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       # taz.de -- Tagebuch aus Berlin: Studieren für Lukaschenko
       
       > Wie sich seit fünf Jahren die Journalismus-Ausbildung in Belarus
       > verändert hat. Und warum viele Autor:innen das Land verlassen müssen.
       
   IMG Bild: Präsidiale Unterweisung: Alexander Lukaschenko erteilt Lektionen in Geschichte
       
       Seit den Präsidentschaftswahlen 2020 gibt es in [1][Belarus] aufgrund der
       beispiellosen Verfolgung durch die Behörden keine unabhängigen Medien mehr.
       Es gab Verhaftungen, Durchsuchungen, Zerstörung von Redaktionsräumen. Das
       zwang Journalist:innen des unabhängigen Mediensektors, das Land zu
       verlassen. Viele haben ihren Beruf aufgegeben, 37 Medienvertreter sitzen
       noch immer im Gefängnis, und viele haben ihre Arbeit im Exil fortgesetzt.
       
       Im Jahr 2020 wurde ich Studentin an der Fakultät für Journalismus der
       staatlichen Universität. Das war beinah der einzige Ort in Belarus, an dem
       man eine Ausbildung zur Journalistin machen konnte. Zur gleichen Zeit
       begann ich, für eine unabhängige Zeitung zu arbeiten, für die ich 2021 aus
       dem Gerichtssaal über den Prozess gegen aus politischen Gründen inhaftierte
       Student:innen berichtete. Wegen meiner Arbeit wurde ich festgenommen und
       verbrachte 30 Tage hinter Gittern. Danach wurde ich von der
       Journalismusfakultät exmatrikuliert. Die offizielle Begründung lautete:
       Fehlzeiten.
       
       Die Fakultät für Journalismus bietet mittlerweile nicht mehr den geringsten
       Platz für akademische Freiheit. Vor den Ereignissen des Jahres 2020 gab es
       immerhin noch ein wenig davon, jetzt aber [2][ist es vorbei]. An diesem
       Fachbereich werden vielmehr Propagandist:innen als Lehrkräfte
       eingestellt, die Studierenden absolvieren Praktika in staatlichen Medien,
       die offen Propaganda betreiben, und die Lehrmaterialien, mit denen im
       Studium gearbeitet wird, sind bloße Propagandageschichten.
       
       Früher mussten nur die Absolvent:innen, die mit staatlicher Finanzierung
       studiert hatten, im Anschluss zwei Jahre lang in den von Präsident
       [3][Alexander Lukaschenko] kontrollierten Medien arbeiten. Jetzt müssen
       sogar die Studierenden, die ihr Studium selbst bezahlen, über diesen
       Zeitraum dort arbeiten. Das sind nur einige der Veränderungen in den
       letzten fünf Jahren.
       
       ## Warum junge Leute doch in den Journalismus wollen
       
       Alle, die es wagen, sich kritisch über Lukaschenko und seine Politik zu
       äußern, [4][müssen mit Repressionen rechnen]. Trotzdem haben sich dieses
       Jahr 122 Bewerber:innen an dieser Fakultät eingeschrieben. Für sie
       gilt: Alle müssen im Anschluss zwei Jahre lang bei Lukaschenko-nahen Medien
       arbeiten. Den Studierenden ist die soziale Absicherung wichtig: Stipendien,
       Wohnheimplätze, Fahrvergünstigungen. Für Familien aus den von [5][Minsk]
       etwas entfernteren Regionen ist dies eine Chance, ihren Kindern eine
       Ausbildung in der Hauptstadt zu ermöglichen.
       
       Nur: Von dieser Ausbildung ist mittlerweile nichts mehr übrig geblieben. Wo
       können angehende Journalist:innen in Belarus heute eine Ausbildung
       absolvieren und lernen, ihren Beruf auszuüben? Viele
       Studienbewerber:innen wissen gar nicht, was staatliche Medien
       eigentlich machen und was sie dort erwartet.
       
       Die Propaganda stellt den „Staatsjournalisten“ als angesehenen Beruf dar,
       der mit guten Sozialleistungen attraktiv ist. Sie malt ein schönes Bild der
       Medienwelt, und junge, ehrgeizige Leute versuchen dann in der Hauptstadt,
       sich einen Platz an der Sonne zu sichern.
       
       Aber sind sie sich dessen bewusst? Wohl kaum. Diejenigen, die an der
       Fakultät studieren und die Ansichten der Regierung teilen, sind das
       Ergebnis der ideologischen Indoktrination in der Schule. Wenn man ständig
       in Propagandanarrativen schwelgt, hört man irgendwann auf, zwischen Schwarz
       und Weiß zu unterscheiden.
       
       Und plötzlich erscheint Schwarz gar nicht mehr so schlecht.
       
       [6][Glafira Zhuk] ist Stipendiatin der [7][taz Panter Stiftung]. 
       
       Aus dem Russischen von [8][Tigran Petrosyan]. 
       
       Finanziert wird das Projekt von der [9][taz Panter Stiftung].
       
       26 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [8] /Tigran-Petrosyan/!a22524/
   DIR [9] /Panter-Stiftung/Spenden/!v=95da8ffb-144e-4a3b-9701-e9efc5512444/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Glafira Zhuk
       
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