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       # taz.de -- Linkenpolitikerin über Wohnungspolitik: „Wir kämpfen mit Markus Söder gegen Mietwucher“
       
       > Die Bundesregierung spiele mit ihrer Mietrechtskommission auf Zeit, sagt
       > Caren Lay (Linke). Aber ihre Partei habe manchmal überraschende
       > Verbündete.
       
   IMG Bild: Caren Lay ist nicht nur Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, sie rappt auch gern politische Botschaften auf Tiktok
       
       taz: Frau Lay, der Wohnungsmarkt bleibt weiter angespannt. Aber die
       Bundesregierung hat sich verändert. Statt Ampel gibt es jetzt Schwarz-Rot.
       Wer ist Ihrer Meinung nach schlimmer für Mieter:innen: FDP oder Union? 
       
       Caren Lay: Das ist natürlich ein hartes Battle. Momentan ist es ein
       Gleichstand. Gleichzeitig hoffe ich, dass der vernünftige Teil der Union
       erkannt hat, dass sie auch etwas für Mieter:innen liefern müssen und
       nicht die Blockadehaltung der FDP fortführen können.
       
       taz: Das Bauministerium ist in SPD-Hand geblieben. Wie unterscheidet sich
       denn die [1][neue Ministerin Verena Hubertz] von ihrer [2][Vorgängerin
       Klara Geywitz?] 
       
       Lay: Positiv ist, dass sie versucht, Schwung reinzubringen, und ehrgeiziger
       wirkt. Gleichwohl sind die ersten Haushaltsentwürfe genauso enttäuschend.
       Mit dem [3][Sondervermögen Infrastruktur] ist doch plötzlich so viel neues
       Geld vorhanden. Ich hätte mir gewünscht, dass man damit auch Investitionen
       in einen gemeinnützigen Wohnungssektor ermöglicht. Aus meiner Sicht wäre es
       entscheidend, dass wir eine gemeinnützige Wohnungspolitik nach dem Vorbild
       Wiens machen. Dafür ist aber kein einziger Euro vorgesehen. Dass die
       Bundesregierung jetzt einseitig auf diesen „Bauturbo“ setzt, bringt uns
       nicht weiter.
       
       taz: Der verspricht doch immerhin, [4][Bauen weniger bürokratisch zu
       machen.] 
       
       Lay: Einfach schneller etwas zu bauen ist keine Antwort auf die soziale
       Wohnungsfrage in den Städten. Viele Expert:innen befürchten, dass damit
       insbesondere im ländlichen Raum schnell irgendetwas hingeklatscht wird ohne
       jede soziale Vorgabe. Das wird die Wohnungskrise in den Städten nicht
       entspannen. Außerdem gibt es die berechtigte Befürchtung, dass es die
       Spekulation mit Grundstücken weiter antreibt.
       
       taz: Warum protestieren so wenige Menschen gegen zu hohe Mieten? 
       
       Lay: Ich glaube, dass das Thema sehr schambehaftet ist. Menschen, die auf
       Wohngeld angewiesen sind oder wegen Mietschulden rausgeschmissen werden,
       reden nicht so gerne darüber. Deswegen gibt es auch an anderer Stelle wenig
       sozialen Protest von Betroffenen. Außerdem haben Mieter:innen auch
       einfach nicht so eine große Lobby wie zum Beispiel die Immobilienbranche.
       Die pflegt ja [5][sehr gute Kontakte in die Ministerien.] Ich habe mal das
       Lobbyregister der Bundesregierung ausgewertet: Auf vier Lobbyisten des
       Deutschen Mieterbundes kommen 144 aus der Immobilienbranche. Der
       Immobilienlobby gelingt es somit besser, den öffentlichen Diskurs zu
       bestimmen.
       
       taz: Es ist auffällig, wie viele Gelder aus der Immobilien- und Baubranche
       als Spenden an deutsche Parteien fließen. Sehen Sie einen Zusammenhang mit
       der aktuellen Politik? 
       
       Lay: Es gibt finanzielle Verflechtungen, die hochproblematisch sind. Wir
       als Linke lehnen ja jede Unternehmensspende ab. Alle anderen Parteien im
       Bundestag haben Spenden von der Immobilienlobby erhalten. Insbesondere bei
       der Union ist [6][die Verwobenheit mit der Immobilienlobby] seit jeher sehr
       stark. Von der SPD wünsche ich mir, dass sie zu einer eigenständigen
       sozialdemokratischen Handschrift zurückfindet, die kann ich bisher nicht
       erkennen.
       
       taz: Woran machen Sie das fest? 
       
       Lay: Die Mietpreisbremse wurde unter Angela Merkel eingeführt und sie
       funktioniert bis heute nicht richtig. Die SPD konnte nicht [7][die
       geringste Nachbesserung erreichen], zum Beispiel dass die ganzen
       Schlupflöcher geschlossen werden. Gleichzeitig macht sie diesen „Bauturbo“
       mit, ohne soziale Vorgaben zu machen. Das ist ganz klar eine Forderung der
       Union und der Bauwirtschaft.
       
       taz: Was müsste denn passieren, um die Situation zu verbessern? 
       
       Lay: Die Finanzierung und der Ausbau einer Wohngemeinnützigkeit und ein
       Mietendeckel sind zentral. Aber wir müssen auch dringend den
       [8][Mieterschutz bei möblierten Wohnungen] und bei Kurzzeitverträgen
       verbessern. Das ist relativ unreguliert und da wird den Leuten wirklich
       systematisch das Geld aus der Tasche gezogen. Viele, die neu in Städte
       kommen, haben oft nur die Möglichkeit, in diese Kurzzeit- oder möblierten
       Mietverträge reinzukommen.
       
       taz: Wenn Sie wählen müssten zwischen gemeinnützigem Wohnungsbau nach
       Wiener Vorbild oder Mietendeckel. Das eine schafft Wohnraum, das andere
       friert Mieten ein – wie entscheiden Sie sich? 
       
       Lay: Das geht nur zusammen. Ich bin fest überzeugt, dass man die
       Mietpreisentwicklungen nicht dem Markt überlassen darf. Gleichzeitig
       brauchen wir eine sozialere Baupolitik. Das gemeinnützige Modell, wie es in
       Wien praktiziert wird, gab es früher auch in der Bundesrepublik. Wir
       sollten nicht vergessen, dass es maßgeblich die städtischen
       Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften waren, die das Land nach
       zwei Weltkriegen wieder aufgebaut haben. Die gemeinnützige
       Wohnungswirtschaft war eigentlich ein Erfolgsmodell, die Mietpreise wurden
       dadurch niedrig gehalten. Das hat der freien Immobilienwirtschaft natürlich
       nicht gefallen. Leider hat der Korruptionsskandal um die
       gewerkschaftseigene Wohnungsgesellschaft Neue Heimat Anfang der 80er Jahre
       der Regierung Kohl den Anlass geboten, die Wohngemeinnützigkeit
       grundsätzlich abzuschaffen. Sie sollte wieder eingeführt werden.
       
       taz: Sie wurde doch [9][von der Ampel wieder eingeführt]. 
       
       Lay: Aber nur in einer absoluten Schmalspurvariante. Es braucht aber einen
       relevanten Teil des Wohnungsmarktes, der nicht den Gesetzmäßigkeiten von
       Rendite folgt, sondern den Gesetzmäßigkeiten des Gemeinwohls. Dafür braucht
       es staatliche Investitionen und einen besseren Rechtsrahmen. Beides ist von
       der Regierung leider nicht wirklich vorgesehen.
       
       taz: Mitte September wurde [10][eine Mietrechtskommission eingesetzt.] Die
       will bis Ende 2026 zum Beispiel prüfen, wie man Mietwucher besser bestrafen
       kann. Sind Sie hoffnungsvoll?
       
       Lay: Diese Kommission gibt es doch nur, weil sich SPD, CDU und CSU in den
       Koalitionsverhandlungen in strittigen Fragen nicht einigen konnten. Ich bin
       mir sehr unsicher, was dabei herauskommt. Dabei gibt es für die meisten
       Themen schon lange gute Vorschläge.
       
       taz: Zum Beispiel? 
       
       Lay: Die Kommission soll sich ja mit [11][überhöhten Mieten beschäftigen],
       also wie der Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzbuches besser angewendet
       werden kann. Da gibt es einen konkreten Vorschlag, der schon mehrfach im
       Bundesrat mit einer Mehrheit bedacht worden ist. Dieser Gesetzesvorschlag
       kam aus Bayern. Also Markus Söder und die Linke kämpfen hier gemeinsam für
       eine bessere Verfolgung des Mietwuchers. Aber die Union blockiert und
       spielt mit der Kommission auf Zeit.
       
       taz: Sind die Grünen hier für Sie ein Bündnispartner? 
       
       Lay: Die Grünen haben in der vergangenen Legislaturperiode in der
       Wohnungspolitik leider keinen einzigen Punkt gemacht. Aber ich begrüße es,
       dass sie sich [12][wieder auf das Thema besinnen.] Ich will aber auch
       sagen, ohne den Wahlerfolg der Linken mit dem Mietenthema wäre diese Wende
       der Grünen wahrscheinlich nicht zustande gekommen.
       
       taz: Sie haben das [13][Thema Mieten im Wahlkampf] erfolgreich stark
       gemacht und mit einem [14][Mietwuchercheck] auch praktische Hilfe
       angeboten. Was ist daraus geworden?
       
       Lay: Es gibt erste Erfolgsmeldungen. Es gibt einige Städte, die jetzt
       Abteilungen geschaffen haben, um Mietwucher besser zu verfolgen. Leipzig
       und Hamburg beispielsweise bauen das jetzt auf. Wir werden den
       Mietwuchercheck im Herbst auf weitere Städte ausweiten.
       
       taz: Gilt das auch [15][für den Heizkostencheck]? 
       
       Lay: Auch den wird meine Partei weiter anbieten. Am ersten
       Oktoberwochenende veranstaltet die Partei eine große Konferenz, wo wir mit
       vielen engagierten Mitgliedern eine große Mietenkampagne planen wollen. Sie
       werden noch sehr viel von uns hören, nicht nur auf Bundesebene, sondern
       auch in den Ländern und Kommunen.
       
       taz: Sie sind seit Mai Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag. Hat
       sich mit dieser Rolle auch Ihr Einfluss verändert? 
       
       Lay: Ich hoffe: ja. Ein Stück weit kann ich das Agendasetting mit
       beeinflussen. Ich kann mitentscheiden, was auf die Tagesordnung des
       Ausschusses und dann auch des Bundestages kommt.
       
       taz: Wurden Sie schon ins Bauministerium eingeladen? 
       
       Lay: Noch nicht, aber das steht bald an.
       
       taz: Wie benimmt sich eigentlich die AfD im Bauausschuss? Lay: Sie ist
       bisher nicht sehr auffällig. Ihre Provokationen macht sie ja meist nur auf
       der großen Bühne. Zudem interessiert sich die Partei auch nicht für
       Wohnungspolitik. Konkrete Vorschläge, wie wir die Situation verbessern
       könnten, gibt es von ihr nicht. Das ist eine wichtige Botschaft. Denn es
       gibt Untersuchungen, die sagen, dass Mieter:innen, die von der Mieterhöhung
       bedroht sind, eher dazu tendieren, die AfD zu wählen. Das ist absolut
       irrational.
       
       taz: Sie sind seit 2009 im Bundestag und waren zwischendrin sehr
       angefressen über den Zustand der Linken-Fraktion. Wie sieht das heute aus? 
       
       Lay: Ich feiere sehr, dass die Linke so gestärkt in den Bundestag gekommen
       ist mit so einer jungen, frischen und großen Fraktion. Wir haben jetzt fünf
       Abgeordnete, die sich um verschiedene Aspekte von Wohnungspolitik kümmern:
       Mietenpolitik, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, Spekulationsbekämpfung
       und Wohnungslosigkeit, soziale Wärmewende. Das gab es vorher nicht.
       
       taz: Lange waren Sie aber [16][Einzelkämpferin auf dem Feld]. 
       
       Lay: Das stimmt, ich habe da sehr lange auf Granit gebissen. Es war einen
       kluge Entscheidung der jetzigen Fraktions- und Parteiführung, das Thema zu
       stärken. Es ist ja nicht bei allen linken Themen so, dass es auch eine
       große inhaltliche Einigkeit gibt.
       
       taz: Sie sind auch bekannt für Ihre Social-Media-Auftritte. Was haben Sie
       da als Nächstes in der Mache? 
       
       Lay: Es gibt eine neue Serie, die [17][heißt „Beim Finanzamt“.] Da geht es
       um ungerechte Steuerpolitik an der Schnittstelle zwischen Steuer-,
       Immobilien- und Wohnungspolitik.
       
       taz: Klingt ziemlich kompliziert für Tiktok! 
       
       Lay: Wir erklären beispielsweise [18][Sharedeals oder Steuerschlupflöcher
       für Immobilienkonzerne], natürlich mit Humor und Augenzwinkern. Dass Oma
       Else Grunderwerbsteuer zahlen muss, aber Deutsche Wohnen keinen einzigen
       Euro Steuern bei einem 25-Milliarden-Deal zahlt. Dieses himmelschreiende
       Unrecht verdient mehr Öffentlichkeit. Ich will, dass die junge Generation
       davon erfährt. Wir haben jetzt die ersten Folgen produziert. Sie können
       gespannt sein.
       
       28 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [14] https://www.mietwucher.app/
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   DIR [16] /Linkenpolitikerin-uebers-Wohnen/!5880216
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