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       # taz.de -- Trainer-Comeback in Darmstadt: Aktiv und attraktiv
       
       > Mit neu erlernter Demut hat Florian Kohfeldt Darmstadt an die Spitze der
       > zweiten Bundesliga geführt. Und sehenswerten Fußball lässt er auch
       > spielen.
       
   IMG Bild: Wegweiser: Florian Kohfeldt gibt bei Darmstadt 98 die Richtung vor
       
       Darmstadt taz | Man muss gar nicht Anhänger des SV Darmstadt 98 sein, um
       diese [1][Vereinshymne] gut zu finden. Wenn im Stadion am Böllenfalltor
       mehr als 17.000 Menschen „Oh Lilien!“ und „Tor, Tor, Tor, Lilien vor!“
       trällern, entsteht fast zwangsläufig Gänsehaut. Das wird auch vor dem
       Heimspiel gegen Dynamo Dresden am Freitag (18.30 Uhr, Sky) nicht anders
       sein.
       
       Dazu laden die Südhessen als Tabellenführer der zweiten Bundesliga. Die
       Vorstellung beim Aufstiegskandidaten Fortuna Düsseldorf (3:0) am
       vergangenen Sonntag sah schon erstligareif aus, weil von hinten bis vorne
       durchdacht. Früher hätte Florian Kohfeldt danach im Lob gebadet. Heute
       fällt dem Trainer nur eine Kindheitserinnerung ein. „Ich habe mit zwölf
       aufgehört mit der Kicker-Stecktabelle.“
       
       Ein Spruch, der auf eine neue Demut hinweist. In seinen besten Zeiten beim
       SV Werder mit dem Klassenerhalt 2018 und der Beinahe-Europapokalteilnahme
       2019 neigte der zum DFB-Trainer des Jahres 2018 gekürte Fußballlehrer ja
       dazu, die Geschehnisse sehr durch die Bremer Brille zu bewerten. In die
       grün-weiße Welt war er nach der A-Jugend als Torhüter der dritten
       Mannschaft eingetaucht, bald war das Trainertalent jedem im Verein bekannt.
       Da gab es kaum einen, der beliebter gewesen wäre im Klub. Das hat es in
       Krisenzeiten erschwert, kritische Distanz zu wahren.
       
       Es soll in der Branche sogar ein bisschen Schadenfreude geherrscht haben,
       als der eloquente Fußballerklärer Kohfeldt im Mai 2021 mit Bremen aus der
       Bundesliga purzelte. Bis zum letzten Spieltag hatte man an ihm
       festgehalten, ehe Vereinslegende Thomas Schaaf übernahm. [2][Da war es
       schon zu spät]. Dass der Coach vergleichsweise früh wieder eine Anstellung
       beim VfL Wolfsburg fand, wo er ebenso wenig glücklich wurde wie beim
       Gastspiel bei [3][KAS Eupen] in Belgien, war im Rückblick nicht verkehrt.
       
       ## Wichtige Überzeugungsarbeit
       
       Kohfeldt konnte vieles reflektieren. Auffällig: Seitdem überzieht er nicht
       mehr. Da hat sich einer zurückgenommen, ohne seine Stärken zu verraten.
       Noch immer ist die Rhetorik dieses intelligenten Fußballlehrers ein
       wichtiges Stilmittel. Und der Coach hat viel sprechen müssen, um das Umfeld
       zu überzeugen. Denn rund ums Böllenfalltor hat man ihn nicht mit offenen
       Armen empfangen.
       
       Skepsis spielte mit, als der Nachfolger von Torsten Lieberknecht am 7.
       September 2024 anfing. Seitdem stehen in der Kohfeldt-Tabelle 15 Siege, 9
       Unentschieden, 12 Niederlagen. Und doch sind die Lilien dem Mittelmaß
       entflohen, weil ihr Coach aufgeblüht ist. Darmstadt 98, sagte der zuletzt,
       sei „wirklich ein besonderer Verein: Eine solch emotionale Verbundenheit
       habe ich seit der Zeit in Bremen nicht mehr gespürt.“ Eng ist die
       Zusammenarbeit mit Sportdirektor Paul Fernie.
       
       Man funkt auf einer Wellenlänge und findet sich hinter denselben Direktiven
       wieder, die Fernie gerade so beschrieb: „Wir wollen die Umschalt-Kings in
       beide Richtungen werden.“ Der frühere Scout der Blackburn Rovers und von
       Nottingham Forest hat beim Zweitligisten vieles auf den Prüfstand gestellt
       – und auch die Spielweise beeinflusst.
       
       Dieser Zweitligist spielt aktiv und attraktiv. Die Offensivkräfte Isac
       Lidberg, Fraser Hornby, Kilian Corredor und Marco Richter sind sich für
       keinen Weg nach hinten zu schade. Vorne beeindruckt die Intensität, hinten
       die Konsequenz. Erst fünf Gegentore sind der Beleg. Der mit perfekten
       Flugbällen aufwartende Verteidiger Patric Pfeiffer gibt ebenso eine
       herausragende Stütze wie Marcel Schuhen als einer der reaktionsschnellsten
       Keeper des deutschen Profifußballs. Der meinungsfreudige Torwart gilt seit
       Jahren als das inoffizielle Sprachrohr des Klubs.
       
       Dennoch sollte niemand erwarten, dass jemand aus dem Klub öffentlich den
       Aufstieg als Ziel ausgibt. Doch natürlich hätte gewiss niemand was dagegen,
       wenn die tabellarischen Aussichten so fröhlich stimmen wie die Klubhymne zu
       Beginn jedes Spiels.
       
       26 Sep 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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