# taz.de -- Aktivist:innen im Nahen Osten: Was von der Global-Sumud-Flotilla bleibt
> Israel deportiert die meisten der zuvor festgenommenen Aktivisten des
> Schiffskonvois. Ihr Ziel, den Gazastreifen, hatten sie nicht erreicht.
IMG Bild: Greta Thunberg und weitere Aktivist:innen der Global Sumud Flotilla am 7. Oktober in Stockholm
Tunis taz | Nach mehreren Tagen Haft haben die meisten der 470 „Global
Sumud-Flotilla“-Aktivisten Israel wieder verlassen. Vor einer Woche waren
ihre Boote von israelischen Spezialeinheiten gestürmt und in den Hafen
Aschdod gebracht worden. Nach ihrer Ankunft wurden die aus 44 Ländern
Stammenden in das berüchtigte Ketziot-Gefängnis gebracht.
Dort tauchte dann [1][Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir] auf und überzog
die Aktivisten mit Flüchen und Beschimpfungen. Der ultraradikale
Nationalist war offenbar nicht mit Benjamin Netanjahus Entscheidung
einverstanden, alle Sumud-Teilnehmer nach kurzer formaler Prozedur wieder
ausreisen zu lassen. „Das sind Terroristen, die Boote waren in einem
erbärmlichen Zustand und ohne Hilfsgüter“, so Ben-Gvir vor laufenden
Kameras des israelischen Fernsehens. „Wir werden aber ihren Aufenthalt so
gestalten, dass sie nicht wiederkommen wollen“, warnte er, während ihm aus
der Gruppe der Gefangenen der Ruf „Free Palestine“ entgegenschallte.
Wer sich weigerte, ein Papier mit dem Eingeständnis der illegalen Einreise
nach Israel zu unterzeichnen, wurde einem Richter vorgeführt. Alle
Teilnehmer wurden mit einer 100-jährigen Einreisesperre belegt. Doch da sie
in internationalen Gewässern und an Bord eines Hilfskonvois gewesen sei,
sei der Vorwurf einer illegalen Einreise lächerlich, so die teilnehmende
Aktivistin Greta Thunberg.
Sie berichtete am Montag nach ihrer Landung am Flughafen von Athen: Die
Zustände in den Zellen des Ketziot-Gefängnisses seien unzumutbar. Außerdem
seien 40 Sumud-Aktivisten aufgrund der ständigen Beschimpfungen durch die
Wärter, der unhygienischen Zellen und dem Mangel an essbarer Nahrung und
Wasser in einen Hungerstreik getreten. Das israelische Außenministerium
bezeichnet diese Berichte als „Fake News“.
## Thunberg: Konnten Schreie Gefangener hören
Nordafrikanische Sumud-Teilnehmer sollen besonders schlecht behandelt
worden sein. Auch David Adler, ein US-Amerikaner jüdischen Glaubens,
erzählt von physischem und mentalem Missbrauch in Ketziot: „[2][Als das
Sicherheitspersonal erfuhr, dass ich und ein Freund Jude sind], haben sie
uns zu einem Foto mit Ben-Gvir gezwungen, die Augen verbunden und fünf Tage
lang psychisch gefoltert.“
Neun Schweizer Aktivisten beklagten außerdem den Mangel an diplomatischer
Hilfe der eigenen Botschaft. Gegen die inhumanen Haftbedingungen und für
ihre Freilassung habe sich die Türkei eingesetzt, so ein Teilnehmer. Die
Ausreise marokkanischer Aktivisten verzögert sich derweil wohl, da diese
nicht bereit sind, mit der Botschaft ihres Landes zu sprechen. Marokko
unterhält Beziehungen zu Israel.
Thunberg nutzte das weltweit große Medieninteresse an Sumud, um die
zentrale Botschaft der Initiative zu betonen: „Ich könnte sehr lange über
die schlechte Behandlung in Israel sprechen. Aber der eigentliche Skandal
ist, dass wir überhaupt losfahren mussten, um auf die Lage der Hungernden
in Gaza aufmerksam zu machen. Und ich denke [3][an die palästinensischen
Gefangenen] in Ketziot, deren Schreie man hören konnte.“
## Auch die nächste Flotilla wird von Israel abgefangen
Die zahlreichen Videos von der Fahrt von Barcelona, Catania und Tunis in
Richtung Gaza hatten eine Welle an Solidaritätsaktionen losgetreten. Die
„Freedom Flotilla Coalition“, ein internationaler Verbund von Aktivisten,
schickte kurz vor dem Sturm israelischer Spezialeinheiten einen weiteren
Konvoi auf den Weg nach Gaza, mit 150 Aktivisten an Bord. Sie hatten
medizinische Geräte und Kindernahrung im Wert von 95.000 Euro geladen. Auch
dieser Konvoi wurde am Mittwoch von israelischen Soldaten gestürmt, auch
diese Boote wurden wie in den Hafen von Aschdod gebracht. Das türkische
Außenministerium warf der Regierung in Jerusalem einen „weiteren Akt der
Piraterie“ vor.
Fischer aus dem Gazastreifen berichten, dass die beiden Konvois durchaus
Effekt hatten: „Die israelischen Patrouillenboote schießen auf uns, wenn
wir mehr als zwei Kilometer von der Küste entfernt fischen“, sagt ein
Bootsbesitzer der taz am Telefon. [4][„In den letzten Tagen konnten wir
weiter hinausfahren und haben viel mehr Fische gefangen – weil die
Patrouillenschiffe fehlten.“]
8 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Mirco Keilberth
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