Seiten stark an
einem Kompromiss interessiert sind. Das würde zwar dem Namen der Initiative
– Baum-Entscheid – widersprechen, der darauf abzielte, das Ziel von weit
mehr Straßenbäumen und Hitzeschutz mit einem Volksentscheid zu erreichen.
Denn peilte die Initiative einen Termin parallel zur Abgeordnetenhauswahl
in rund elf Monaten an.
Doch [1][nach einem überraschenden Schwenk der CDU bei ihrem
Landesparteitag] am 20. September – mutmaßlich wegen der breiten
öffentlichen Unterstützung für die Initiative – läuft es darauf hinaus,
dass das Abgeordnetenhaus den Gesetzentwurf weitgehend übernimmt. Dass es
die Bäume auch ohne aufwendigen Entscheid gibt, dürfte die Initiative kaum
bedauern. Eine für den Winter geplante Unterschriftensammlung wäre damit
nicht nötig, das Land käme um die Kosten für den Volksentscheid herum – und
zudem könnte man ein gutes Jahr früher mit mehr Hitzeschutz beginnen.
Genau eine Woche vor dieser Anhörung haben die Fraktionschefs von CDU und
SPD dafür den Weg frei gemacht. Man werde den Entwurf übernehmen, und zwar
„in allen wesentlichen Punkten“, [2][hieß es dabei in einer gemeinsamen
Pressekonferenz.] Die Initiative hatte zuvor befürchtet, die schwarz-rote
Koalition könnte das Gesetz nur dem Namen nach übernehmen und eine
ausgehöhlte, zerfledderte Variante beschließen.
## Sondersitzung für den 3. November geplant
Denn allgemein für mehr Grün und Hitzeschutz in der Stadt hatten sich CDU
und SPD [3][schon in ihrem Koalitionsvertrag von 2023] ausgesprochen. Aber
noch im Juli hatte sich der Senat neben anderen Dingen nicht mit den Kosten
des Baum-Entscheids anfreunden können und dem Parlament deshalb die
Ablehnung empfohlen. Diese Kosten wurden damals auf 7,2 Milliarden Euro
geschätzt, aufgeteilt bis 2024. Und noch wenige Tage vor der „Wir
übernehmen“-Ankündigung der Fraktionschefs [4][wandte sich die CDU im
Parlament vehement dagegen, Parkplätze zu streichen,] um genug Platz für
Bäumepflanzen zu haben.
Statt der im Sommer diskutierten 7,2 Milliarden soll es nun laut Initiative
weniger als halb so viel sein, nämlich 3,2 Milliarden. Das ist laut
Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) auch einem Workshop mit der Initiative
vergangene Woche zu verdanken. „Das zeigt, wie gut der Austausch
miteinander ist“, sagt sie am Mittwochvormittag. Bondes Parteifreund Heiko
Melzer, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, kündigt für
die nächsten Tage weitere Gespräche an.
Laut Mitinitiatorin Lisa Junghans geht es dabei um sechs Punkte, die noch
zu klären sind. Da soll es sich aber nicht um Grundsatzfragen handeln,
sondern um Formulierungen und technische Details. „Wir spüren, hier ist
echter Wille, das Gesetz gemeinsam zu beschließen“, sagt sie. Komme es in
einer Sondersitzung des Parlaments am 3. November dazu, dann sei das etwas
ganz Besonderes. Noch nie habe eine Volksinitiative alle demokratischen
Parteien hinter sich gebracht. Grüne und Linkspartei unterstützen das
Anliegen schon länger. Von der AfD ist zu hören, sie stehe dem Anliegen
„grundsätzlich positiv“ gegenüber.
Mehrere Abgeordnete, von der CDU wie von den oppositionellen Grünen,
drängen allerdings auf mehr Klarheit bei der Finanzierung. Die soll es
binnen einer Woche geben, damit der Hauptausschuss sich bei einer
Auswertung der Anhörung in acht Tagen auf einen verbindlichen Gesetzestext
festlegen und dem kompletten Parlament für den 3. November ein Ja empfehlen
kann.
8 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Keine-gruene-Spinnereien/!6111360&s=alberti+wegner/
DIR [2] /Berliner-Abgeordnetenhaus/!6113022
DIR [3] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/
DIR [4] /Baum-Debatte-im-Abgeordnetenhaus/!6115864
## AUTOREN
DIR Stefan Alberti
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