# taz.de -- Kurdisches Filmfestival Berlin: „Konflikte sind nicht unser Fokus“
> Festivalleiterin Nubar Hamamci und Koordinator Rizan Abdulaziz erklären
> im Interview, warum es mehr zeigt als kurdisches Kino.
IMG Bild: Eine Szene aus dem Auftaktfilm von Binevşa Berivans: „The Virgin and Child“
taz: Das Kurdische Filmfestival findet dieses Jahr bereits zum 15. Mal
statt. Was macht es besonders?
Rizan Abdulaziz: Das Festival ist überparteilich und bringt Menschen aus
der kurdischen Community, aber auch ein internationales Publikum in Berlin
zusammen. Dieses Jahr zeigen wir über 50 Filme. Im Fokus stehen ethnische
und religiöse Minderheiten – Jesid:innen, Alevit:innen, Armenier:innen,
Jüdinnen und Juden.
taz: Sie betonen die Überparteilichkeit. Was genau bedeutet das?
Abdulaziz: Es ist die Vielfalt, die das Festival repräsentiert. Natürlich
gibt es immer Themen, die sich aktuell aufdrängen, aber wir versuchen im
Programm die gesamte Bandbreite kurdischen Lebens abzubilden.
Nubar Hamamci: Besonders ist, dass wir nicht nur kurdische Filme zeigen,
sondern auch Stimmen anderer Minderheiten sichtbar machen. Gerade in
Berlin, wo viele Communitys zusammenleben, ist das wichtig.
taz: Das diesjährige Motto lautet „Koexistenz“. Warum haben Sie sich dafür
entschieden?
Abdulaziz: Koexistenz beschreibt das Zusammenleben verschiedener ethnischer
und religiöser Gruppen in Kurdistan – und auch in Berlin. Trotz Konflikten
gab es immer Hoffnung und gelebtes Miteinander. Genau diese Momente wollen
wir beleuchten.
Hamamci: Oft wird über „die Kurden“ gesprochen, als gäbe es nur eine
Sprache, eine Religion. Aber es gibt viele Dialekte, viele Identitäten. Mit
unserem Fokus wollen wir jene Minderheiten sichtbar machen, die sonst
vergessen werden.
taz: Koexistenz klingt harmonisch, gleichzeitig steckt darin Konflikt. Wie
bildet das Festival beides ab?
Hamamci: Uns geht es darum, Stimmen hörbar zu machen und eine positive,
harmonische Stimmung zu schaffen. Konflikte sind nicht unser Fokus.
Abdulaziz: Unser Ansatz ist überparteilich: Es geht darum, Vielfalt
sichtbar zu machen – Konflikte, aber auch echtes Zusammenleben.
taz: Viele Filme sind politisch. Verstehen Sie sich auch als politisches
Festival?
Hamamci: Nein. Wir wollen uns nicht parteipolitisch positionieren. Aber
natürlich sind die Themen der Filme oft politisch – sie erzählen von
Flucht, Repression, Identität. Wir geben den Raum, in dem diese Geschichten
gezeigt und diskutiert werden können.
taz: Gibt es Situationen, in denen gezielt Filme abgelehnt wurden, weil sie
zu politisch brisant waren?
Abdulaziz: Wir haben noch nie einen Film abgelehnt, weil er zu politisch
war. Das ist leider die alltägliche Realität, die findet sich in den Themen
der Filme wieder. Aber ein Film, der im Programm läuft, muss dem Thema
gerecht werden und es dramaturgisch sorgfältig herausarbeiten.
taz: Berlin gilt als Heimat der größten kurdischen Community in
Deutschland. Welche Rolle spielt der Ort?
Hamamci: Für viele gehört das Festival längst zu Berlin. Sichtbarkeit des
kurdischen Kinos ist unser zentrales Ziel. Wir wollen die Tradition
fortführen – nicht, um Geld zu verdienen, sondern um Kultur zu bewahren und
weiterzugeben.
taz: Zum Eröffnungsfilm „The Virgin and Child“ von Binevşa Berîvan:
Inwiefern spiegelt er das Thema Koexistenz wider?
Abdulaziz: Er erzählt die Geschichte einer jesidischen Frau, die fliehen
muss. Damit rückt er eine religiöse Minderheit in den Mittelpunkt. Leid,
Hoffnung und Zusammenleben – genau das wollen wir mit dem Fokus zeigen.
Hamamci: Seit Jahrtausenden leben in Kurdistan Kurd:innen gemeinsam mit
Assyrer:innen, Armenier:innen, Araber:innen und Türk:innen
verschiedener Religionen wie Jesidentum, Judentum, Christentum und Islam.
taz: Welche Highlights würden Sie den Besucher*innen empfehlen?
Hamamci: Etwa „The Dalkurd Story“, ein schwedisch-kurdischer Dokumentarfilm
über einen Fußballverein von Migranten – ein Film über Zusammenhalt und
Migration. Oder „Happy Day“, ein Spielfilm über drei Freunde, die in die
Berge fliehen, um ihre Träume zu verwirklichen.
Abdulaziz: Besonders freue ich mich über die Kooperation mit dem Jüdischen
Filmfestival. Dort haben wir alte, schwer zugängliche Filme gefunden – etwa
„Pink Dream“, eine Doku aus den 1990ern über einen kurdischen Bauern, der
mit seiner Familie nach Israel geht. Außerdem läuft „Bêwar“, ein Film über
kurdische Geflüchtete in Tel Aviv. Solche Perspektiven wären ohne die
Zusammenarbeit kaum möglich gewesen.
taz: Was soll das Publikum mitnehmen?
Abdulaziz: Vor allem Austausch. Das Festival ist ein Raum für Dialog, wo
Vielfalt, Beziehungen und auch die Herausforderungen zwischen den Gruppen
sichtbar werden.
25 Sep 2025
## AUTOREN
DIR Derya Türkmen
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