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       # taz.de -- Refugee-Karawane Tagebuch (4): Den „Sommer der Migration“ feiern
       
       > 2015 nahmen Menschen auf dem „Marsch der Hoffnung“ ihr Schicksal in die
       > Hände. Mit einer Tour durch Ostdeutschland tun Geflüchtete es ihnen nun
       > gleich.
       
   IMG Bild: Alle hören aufmerksam zu: Muna Abdi berichtet in Dresden von der Karawane
       
       Der dritte Tag [1][der Karawane] beginnt sehr kalt und regnerisch, ich und
       alle anderen würden gerne noch ein bisschen länger im Bett bleiben an
       diesem Montagmorgen – aber das geht nicht. Ein Team hat das Frühstück
       vorbereitet, ich nehme mir Eier, Humus und eine Tasse Tee. Nach dem
       Frühstück ein Plenum, dann endet [2][unsere Zeit in Thüringen].
       
       Alle packen ihre Taschen, Computer, Schlafsäcke zusammen und steigen in die
       Autos. Drei Stunden dauert die Fahrt nach Dresden. Dort ist es noch kühler
       als in Thüringen, es regnet auch. Lokale Aktivist:innen heißen uns
       willkommen. Ab jetzt sind wir in Sachsen.
       
       Im Montagscafé in der Neustadt begrüßt uns Pius. Er spricht von einer
       „Karawane der Hoffnung, des Kampfes und der Solidarität“. Darin hätten wir
       uns zusammengeschlossen, um gleiche Rechte und Bewegungsfreiheit zu
       verteidigen – und das mache uns stark, sagt er.
       
       Hagen von [3][Welcome United] erinnert an den Marsch der Hoffnung im Jahr
       2015, den langen Kampf entlang der Balkanroute. In der Nacht auf den 4.
       September 2015 beschloss eine Gruppe von über tausend Menschen,
       hauptsächlich aus Syrien, mutig ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
       Ihnen war versprochen worden, dass sie in Deutschland willkommen seien.
       [4][Aber Ungarn unternahm nichts, um sie nach Wien zu bringen].
       
       Sie wollten nicht länger warten. Also machten sie sich [5][zu Fuß auf den
       Weg von Budapest nach Wien]. Hagen nennt 2015 einen historischen Durchbruch
       gegen das Grenzregime. „Die Karawane feiert das 10-jährige Jubiläum dieses
       kraftvollen Kampfes“, sagte er.
       
       Ein kurzes Video fasst die Ereignisse damals zusammen. Es wird still. Die
       ersten Minuten zeigen die traurige Geschichte von Flüchtlingen, die vor den
       Kriegen in Syrien geflohen waren, aber die letzten Minuten des Videos
       sorgten für eine fröhliche Stimmung. Man sieht, wie die Flüchtlinge sich
       auf den Weg zur Grenze machen und schließlich in Deutschland ankommen,
       herzlich am Münchner Hauptbahnhof empfangen werden.
       
       Ich betrete die Bühne, erinnere an die Geschichten der Karawane, berichte
       von unseren bisherigen Stationen, unseren Forderungen. Alle hören
       aufmerksam zu. Ich sehe, wie einige die Hände an ihre Wangen legen. Ihre
       Gesichter zeigen, dass ihnen die Schwierigkeiten der Flüchtlinge nahe
       gehen.
       
       Auch andere Gruppen aus Dresden sind gekommen. Lisa von der
       Unterstützungsgruppe für Inhaftierte spricht über die schwierigen
       Bedingungen in der Dresdener Abschiebehaft. „Wir unterstützen die
       Inhaftierten seit mehreren Jahren, besuchen sie und bieten ihnen rechtliche
       und psychologische Beratung an“, sagte sie.
       
       Die Bühne ist nun offen, jeder darf das Mikrofon ergreifen.
       
       Farouk berichtet davon, wie die Bewohner des Lagers Hermsdorf, in dem 700
       Menschen in einer großen Halle ohne Trennwände und Privatsphäre lebten,
       sich zusammenschlossen. „Die Lebensbedingungen im Lager Hermsdorf waren
       schwierig“, sagt Farouk. Sieben Monate lang traf sich eine Gruppe von
       Bewohnern des Lagers. Aktivist:innen von Welcome United motivierten
       ihn, eine Demonstration zu organisieren. Er organisiert seine Freunde im
       Lager, sie gehen in Erfurt auf die Straße, fordern bessere
       Lebensbedingungen.
       
       Danach wird Farouk von der Lagerleitung bedroht. Ihm wird mitgeteilt, dass
       er im Lager bleiben und nicht verlegt werden würde. Er organisierte eine
       zweite Demonstration – die schließlich zur Schließung des Lagers führte.
       
       Gestern schloss sich eine neue Person unserer Karawane an: Hamza, ein
       kurdischer Aktivist und Schriftsteller. Er berichtet uns davon, wie er in
       diesem Sommer 70 Tage lang in Dresden inhaftiert war. Er trat für mehr als
       30 Tage in den Hungerstreik. Dann wurde er aus der Haft entlassen. Jetzt
       ist er bei uns und wir werden gemeinsam weiterziehen.
       
       Das Tagebuch [6][wird fortgesetzt]..
       
       23 Sep 2025
       
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   DIR Muna Abdi
       
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